Halbleiterfertigung & Bildung: Hat Europa genug Köpfe für mehr Chips?
Der European Chips Act bedeutet viel Geld für die europäische Halbleiterfertigung. Aber gibt es überhaupt genug Ingenieure?

Eine Mega-Fab von Intel in Magdeburg, insgesamt 43 Milliarden Euro für die Halbleiterfertigung in Europa - klingt erst einmal toll. Aber schnell stellt sich die Frage: Wer wird da eigentlich arbeiten?
TSMC nimmt 44 Milliarden US-Dollar in die Hand, um seinen Nachwuchs zu sichern, in den USA wird diskutiert, ob Fachkräfte aus Südkorea und Taiwan für die neuen Fabs benötigt werden. Und hierzulande?
Intel und Globalfoundries sagen zwar auf Nachfrage, sie befänden sich in einem Umfeld mit hervorragendem Angebot. Zumindest Globalfoundries rekrutiert jedoch international. Beide kooperieren mit Universitäten oder haben es vor, es gibt auch einige im Umfeld der Fabs. Neue Studiengänge sollen entstehen, die Uni Magdeburg fordert bereits mehr Geld.
Reicht das?
Eine Fabrik ist schneller errichtet, als ein Studiengang aufgebaut und der erste Jahrgang ausgebildet ist. Zumal sich dafür erst einmal Menschen interessieren müssen. Und daran mangelt es meiner Meinung nach. Sonst wäre der relative Anteil von Elektrotechnik und Informatik an den Studienabschlüssen gestiegen - von 2009 bis 2019 stagnierte er jedoch (die Zahlen lassen sich hier abrufen). Es fehlen motivierende Konzepte, die bei Schülerinnen und Schülern das Feuer für abstrakte Dinge wie Halbleiter entfachen.
Trotz diverser MINT-Initiativen ertönt jedes Jahr aufs Neue das Klagelied vom Fachkräftemangel. Es wird sicher nicht leiser, wenn noch mehr hochspezialisierte Nerds gebraucht werden, die dafür sorgen, dass die neuen Fabs laufen und etwas produzieren. Das soll dann Informatikunterricht ab der siebten Klasse richten. Wer den geben soll? Unwichtig, klären wir später, soll doch erst in eineinhalb Jahren losgehen. Sechs Seiten Leitlinien sind leider noch kein Lehrkonzept.
Brennen, aber nicht verbrennen
Um Menschen für diese Fächer zu begeistern, braucht es motivierte Lehrkräfte und einen motivierenden Lehrplan. Aus der Schule bin ich zu lange raus, um den Informatikunterricht einzuschätzen. An Universitäten sieht die Situation meiner Erfahrung nach - bevor ich zu Golem.de kam, war ich sechs Jahre wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Chemnitz - aber aktuell oft so aus: Lehre ist ein notwendiges Übel, das zwischen der Arbeit am nächsten Paper, einem Bericht für das aktuelle Projekt und dem Antrag für das folgende erledigt werden muss. Die Promotion nicht zu vergessen.
Wer an der Universität bleibt, brennt für sein Thema, viele wollen auch ihr Wissen weitergeben. Für gute Lehre fehlen aber oft Erfahrung und Zeit. Und beides braucht es, um Menschen für den oft steinigen Weg zu begeistern. Mit dem passenden Ziel oder Vorbild sind Menschen aber bereit, den zu gehen - mit der richtigen Motivation lernen einige sogar, Skateboard zu fahren.
Aber diese Ziele und Vorbilder fehlen. Die MINT-Initiativen schwärmen stets vom überdurchschnittlichen Einkommen. Geld motiviert bei geringem sozioökonomischem Status stark, daher studieren in Schwellenländern wie Indien relativ mehr Menschen MINT-Fächer. Vor allem ist hier die Frauenquote deutlich höher. In Europa ist Geld keine primäre Motivation (PDF).
Selber machen fetzt!
Denke ich hingegen an den Moment, in dem mein selbst programmierter Emulator zum ersten Mal das Nintendo-Logo zeigte, bekomme ich noch immer eine Gänsehaut. Und genau damit müssten Kinder und Jugendliche abgeholt werden - mit der Möglichkeit, etwas eigenes zu erreichen. Man müsste bei den Interessen ansetzen und sagen: Hey, das kannst du auch! Dafür sind allerdings Lehrkräfte nötig, die Zeit und Interesse haben, auf Ideen einzugehen und sie zu entwickeln.
Geld sehe ich nicht als das primäre Problem, es muss meiner Meinung nach anders ausgegeben werden - und zudem nicht immer an bürokratische Prozesse gekoppelt. Beispielsweise hat Deutschland eine Studienförderung, für welche TSMC sein Geld ausgibt. Die Bildungspolitik sollte sich jedoch eingestehen, dass nicht jede Professorin, jeder Professor und ihre Mitarbeitenden Spitzenforschung betreiben und global vernetzt sein müssen.
Einige machen "nur" gute Lehre, und auch dafür braucht es Personal. Die Konzentration auf Kennzahlen wie Drittmitteleinwerbung, Veröffentlichungen oder Abschlüsse erinnert manchmal an die sowjetische Planwirtschaft. Und die führte am Ende dazu, dass Zahlen gefälscht wurden, so dass trotz grauer Realität alles rosig aussah.
IMHO ist der Kommentar von Golem.de. IMHO = In My Humble Opinion (Meiner bescheidenen Meinung nach)
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Man braucht da schon Spezialisten um eine Produktion zu betreiben. Allein im Reinraum...
Ironischerweise studieren das überwiegend Frauen. Also jene Gruppe, die in MINT...
Dass einige Schulgebäude renovierungsbedürftig sind, höre ich gelegentlich, aber Systeme...
Exakt! Jetzt wäre nur noch die absolut spannende Frage zu klären, was einen zum...