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Handelskrieg: Huawei beschuldigt US-Regierung der Beweisfälschung

Die US-Regierung soll wesentliche Fakten unterschlagen haben, um die Anklage gegen die Tochter des Huawei -Gründers konstruieren zu können. Das US-Justizministerium schweigt.
/ Achim Sawall
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Meng Wanzhou verlässt ihr Zuhause in Vancouver auf dem Weg zum Obersten Gerichtshof von British Columbia. (Bild: Don Mackinnon/AFP via Getty Images)
Meng Wanzhou verlässt ihr Zuhause in Vancouver auf dem Weg zum Obersten Gerichtshof von British Columbia. Bild: Don Mackinnon/AFP via Getty Images

Vor einem Gericht im westkanadischen Vancouver steht das Auslieferungsverfahren gegen Huaweis Finanzvorständin und Tochter des Firmengründers, Sabrina Meng (Meng Wanzhou), kurz vor einer Entscheidung. Zusammen mit schweren Vorwürfen gegen die vom US-Justizministerium gesteuerte Anklage haben die Anwälte von Meng neues Beweismaterial vorgelegt. Es soll zeigen, dass die Vorwürfe unter Auslassung von Fakten konstruiert wurden.

Die US-Justiz wirft der Managerin Bankbetrug vor und hat sie im Dezember 2018 auf dem Flughafen in Vancouver beim Umsteigen in Richtung Mexiko durch die kanadischen Behörden verhaften lassen.

Meng, behauptet die Anklage, habe im Jahr 2013 bei einer Präsentation vor Angestellten der britischen Bank HSBC in einem Teehaus in Hongkong das Verhältnis von Huawei zu der im Iran operierenden Firma Skycom falsch dargestellt. Dabei habe sie Skycom als eine von Huawei unabhängig operierende Firma präsentiert, obwohl Skycom tatsächlich indirekt von Huawei kontrolliert worden sei.

USA kann weltweit Banken bestrafen

Aufgrund dieser Darstellung habe die Bank das eigene Risiko nicht richtig einschätzen können, das sich bei einer weiteren Kreditfinanzierung Huaweis durch die US-Sanktionen gegen den Iran ergab. Gemäß der US-Sanktionen können Banken bestraft werden, wenn sie nicht sicherstellen, dass ihre Kreditnehmer keinen Sanktionsbruch begehen.

Da der internationale Zahlungsverkehr zumeist in US-Dollar abgewickelt wird, beanspruchen die USA, dass auch ein Gespräch zwischen einer Chinesin und einer britischen Bank in Hongkong von ihnen verfolgt werden kann. Bei den Anschuldigungen gegen Meng geht es allerdings nicht um Sanktionsverletzungen, sondern ausschließlich darum, ob sie die Bank in betrügerischer Absicht belogen hat, was das Verhältnis zu Skycom betrifft.

Die USA haben im Mai 2019 mit einer Notstandsverordnung den Wirtschaftskrieg gegen Huawei begonnen. Das US-Handelsministerium untersagte alle Geschäfte, die "ein Risiko für die USA darstellen" , und setzte Huawei auf die sogenannte Entity-Liste. Durch das im Juli 2020 folgende Nutzungsverbot von US-Technologie für Huawei kann kein Auftragsfertiger, der US-Maschinen nutzt, mehr SoCs oder Prozessoren für Huawei produzieren. Seit Huawei keine Google-Apps mehr auf seinen Geräten vorinstallieren darf, gingen die Verkäufe außerhalb Chinas stark zurück.

Die USA haben selbst schon einmal gegen ihr Iran-Embargo verstoßen: In der Iran-Contra-Affäre während der Amtszeit von US-Präsident Ronald Reagan(öffnet im neuen Fenster) wurden Einnahmen aus Waffenverkäufen an den Iran an die rechten Contras in Nicaragua weitergeleitet.

Von August 1985 bis Oktober 1986 wurden 2.515 TOW-Panzerabwehrlenkwaffen und 258 Hawk-Flugabwehrraketensysteme an den Iran geliefert. Zudem schmuggelten die Contras mit Duldung der USA über Jahre mehrere Tonnen Kokain in die USA.

Die Power-Point-Präsentation der Finanzchefin

Die US-Justiz behauptet in ihrem Auslieferungsantrag an die kanadischen Behörden, ausschließlich Junior-Manager der Bank hätten von dem wahren Verhältnis zwischen Huawei und Skycom gewusst, nämlich dass Skycom eine inoffizielle Tochtergesellschaft Huaweis im Iran ist, während die eigentlichen Entscheidungsträger der Bank sich in ihrer Risikobewertung auf die angeblich falschen Aussagen von Meng verlassen hätten. Dafür sei die Power-Point-Präsentation aus dem Jahr 2013 entscheidend gewesen.

Die Anwälte von Meng haben nun aber interne Dokumente der HSBC erhalten, die beweisen sollen, dass beide Aussagen im Auslieferungsantrag falsch sind: Weder seien die Entscheidungsträger der Bank über das wahre Verhältnis zwischen Huawei und Skycom im Dunklen gewesen, noch habe ausschließlich die Power-Point-Präsentation von Meng die Grundlage für ihre Risikobewertung dargestellt. Ein Sprecher von Huawei Kanada sagte: "Diese HSBC-Dokumente zeigen die falsche und irreführende Natur des US-Auslieferungsantrags, auf die sich die kanadischen Gerichte verlassen sollen."

Die Dokumente der Bank zeigen laut Huawei, dass der mit der Risikobewertung hauptsächlich betraute Banker die Zusammenhänge kannte und mehrere Risikoberichte unterzeichnet hat, die eine Fortsetzung des Geschäftsverhältnisses zwischen HSBC und Huawei empfehlen. Die angeblich betrügerische Power-Point-Präsentation sei nie den für die endgültige Risikobewertung zuständigen Gremien der Bank vorgelegt worden.

Mengs Anwälte argumentieren, dass diese Fakten den US-Justizbehörden bekannt gewesen seien und sie entsprechend einen Auslieferungsantrag verfasst hätten, der in wesentlichen Punkten Fakten wissentlich falsch darstellt. Der Auslieferungsantrag sei deshalb im Kern fehlerhaft und die kanadische Richterin solle die Auslieferung ablehnen.

Auslieferungsverfahren soll die Schuld nicht klären

Die rechtliche Hürde hierfür liegt jedoch hoch, denn in dem Auslieferungsverfahren geht es nicht darum festzustellen, ob Meng schuldig oder unschuldig ist. Dies wäre Aufgabe des eigentlichen Strafverfahrens, welches nach einer möglichen Auslieferung vor einem US-Gericht in New York liefe.

Entsprechend reicht es nicht aus, bloße Zweifel an der Darstellung der US-Justiz zu schüren. Mengs Anwalt Mark Sandler trug entsprechend auch vor(öffnet im neuen Fenster) , dass die Begründung der US-Justiz in ihrem Auslieferungsantrag "so mangelhaft ist, dass sich das Gericht nicht auf sie verlassen darf" .

Inhaltliche Beweise wie die nun vorgelegten Dokumente dürfen in dem kanadischen Auslieferungsverfahren nur berücksichtigt werden, wenn sie zeigen, dass die Darstellung im Auslieferungsantrag "offensichtlich unzuverlässig" ist, aber eben nicht nur "wahrscheinlich unzuverlässig" .

Mengs Anwälte hoffen, dass Richterin Heather Holmes ihrer Argumentation folgt: So sei es höchst selten, dass eine des Betrugs Beschuldigte von dem angeblichen Opfer HSBC Beweise eingefordert habe, um ihre Unschuld zu beweisen, und das angebliche Opfer auch bereit gewesen sei, diese der Verteidigung zur Verfügung zu stellen.

Nur aufgrund dieser Zusammenarbeit der angeblichen Betrügerin mit dem angeblichen Betrugsopfer sei es nun möglich, überhaupt fundamental anzuzweifeln, dass es auch nur in Ansätzen einen plausiblen Tatverdacht gegen die Beschuldigte gibt, der eine Auslieferung an die USA rechtfertigen würde.

Die kanadische Kronanwaltschaft, die die Auslieferungsinteressen der US-Justiz vor dem Gericht in Vancouver zu vertreten hat, argumentierte jedenfalls rein formell gegen die neuen Beweise: Diese seien im eigentlichen Strafverfahren in den USA zu bewerten. Sie reichten nicht aus, den Tatverdacht vollständig zu entkräften, und genau dies sei erforderlich, um das Auslieferungsgesuch abzulehnen.

Auslieferungsverfahren läuft seit über zwei Jahren

Im Verlauf des nun schon über zwei Jahren andauernden Auslieferungsverfahrens hat die kanadische Richterin in Zwischenentscheidungen immer wieder erkennen lassen(öffnet im neuen Fenster) , dass auch sie Zweifel an der Korrektheit der Vorwürfe der US-Justiz und am ordnungsgemäßen Charakter des Verfahrens hegt. Im Oktober vergangenen Jahres entschied sie, dass die Anwälte Mengs Argumente und Beweise vortragen dürfen, die auf verschiedenen Ebenen einen Verfahrensmissbrauch belegen sollen.

So ließ die Richterin sowohl das Argument zu, dass Äußerungen des ehemaligen US-Präsidenten Trump, er könne Meng freilassen, wenn China ihm bei einem Handelsdeal entgegenkäme, Zweifel an der rein strafrechtlichen Motivation der Anklage erkennen ließen.

Wörtlich hatte Trump in einem Interview(öffnet im neuen Fenster) kurz nach Mengs Verhaftung auf die Frage eines möglichen Eingreifens seinerseits in das Verfahren geantwortet: "Wenn ich der Auffassung bin, dass es gut für das Land ist, wenn ich denke, dass es gut für das ist, was sicher das größte Handelsabkommen aller Zeiten sein wird - eine sehr wichtige Sache und gut für die nationale Sicherheit -, würde ich bestimmt eingreifen, wenn ich der Meinung bin, dass es notwendig ist."

Des Weiteren ließ die Richterin eine Beweisaufnahme zu, in der geklärt werden sollte, ob wesentliche Rechte von Meng bei ihrer Verhaftung am Flughafen in Vancouver verletzt wurden, so zum Beispiel durch ein Verhör ohne die Möglichkeit zu anwaltlichem Beistand oder die unzulässige Beschlagnahmung von elektronischen Geräten zwecks Durchsuchung. Den Verdacht, die kanadische Grenzpolizei habe ihre rechtlichen Befugnisse(öffnet im neuen Fenster) hier systematisch überschritten, um Informationen für die US-Behörden zu beschaffen, wurden seitens der kanadischen Behörden zurückgewiesen.

''Der Auslieferungsantrag ist wie ein Schweizer Käse - voller Löcher''

Zur dritten Säule des behaupteten Verfahrensmissbrauchs gehört das Argument, die US-Justiz habe wesentliche, ihr bekannte Fakten unterschlagen, die dagegen sprächen, Meng habe einen Bankbetrug begangen. Vor den diese Woche vorgetragenen Fakten hatte die Verteidigung bereits bemängelt, dass die Power-Point-Präsentation, auf die sich Anklage und Auslieferungsantrag im Wesentlichen stützen, nur selektiv und unvollständig wiedergegeben würden.

So seien Charts in der Darstellung unterschlagen worden, die die Beschuldigte entlasten. Unabhängige kanadische Prozessbeobachter wie der Rechtsexperte Richard Kurland sprachen deshalb(öffnet im neuen Fenster) schon vor Monaten davon, dass der US-Auslieferungsantrag angesichts der Unterschlagung von relevanten Informationen wie ein "Schweizer Käse" voller Löcher sei.

Der Auslieferungsexperte Gary Botting ist überzeugt(öffnet im neuen Fenster) , dass das gesamte Vorgehen gegen die Huawei-Finanzchefin rein politisch motiviert sei: "Huawei war und ist ein politisches Ziel. Die Verhaftung von Frau Meng am 1. Dezember 2018 hat Huawei genau in dem Moment ein Messer in den Bauch gestoßen, als sie auf dem Weg war, 5G-Technologie von Huawei in Mexiko anzubieten. So wie ich es sehe, haben die Vereinigten Staaten ganz unverhohlen die Hilfe Kanadas in Anspruch genommen, um jeden Versuch von Huawei zu vereiteln, seine Technologie in Nordamerika auszubauen und zu erweitern. Dies ist ein Beispiel für US-Hegemonie im großen Stil."

US-Justizministerium antwortet nicht

Ob die Zweifel an der Ordnungsmäßigkeit des Verfahrens der Richterin groß genug erscheinen, dieses ohne Auslieferung zu beenden, wird sich in erst in einigen Wochen zeigen. Bis zum 9. Juli wird mit einer Entscheidung gerechnet, ob die neuen Beweisdokumente der HSBC überhaupt zugelassen werden.

Im August kommt es dann zur abschließenden Prüfung aller bislang von der Verteidigung vorgetragenen Gründe, die Auslieferung wegen Verfahrensfehlern bei der Verhaftung, falschen und irreführenden Darstellungen der Fakten im Auslieferungsantrag und der politischen Äußerungen Donald Trumps zu beenden. Unabhängig davon kann auch der kanadische Justizminister ein Auslieferungsverfahren jederzeit beenden und darf im Gegensatz zu den Gerichten auch explizit politische Erwägungen einfließen lassen.

Ob die neue US-Regierung unter Joe Biden die Kritik an der Vorgängerregierung nachvollziehen kann, bleibt hingegen unklar. Auf Anfrage von Golem.de, ob sie sich zum Vorwurf der falschen und irreführenden Darstellung der Tatsachen in ihrer Anklage äußern wolle, verwies die US-Botschaft in Berlin auf das US-Justizministerium in Washington D.C., welches die Anfrage unbeantwortet ließ.


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