Handelsstreit: Ist der Deal der EU mit Trump wirklich so schlecht?

Eine gute Presse sieht sicherlich anders aus. Am Tag nach der Einigung der EU im Zollstreit mit US-Präsident Donald Trump hagelte es überall Kritik. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sei eingeknickt, hieß es in Brüssel(öffnet im neuen Fenster) , gar von Unterwerfung(öffnet im neuen Fenster) oder Kapitulation und Schutzgelderpressung(öffnet im neuen Fenster) war bei Kommentatoren die Rede. Doch ist der rechtlich unverbindliche Deal wirklich so schlecht, dass die EU stattdessen besser einen Handelskrieg riskiert hätte?
Um diese Frage beantworten zu können, müssten zunächst mehr Details der Vereinbarung bekannt sein. Die EU teilte dazu ursprünglich nur mit(öffnet im neuen Fenster) : "Wir haben uns auf einen einheitlichen Zollsatz von 15 Prozent für die überwiegende Mehrheit der EU-Exporte geeinigt. Dieser Satz gilt für die meisten Sektoren, darunter Automobile, Halbleiter und Pharmazeutika. Diese 15 Prozent stellen eine klare Obergrenze dar. Keine Kumulation. Alles inklusive."
Hohe Investitionen in den USA angekündigt
Für bestimmte strategische Produkte sollen gegenseitig überhaupt keine Zölle erhoben werden. Die EU will zudem russisches Gas und Öl "durch erhebliche Käufe von US-amerikanischem Flüssigerdgas, Öl und Kernbrennstoffen ersetzen" . Das Weiße Haus veröffentlichte dazu mehr Details(öffnet im neuen Fenster) und schrieb: "Die EU wird bis 2028 Energie im Wert von 750 Milliarden US-Dollar kaufen und neue Investitionen in Höhe von 600 Milliarden US-Dollar in den Vereinigten Staaten tätigen."
Bezeichnend ist dabei eine Formulierung zur Beibehaltung der Stahlzölle: "Die sektoralen Zölle auf Stahl, Aluminium und Kupfer bleiben jedoch unverändert - die EU wird weiterhin 50 Prozent zahlen, und die Parteien werden über die Sicherung der Lieferketten für diese Produkte beraten." Doch die Einfuhrzölle werden nicht von der EU bezahlt, sondern von den US-Importeuren und am Ende von den amerikanischen Verbrauchern. Das ist einer der zentralen Kritikpunkte an der Zollpolitik Trumps.
Keine Aussagen zu DSA und DMA
Viele der angekündigten Vereinbarungen sind vage und reine Absichtserklärungen. Wichtig ist dabei eher, was unangetastet bleiben soll. So heißt es in dem Abschnitt zu digitalen Diensten lediglich: "Die USA und die EU beabsichtigen, ungerechtfertigte digitale Handelshemmnisse zu beseitigen. In diesem Zusammenhang bestätigt die EU, dass sie keine Netznutzungsgebühren einführen oder beibehalten wird. Darüber hinaus werden die USA und die EU weiterhin keine Zölle auf elektronische Übertragungen erheben." Damit ist zwar die sogenannte Datenmaut vom Tisch, aber die EU hat sich entgegen anderslautender Spekulationen (noch) nicht verpflichtet, wichtige Regulierungen wie das Gesetz über digitale Dienste (DSA), das Digitale-Märkte-Gesetz (DMA) oder die KI-Verordnung zu schleifen.
Was die Höhe der versprochenen Investitionen betrifft: Dem Wall Street Journal(öffnet im neuen Fenster) (Paywall) zufolge ist Europa ohnehin schon der größte ausländische Investor in den USA, wobei die europäischen Direktinvestitionen von 2023 bis 2024 um rund 200 Milliarden Dollar gestiegen seien. "Das Dreifache davon über einen unbestimmten Zeitraum ist kaum ein großer Coup" , schrieb das Blatt.
Allerdings behauptet das Weiße Haus, die 600 Milliarden US-Dollar würden "in der Amtszeit von Präsident Trump" investiert, die 2028 endet. Da die EU den hiesigen Unternehmen nicht vorschreiben kann, wo sie in welcher Höhe investieren, ist das ohnehin nur ein Lippenbekenntnis.
In zusätzlichen Erläuterungen der EU-Kommission(öffnet im neuen Fenster) heißt es entsprechend, dass EU-Firmen "ihr Interesse bekundet haben" , mindestens 600 Milliarden US-Dollar in verschiedenen Sektoren in den USA zu investieren und damit die bisherigen Investitionen von 2,4 Billionen Euro weiter zu steigern. Darüber hinaus beabsichtige die EU, KI-Chips im Wert von 40 Milliarden US-Dollar von US-Firmen zu kaufen.
Selbst mit der Lupe fällt es schwer, in den bisherigen Statements Zugeständnisse der USA an die EU zu finden.
Ukraine als wichtiges Druckmittel der USA
Diese dürften nach Einschätzung von Beobachtern vor allem darin bestehen, dass die USA der Ukraine und dem Rest Europas nicht die Unterstützung im Kampf gegen Russland entziehen. Damit hatte die US-Regierung ein großes Druckmittel in der Hand, um Europa zum Einlenken zu bewegen.
Dass es in den Verhandlungen in Schottland tatsächlich um dieses Thema ging, bestätigte EU-Handelskommissar Maros Sefcovic in Brüssel(öffnet im neuen Fenster) . "Es geht um Sicherheit, es geht um die Ukraine, es geht um die aktuelle geopolitische Volatilität" , sagte Sefcovic am Tag nach der Einigung und fügte hinzu: "Ich kann nicht in alle Einzelheiten gehen, was gestern alles besprochen wurde, aber ich kann Ihnen versichern, dass es nicht nur um den Handel ging."
Aber auch ohne ein solches Druckmittel schloss Japan zuvor eine vergleichbare Vereinbarung mit den USA ab und akzeptierte den generellen Einfuhrzoll in Höhe von 15 Prozent. Der US-amerikanische Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman kommt in seiner Analyse der Vereinbarung(öffnet im neuen Fenster) zu dem Schluss: "Insgesamt dürfte das Zusammenspiel zwischen diesem Japan-Deal und Trumps anderen Zöllen die Wettbewerbsbedingungen zwischen amerikanischen und japanischen Autoherstellern und vielleicht auch anderen Produkten zugunsten Japans verschieben." Daher seien die US-Hersteller "so verärgert" über den Deal.
Gericht verhandelt über Zollpolitik
Das Wall Street Journal, erklärter Gegner der Zollpolitik Trumps, weist auf die Nachteile des EU-Deals für die US-Verbraucher hin: "Die Amerikaner durch Zölle zu höheren Arzneimittelpreisen zu zwingen, ist eine seltsame Art, Europa für seine Preiskontrollen zu bestrafen, die es ermöglichen, von amerikanischen Arzneimittelinnovationen zu profitieren."
Ohnehin dürften die US-Gerichte Trumps Zölle wahrscheinlich für ungültig erklären, schreibt das Blatt. Das zuständige US-Berufungsgericht verhandelt am 31. Juli 2025(öffnet im neuen Fenster) über die Klage gegen Trumps Zollpolitik. Das Internationale Handelsgericht der USA hatte die Zölle bereits für unzulässig erklärt , allerdings hob das Berufungsgericht die einstweilige Verfügung bis zur Hauptverhandlung wieder auf.
EU erkauft sich Zeit
Es wäre sicher nicht besonders klug von der EU, bei dem Deal auf eine Niederlage Trumps vor Gericht zu setzen. Denn es ist gut möglich, dass er den US-Kongress dazu bringt, nachträglich seine Zollpolitik zu legitimieren. Vermutlich war der Kommission das Risiko zu groß, dass Trump zum Stichtag am 1. August 2025 nicht eingeknickt wäre und die angekündigten Einfuhrzölle von 30 Prozent erhoben hätte.
Die langfristigen Folgen der Vereinbarung sind angesichts der vielen offenen Fragen schwer abzuschätzen. Ohnehin weist die EU darauf hin, dass die politische Einigung zwischen Trump und von der Leyen "rechtlich nicht bindend" ist. Vermutlich wird sie das Wirtschaftswachstum in der EU abschwächen und den Warenaustausch mit den USA deutlich reduzieren. Die EU könnte daher bestrebt sein, durch Vereinbarungen mit anderen Weltregionen die Ausfälle zu kompensieren. Es dürfte schwer sein, Handelspartner zu finden, die unberechenbarer als die USA unter Donald Trump sind.
Nachtrag vom 30. Juli 2025, 10:31 Uhr
EU-Kommissionssprecher Thomas Regnier wollte auf Nachfrage von Journalisten den Verzicht auf die Datenmaut nicht bestätigen. "Wir haben das souveräne Recht, Gesetze zu erlassen, wie wir es wollen. Das Thema ist noch nicht erledigt. Die Frage der gerechten Beteiligung ist ein Problem, das nicht erst seit gestern besteht, sondern schon lange vorher, und es wird behandelt werden, hat aber nichts speziell mit den USA zu tun" , sagte Regnier am 29. Juli 2025(öffnet im neuen Fenster) .
Die mögliche Beteiligung von Inhalteanbietern wie Google oder Meta am Netzausbau in der EU soll im Digital Networks Act (DNA) geregelt werden. Regnier wies darauf hin, dass im laufenden Gesetzgebungsverfahren(öffnet im neuen Fenster) am 11. Juli 2025 die Einreichfrist für die öffentliche Konsultation abgelaufen sei. Die Kommission wolle nun die 326 eingegangenen Stellungnahmen(öffnet im neuen Fenster) analysieren und in den DNA einfließen lassen. Der Verordnungsentwurf werde "bald" vorgelegt.



