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Halbleiterfertigung: Hafniumdioxid ist mehr als ein guter Isolator

Speicher, konfigurierbare Transistoren und Energy Harvesting: Hafniumdioxid kann viel, Globalfoundries integriert es in die Serienfertigung .
/ Johannes Hiltscher
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Auf einem solchen Wafer kann Globalfoundries auch FeFETs herstellen - zusammen mit normalen MOSFETs. (Bild: Globalfoundries)
Auf einem solchen Wafer kann Globalfoundries auch FeFETs herstellen - zusammen mit normalen MOSFETs. Bild: Globalfoundries

Viele Geschichten beginnen mit einem Zufall: Bei Hafniumdioxid entdeckte die mittlerweile insolvente Infineon-Tochter Qimonda(öffnet im neuen Fenster) 2007, dass dessen Ferromagnetismus für sogenannte ferroelektrische Feldeffekttransistoren (FeFET) nutzbar ist. Eigentlich sollte es als sogenanntes High-k-Dielektrikum verwendet werden. Die Idee, Ferroelektrizität(öffnet im neuen Fenster) für Transistoren zu nutzen, existiert seit den 1950er Jahren. Überlebt hat sie bis heute, denn die Transistoren haben interessante Eigenschaften.

Um sie zu verstehen, müssen wir zuerst einen Blick auf den Aufbau eines MOSFETs werfen, von dem der FeFET abgeleitet ist. MOSFETs bestehen neben drei Elektroden aus dem sogenannten Kanal (siehe Bild unten). Dieser wird mittels der darüber platzierten Gate-Elektrode zwischen leitendem und sperrendem Zustand umgeschaltet. Zwischen Gate-Elektrode und Kanal befindet sich ein Isolator, der verhindert, dass Elektronen zwischen Elektrode und Kanal fließen. Ob der Transistor leitet, entscheiden Dotierung (P- oder N-Kanal) und das elektromagnetische Feld der Gate-Elektrode.

Beim FeFET ersetzt eine ferromagnetische Schicht den Isolator. Mit ausreichend hoher Spannung und entsprechend starkem elektromagnetischem Feld kann die ferromagnetische Schicht polarisiert werden. Sie speichert dann ein elektromagnetisches Feld. Ein FeFET lässt sich so zwischen P- und N-FET umschalten.

Aus dem Labor in die Serienfertigung

In Dresden, dem Standort von Globalfoundries (GF) Fab 1, forschen das Nanoelectric Materials Laboratory (Namlab)(öffnet im neuen Fenster) der Technischen Universität und das Fraunhofer IPMS(öffnet im neuen Fenster) an praktischen Anwendungen. Gefördert durch das Important Project of Common European Interest (IPCEI) für Mikroelektronik, wurden die Ergebnisse aus jahrelanger Arbeit im Labor in die industrielle Halbleiterfertigung übertragen.

Konkret ist das aktuell GFs 28-SLPe-Prozess, aber auch 22FDX wurde bereits erprobt. Die naheliegendste Anwendung für die FeFETs sind nichtflüchtige Speicher. An denen arbeitet die Ferroelectric Memory Company (FMC)(öffnet im neuen Fenster) , eine Ausgründung der TU Dresden. Sie benötigen wie Flash-Speicher lediglich einen Transistor zum Speichern eines Bits, kommen also ohne den beispielsweise bei DRAM benötigten Kondensator aus und sind dadurch einfacher herstellbar. Bei der Haltbarkeit der gespeicherten Information und der möglichen Anzahl an Schreibzyklen haben sie Flash-Speicher mit 10.000 Zyklen längst eingeholt.

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In anderen Bereichen sind sie dem Flash sogar überlegen: Da lediglich ein elektromagnetisches Feld aufgebaut wird, also wenig Strom fließt, benötigen Speicher aus FeFETs weniger Leistung zum Ablegen von Daten. Auch die Umschaltzeiten sind deutlich geringer, laut FMC(öffnet im neuen Fenster) liegen sie im Bereich von Nanosekunden. FeFETs können zudem, da das Hafniumdioxid mit Atomlagenabscheidung aufgebracht wird, mit jeder Transistorarchitektur kombiniert und beliebig mit normalen CMOS-Transistoren gemischt werden. Wichtig sind die geringen Kosten, nach Angaben von Namlab sind für die Herstellung von FeFETs lediglich zwei zusätzliche Belichtungsmasken erforderlich(öffnet im neuen Fenster) .

Aber Hafniumdioxid kann mehr als Daten speichern: Mit FeFETs lassen sich rekonfigurierbare Schaltungen bauen. Damit sind neue FPGA-Architekturen möglich, aber auch gegen Reverse Engineering gesicherte Schaltkreise. Über eine weitere Eigenschaft des Materials kann sogar ein Teil der Abwärme des Prozessors wieder in Strom gewandelt werden.

Unauslesbare Schaltungen und Energierückgewinnung

Neben der Fähigkeit, Daten zu speichern, macht die Umschaltbarkeit von FeFETs sie auch für andere Anwendungen interessant. Eine sind rekonfigurierbare Logikschaltkreise. Durch die FeFETs können Gatter von einem negierten Oder (NOR) in ein negiertes Und (NAND)(öffnet im neuen Fenster) umgeschaltet werden. Das nutzt Namlab, um damit sichere Schaltungen zu bauen.

Laut dessen wissenschaftlichem Leiter Thomas Mikolajick lassen sich mit den rekonfigurierbaren Gattern Schaltungen bauen, deren Funktion nicht mittels Reverse Engineering entschlüsselt werden kann. Ein wichtiger Mechanismus ist dabei die optische Analyse. Ein Chip wird dafür schichtweise abgeschliffen und mikroskopisch untersucht. So lässt sich aufdecken, aus welchen Gattern er aufgebaut ist - und damit, was er tut. Mikolajick und seine Kollegen nutzen stattdessen nur einen Gattertyp. Aus dem wird die zu schützende Schaltung aufgebaut und danach ihre Funktion programmiert.

Mit dem Mikroskop ist so die Funktion der Schaltung nicht mehr erkennbar. Auch andere Analysemethoden fallen weg. Bei normalen CMOS-Schaltungen kann mit Messungen von Verzögerung und aufgenommener Leistung auf deren Funktion geschlossen werden. Möglich macht das unterschiedliches Verhalten der P- und N-Kanal-MOSFETs. Da bei FeFETs die Funktion umgeschaltet wird, verhalten sie sich in beiden Konfigurationen gleich.

Die FeFETs sind zudem unanfällig gegen Manipulation und Auslesen ihres Zustands: Nach Aussage von Mikolajick müsste ein elektromagnetischer Impuls zum Umschalten der FeFETs von außen so stark sein, dass die Schaltung zerstört würde. Andererseits sind die im Hafniumdioxid gespeicherten Felder so schwach, dass sie nicht ausgelesen werden können.

Chips kühlen und Energie gewinnen

Hafniumdioxid kann aber noch mehr als umschaltbare Transistoren. Ferroelektrische Materialien sind immer auch pyroelektrisch(öffnet im neuen Fenster) . Werden sie erwärmt oder abgekühlt, polarisieren sie sich elektrisch. Bei ferroelektrischen Materialien spielt zudem das anliegende elektromagnetische Feld eine Rolle.

Wird das Feld passend gesteuert, lässt sich im Hafniumdioxid ein sogenannter Olsen-Zyklus (PDF)(öffnet im neuen Fenster) realisieren. Mit dem kann thermische in elektrische Energie umgesetzt werden - bis zu 300 Milliwatt pro Kubikzentimeter (mW/cm³) Chip sollen sich gewinnen lassen. Anwendungsfälle sieht Maximilian Lederer vom Fraunhofer IPMS beispielsweise bei IoT-Geräten, die möglichst wenig Energie aufnehmen sollen. Die Energiegewinnung kann dabei mit beliebigen Prozessen zur Transistorfertigung kombiniert werden. Möglich ist das, da das Hafniumdioxid während der Back-End-of-Line-Fertigung(öffnet im neuen Fenster) aufgebracht wird. Sie sitzt zwischen den Leitern, die Transistoren und Außenwelt verbinden.

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Jetzt wird optimiert

Von der möglichen Energieausbeute sind die aktuellen Chips allerdings noch weit entfernt. Im Fertigungsprozess muss noch einiges optimiert werden. Bei Kleinserien im Labor ist das leicht, die geringere Flexibilität der industriellen Fertigung hingegen macht die Optimierung schwieriger. Lederer nannte als Beispiel die Leiter, mit denen das Material kontaktiert wird. Deren Widerstand sei bislang noch recht hoch, was zu Verlusten führe und die Frequenzen, mit denen das elektrische Feld angelegt wird, begrenzt. Die passende Frequenz ist allerdings wichtig für die Energiegewinnung - stimmt sie nicht, wird der Prozess ineffizient.

Auch bei den FeFETs werden noch ein paar Jahre vergehen, bis Kunden von GF sie in ihre Produkte einbauen können: Laut Sven Beyer von GF befinde man sich aktuell noch in der Forschungs- und Entwicklungsphase.


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