Technisch denkbar, aber kaum umsetzbar
Anders als bei der Corona-Warn-App, wo klar ist, dass das Standort-Tracking eben technisch nicht möglich ist, ist dies bei den Handydaten zumindest theoretisch über Funkzellenabfragen der Fall. Im Grunde muss man bei derartigen Forderungen aber fast schon froh sein über das Mobilfunknetz in Deutschland, das im internationalen Vergleich nicht mehr mithalten kann und für die Idee der Handyortung im großen Maßstab nur bedingt geeignet scheint.
So gibt es hierzulande nach wie vor ganze Orte, die sich in einem Funkloch befinden. Ebenso sind viele Funkzellen deutlich größer als der 15-Kilometer-Radius der Corona-Regeln. Und mit größerem Abstand wird auch die Schwankung des Signals stärker und damit die Ortung schlechter. Hinzu kommt, dass die 15-km-Regel etwa für den Weg zu Arbeit weiterhin nicht gilt, was millionenfach falsch-positive Meldungen erzeugen würde.
Wie all diese Probleme schnell technisch gelöst werden könnten, bleibt ein Rätsel. Ebenso völlig unklar ist, wer die Einhaltung der 15-km-Regeln überhaupt überprüfen und durchsetzen sollte, sofern man auf eine Handyortung setzen würde. Schon jetzt will die Polizei wie in Sachsen die Einhaltung der Regel nicht ohne konkreten Verdacht kontrollieren, wie etwa der MDR berichtet. Dass die Polizei künftig aber die Bewegung aller Menschen in weiten Teilen das Landes nur aufgrund der Handydaten und ohne jeden weiteren Verdacht kontrolliert, klingt nicht nur nach krassem Polizeistaat, sondern scheint auch rein praktisch einfach nicht möglich.
Vergessen werden sollte auch nicht, dass es in Deutschland schlicht keinen Zwang zur Handynutzung gibt und die Geräte bei geplanten Verstößen gegen die 15-km-Regel schlicht zu Hause gelassen werden könnten. Ebenso gibt es seit Jahren Tipps dafür, wie etwa Teilnehmer einer Demonstration einer Funkzellenüberwachung entgehen können. Auch unter diese Gesichtspunkten zerfällt die Forderung nach einer Handyortung zu Staub.
Technische Lösung bleibt Fantasie
Trotz all dieser Überlegungen ist davon auszugehen, dass es künftig weitere und lautere Forderungen nach einer Handyortung geben wird. Wahrscheinlich wird dabei auch erneut auf die Erfolge der Technik und den Einsatz in Taiwan verwiesen werden.
Dort setzen die Verantwortlichen tatsächlich auf eine Handyortung zur Einhaltung der verordneten häuslichen Quarantäne, was auch als elektronischer Zaun beschrieben wird.
Mitarbeiter der Gesundheitsbehörden rufen die in Quarantäne befindlichen Personen täglich zu verschiedenen Uhrzeiten an, um zu überprüfen, ob sie ihr Handy auch tatsächlich bei sich tragen. Wird das Handy ausgeschaltet oder geht von selbst aus, wird zudem durch die Polizei direkt überprüft, ob sich die Person unerlaubt aus ihrer Quarantäne entfernt hat.
Bedacht werden sollte mit Blick auf das Vorgehen in Taiwan dabei aber die Pandemie-Lage hierzulande. So sehen sich die Gesundheitsämter seit Wochen nicht mehr in der Lage dazu, eine Kontaktnachverfolgung umzusetzen. Darüber hinaus hieß es schon im August, also weit vor der derzeit prekären Lage, dass die Ämter mit ihren Quarantänekontrollen überlastetet seien und nicht mehr hinterherkämen.
Die Datenübertragung zwischen den Behörden geschieht weiter per Fax und immer noch weist das Robert Koch-Institut darauf hin, dass einige Behörden die Infektionszahlen nicht an Wochenenden oder Feiertagen übermitteln. Selbst eine Sequenzierung der Corona-Virenstämme findet in Deutschland so gut wie nicht statt.
Hinzu kommt, dass sich weiter Millionen Menschen physisch auf Arbeit treffen dürfen oder auf dem Weg dahin etwa im öffentlichen Nahverkehr. Selbst da, wo Homeoffice möglich ist, wird dies viel zu oft nicht umgesetzt und in einigen Teilen von Gesellschaft und Politik wird ernsthaft weiter über die Öffnung des Infektionsherds Schule diskutiert.
Statt all diese tatsächlichen Probleme in der Pandemie zu lösen, setzen Politiker wie nun bei der Handyortung oder zuvor bei der Corona-Warn-App weiter darauf, dass irgendeine technische Lösung wie durch Zauberhand die Pandemie besiegt. Damit soll wohl aber einfach nur vom eigenen Versagen in der Pandemiebekämpfung abgelenkt werden.
IMHO ist der Kommentar von Golem.de. IMHO = In My Humble Opinion (Meiner bescheidenen Meinung nach)
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Handyortung: Sinnloser Traum vom elektronischen Zaun gegen Corona |
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Genau. Damit jeder, der einen defekten Wasserhahn hat, 250 Euro an den Klemptner zahlen...
Ja. Um es ganz einfach zu erklären: Dank Klimawandel wird die Nordsee für eingewanderte...
einerseits wird gefordert homeoffice einzufuehren, am besten dafuer noch ausruestung...
Nur bleibst du eben nicht dauerhaft im Auto sitzen, durch Tanken erhöhst du...
Ja sind sie. Geh mal in einer Großstadt zu beliebten Treffpunkten - da hockten abends...
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