Hacking: Wahlbetrug leicht gemacht

1989 beschloss die Bundesregierung, die Briefwahl nicht nur zu vereinfachen, sondern auch hier und dort dabei einzusparen. Das hat der Alternative zum Besuch im Wahllokal zwar tatsächlich einige Hürden genommen, aber die Möglichkeit zur Wahlfälschung deutlich erhöht. Das hat der Sicherheitsexperte Armin Rupp auf der Sicherheitskonferenz Sigint 2013 in Köln ausführlich gezeigt. Auch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) bemängelt inzwischen die Briefwahl in Deutschland.
Wer Wahlbetrug begehen will, muss sich zunächst die entsprechenden Vorlagen beschaffen. Eigentlich ganz einfach: Man nehme den eigenen Wahlschein und vervielfache ihn. Dazu ist laut Rupp ein handelsüblicher Scanner bestens geeignet. Damit lasse sich der Wahlschein einscannen, in Gimp nachbearbeiten, in der Serienbrieffunktion in Libreoffice ausfüllen und später ausdrucken. Denn Wahlscheine haben seit 1989 keinen Siegel mehr, sondern nur einen aufgedruckten Stempel.
Erfundene Personen gehen zur Wahl
Fehlen noch die Angaben zu den fiktiven Personen, die an dem Wahlbetrug teilnehmen sollen. Dafür reichen zufällig gewählte Vor- und Zunamen, die allerdings nicht allzu fantasievoll sein sollten. Anschriften sollten aus einer zufälligen Auswahl von Gebäuden mit vielen Mietparteien bestehen. Etwas komplizierter wird es bei den zufällig gewählten Wahlschein- und Wählerverzeichnisnummern. Die müssen in jedem Fall größer als 100 aber kleiner als mindestens 75 Prozent der Gesamtanzahl der Wähler bei der letzten Wahl sein. Und Schnapszahlen sollten in jedem Fall vermieden werden. Bei der Auswahl der Geburtstage und vor allem des Ausstellungsdatums sollten Sonn- und Feiertage oder etwa der 30. Februar vermieden werden. Unterschriften gibt es zuhauf bei der Google-Bildersuche - natürlich unter dem Stichwort "Unterschrift".
Die Beschaffung des Papiers schien zunächst eine große Hürde, bis Rupp einfach im Internet danach suchte. Die Druckerei schnitt das Papier auf Wunsch auch gleich richtig zu. Und einige im Handel erhältliche Drucker sind in der Länge nicht auf A4 beschränkt.
Einfach bestellen bei der Druckerei
Da müssten doch die Umschläge deutlich schwieriger zu fälschen sein, denn auch diese haben eine bestimmte Farbe und einen bestimmten Schnitt, dachte Rupp. Weit gefehlt: Auf den Umschlägen befindet sich eine Seriennummer, unter der sie bei der entsprechenden Druckerei einfach bestellt werden können.
Auffallen tut das bei der Wahl dann auch nicht unbedingt, wenn die gefälschten Wahlzettel ausgepackt werden, sagt Rupp. Um 15 Uhr am Wahltag erhalten die Auszähler eine Urne mit den eingegangenen Briefwahlumschlägen. Die Wahlscheine werden dann aus den roten Umschlägen entnommen und kurz gesichtet. Anschließend werden die Wahlscheinnummern mit einer Liste der für ungültig erklärten abgeglichen und dann wieder in blaue Umschläge gesteckt, die dann in den Wahllokalen gezählt werden. Sollte dem Briefwahlvorstand Unregelmäßigkeiten auffallen, muss er den Wahlleiter anrufen. Das Wahlverzeichnis liegt ihm nicht vor.
Das Risiko muss wieder größer werden
Rupps Fazit: Das Risiko, eine Fälschung zu erkennen, ist sehr gering. Auch das Ermitteln des Täters schätzt Rupp als fast unmöglich ein, wenn er sich geschickt anstellt. Und die Kosten sind ebenfalls ziemlich niedrig: Sie liegen bei etwa 51 Euro-Cent - inklusive Tonerkosten.
Wahlfälschung in Deutschland ist allerdings strafbar. Das mussten auch zwei Mitglieder der CSU erfahren, die bei den Kommunal- und Oberbürgermeisterwahlen im bayerischen Dachau 2002 in großem Stil manipulierte Stimmzettel auszählen ließen - zugunsten ihrer Partei. Beide wurden zu Bewährungsstrafen und Geldbußen verurteilt und mussten auch für die Kosten der Nachwahl aufkommen - insgesamt etwa 116.000 Euro. Bei kleineren Manipulationen wird eine Wahl jedoch nicht immer wiederholt. Das ist nur einer von zahlreichen bekannt gewordenen Fällen, die zwar nie Wahlentscheidend waren, aber dennoch häufiger vorkommen als bekannt. Die Dunkelziffer liegt laut Ruff höher.
Seit 1989 noch unsicherer
Bis die Bundesregierung die Briefwahl vereinfachte, sei sie noch recht sicher gewesen, resümiert Rupp. Bis 1989 gab es Siegelmarken für die Umschläge und die Dienstsiegel auf den Wahlzetteln wurden eingeprägt und nicht nur gedruckt. Außerdem wurden bis dahin noch die Wahlscheinnummern gegen das Wahlscheinverzeichnis geprüft und sie wurde auch auf dem Umschlag vermerkt. Jeder Wahlschein musste bis 2002 noch von einem Mitarbeiter der Gemeinde unterschrieben werden. Seit 2008 muss ein Wähler keinen glaubhaften Grund mehr liefern, dass er am Wahltag nicht ins Wahllokal kann. Und bis 2008 musste der Wähler neben seiner Unterschrift auch eine handschriftliche Ortsangabe einreichen.
Noch bevor die Bundesregierung die Briefwahl 1989 reformierte, zeigte allerdings 1980 die obskure Gruppe(öffnet im neuen Fenster) "Kämpfer für Recht und Ordnung", wie leicht es ist, die Briefwahl zu manipulieren: Sie fischte fünf abgegebene Wahlzettel aus den Gemeindebriefkästen. War die abgegebene Stimme für sie nicht in Ordnung, gingen die Wahlzettel an den Absender zurück, mit dem Vermerk: "Auf ihre Stimme können wir verzichten."
Negative Bewertung durch die OSZE
"Obwohl die rechtlichen und administrativen Verfahren für die Briefwahl mit dem Ziel entwickelt worden zu sein scheinen, der Freiheit und Beteiligung der Wählerinnen und Wähler Vorrang zu geben, sollte überlegt werden, die bestehenden Sicherungsmechanismen gegen den potenziellen Missbrauch des Briefwahlsystems auf ihre Eignung zu überprüfen," befand ein Bericht der OSZE/ODIHR-Wahlbewertungskommission zur Bundestagswahl 2009(öffnet im neuen Fenster) .
Rupp hat auch einige Vorschläge, wie Briefwahlfälschung teurer und riskanter werden könnte, etwa durch die Wiedereinführung der Sicherheitsmerkmale von 1989 oder moderne Sicherheitsmerkmale, etwa Hologramme. Außerdem sollten Wahlscheinnummern mit Wahlscheinverzeichnis wieder abgeglichen und detaillierte Wahlstatistiken veröffentlicht werden.
80 Tage vor der nächsten Bundestagswahl läuft gegenwärtig eine Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht, die Rupp und andere eingebracht haben(öffnet im neuen Fenster) .



