Großes E-Methanol-Projekt gestoppt: Herber Rückschlag für die klimafreundliche Schifffahrt

Etwa 90 Prozent des Welthandels werden auf dem Seeweg abgewickelt. Bis 2050 müssen Schiffe klimaneutral sein. Die Frage ist, wie das gelingen kann. Eine Möglichkeit ist grünes Methanol .
Methanol ist eine Kohlenstoffverbindung, die vor allem als Grundstoff für die chemische Industrie eingesetzt wird. Wird es, wie der US-Chemiker Georg Olah vor knapp 20 Jahren vorschlug, synthetisch hergestellt, könnte Methanol ein kohlendioxidneutraler Treibstoff sein. Die Schifffahrtsbranche setzt große Hoffnungen darauf. Doch kürzlich wurde das größte E-Methanol-Projekt in Europa eingestellt.
Flagship One(öffnet im neuen Fenster) in Örnsköldsvik im Nordosten Schwedens sollte ab 2025 im industriellen Maßstab grünes Methanol produzieren, unter anderem als Treibstoff für Schiffe. Gegründet wurde Flagship One von dem schwedischen Unternehmen Liquid Wind(öffnet im neuen Fenster) .
Ørsted übernahm Flagship One
Anfang 2022 stieg der dänische Energiekonzern Ørsted ein und übernahm das Projekt(öffnet im neuen Fenster) Ende 2022. Doch im Sommer 2024 - die Anlage war fast fertig - verkündete Ørsted das Ende(öffnet im neuen Fenster) .
Für die Bemühungen, Schiffe auf umweltfreundliche Treibstoffe umzustellen, dürfte das ein Rückschlag sein. Der Schiffsverkehr macht rund 2,6 Prozent der Kohlendioxidemissionen aus. Hinzu kommen weitere Schadstoffe, die Schiffe ausstoßen, darunter Schwefeloxide, Stickoxide, Rußpartikel und Feinstaub. In zweieinhalb Jahrzehnten müssen die Schiffe sauber sein.
Es gibt eine ganze Reihe von Konzepten (g+) , wie durch den Einsatz alternativer Treibstoffe weniger Emissionen zu erreichen wären. Schon heute fahren diverse Schiffe mit Flüssiggas (Liquid Natural Gas, LNG), das weniger Schadstoffemissionen verursacht als Diesel.
Erforscht werden auch Möglichkeiten, wieder den Wind als Antrieb zu nutzen . Die Hamburger Reederei Hapag-Lloyd etwa will Containerfrachter mit Segeln bauen . Selbst Atomschiffe sind erneut in der Diskussion.
Kraftstoffe werden synthetisch erzeugt
Realistischer sind da synthetische Kraftstoffe oder E-Fuels , also Kraftstoffe, die unter Verwendung von Strom aus erneuerbaren Quellen hergestellt werden. Dazu gehört neben E-Methanol grün erzeugtes Ammoniak , das verbrannt werden oder eine Schiffsbrennstoffzelle antreiben (g+) kann.
Ammoniak ist zwar wie Methanol eine weit verbreitete Chemikalie, der Umgang damit ist bekannt. Sie hat den Vorteil, dass sie keinen Kohlenstoff enthält, der bei der Verbrennung freigesetzt werden kann. Allerdings ist Ammoniak giftig.
Methanol ist ein Alkohol und die einfachste flüssige Kohlenstoffverbindung. Sie wird als Grundstoff für die chemische Industrie eingesetzt, aber auch als Beimischung zu fossilen Treibstoffen genutzt. Methanol ist bei normalen Bedingungen flüssig, was Transport und Speicherung vereinfacht.
Bei der Verbrennung von Methanol entstehen nur geringe Schwefel- und Stickoxidemissionen, es werden nur wenige Rußpartikel freigesetzt. Das bedeutet, eine Abgasnachbehandlung entfällt.
Methanol ist attraktiv für die Schifffahrtsbranche
Und: Bei der Verbrennung wird weniger Kohlendioxid freigesetzt als durch fossile Brennstoffe. Das ist für die Branche, die sich dekarbonisieren will, attraktiv. Schiffsmotorenhersteller wie die Rolls-Royce-Tochter Motoren- und Turbinen-Union (MTU) Friedrichshafen arbeiten schon seit einiger Zeit an Maschinen, die mit Methanol betrieben werden können.
Das können sogenannte Dual-Fuel-Motoren sein, die im Dieselbrennverfahren mit zwei Brennstoffen betrieben werden oder als Otto-Motor mit nur einem Brennstoff. Ende 2025, so kündigte MTU 2023 an(öffnet im neuen Fenster) , solle das Konzept fertig sein.
Ein Pionier auf dem Gebiet ist die schwedische Reederei Stena Line: Sie ließ 2015 die Fähre Stena Germanica so umrüsten, dass sie - zumindest zum Teil - mit Methanol betrieben werden kann. Maersk, die weltweit zweitgrößte Containerreederei, setzt ebenfalls auf den alkoholischen Treibstoff: Mit der Ane Maersk stellte die dänische Reederei dieses Jahr den ersten großen Methanol-betriebenen Containerfrachter in Dienst . Inzwischen sind es sechs(öffnet im neuen Fenster) .
Noch fährt die Ane Maersk mit Bio-Methanol, also Methanol, das aus Biomasse gewonnen wird. Bei dessen Verbrennung wird nur das Kohlendioxid freigesetzt, das vorher von den Pflanzen aus der Atmosphäre aufgenommen wurde.
Kohlendioxidneutral ist Bio-Methanol deshalb nicht: Beim Anbau verbrennen die großen Landmaschinen Diesel. Zudem sollten auf landwirtschaftlichen Nutzflächen statt Energiepflanzen besser Nahrungsmittel angebaut werden. Aber das ist immer noch besser als Methanol, das wie bislang üblich aus Erdgas oder Kohle hergestellt wird. Maersk kündigte bereits an, dass die Ane Maersk künftig mit E-Methanol fahren solle.
Doch warum dann die Einstellung von Flagship One?
Ørsted wurde sein grünes Methanol offenbar nicht los
E-Methanol hat die geringsten Auswirkungen auf das Klima - weshalb die Entscheidung von Ørsted einen Rückschlag darstellt. Doch auch wenn die Branche sich für den Treibstoff ausspricht, Hersteller die nötigen Motoren entwickeln und Reedereien Schiffe in Dienst stellen: Ørsted begründete das Ende von Flagship One damit, dass man das grüne Methanol nicht ausreichend losgeworden sei.
Die Dänen hatten zwar Unterstützung aus der Politik und bekamen Subventionen. Doch eines bekamen sie nicht: langfristige Aufträge über die Lieferung des E-Methanols. Denn der Kraftstoff ist teurer als Diesel, und das wird wahrscheinlich noch eine Weile so bleiben. Deshalb wollten sich die Abnehmer ungern auf langfristige Verträge einlassen.
In der hart umkämpften Branche sind Betriebskosten ein wichtiger Faktor. So fahren die großen Containerfrachter heute zwei bis drei Knoten langsamer als vor zwei Jahrzehnten. Das nutzt zwar der Umwelt - drei Knoten weniger bedeuten rund 20 Prozent weniger Emissionen. Der Grund dürfte aber weniger das Umweltbewusstsein der Reedereien sein, sondern die gestiegenen Treibstoffkosten.
Die Politik muss Vorgaben machen
Ein Grund umzustellen, könnte aus der Politik kommen - mit strengeren Vorgaben zur Reduktion von Kohlendioxidemissionen. Die gibt es zwar, etwa von der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (International Maritime Organization, IMO) der Vereinten Nationen oder von der Europäischen Union (EU).
Letztere beschloss im Juli 2023 die Verordnung Fuel EU Maritime(öffnet im neuen Fenster) , die eine Quote für sogenannte RFNBO (Liquid and Gaseous Renewable Fuels of Non-Biological Origin; deutsch: flüssige und gasförmige erneuerbare Kraftstoffe nicht-biogenen Ursprungs) festlegt. Demnach müssen Schiffe ab 2034 zwei Prozent dieser Kraftstoffe nutzen.
Ein Jahr zuvor hatten sieben EU-Staaten, darunter Deutschland, einen Anteil von 2,8 Prozent 2030 gefordert(öffnet im neuen Fenster) . Das Europäische Parlament wollte immerhin eine Quote von zwei Prozent bis 2030 einführen(öffnet im neuen Fenster) .
Ørsted hatte wohl damit gerechnet, dass die Einführung einer Quote bis 2030 den Dekarbonisierungsdruck in der Branche und damit auch die Nachfrage erhöhen würde. Hinzu kommt, dass längst nicht alle Akteure davon überzeugt sind, dass E-Methanol die Zukunft der sauberen Schifffahrt sein werde. Wie erwähnt, erwägen einige asiatische Reedereien, Schiffe mit Flüssigsalzreaktoren zu bauen, die Strom für die Schiffsmaschine liefern.
DFDS-Chef Torben Carlsen sagte in einem Interview mit dem Finanzdienstleistungskonzern S&P Global, dass die dänische Reederei zwar nur noch grüne Schiffe bauen wolle. Nur welche? Es sei nicht klar, ob das erste nun mit Ammoniak, Methanol oder doch mit Akkus ausgestattet werde.
Maersk ordert LNG-Schiffe
Maersk erklärte im August(öffnet im neuen Fenster) , dass grünes Methanol "wahrscheinlich der wettbewerbsfähigste und skalierbarste Weg zur Dekarbonisierung sein wird" , teilte aber gleichzeitig mit, 50 bis 60 neue LNG-Schiffe in Auftrag zu geben.
Ist das Ende von Flagship One auch das Ende von E-Methanol als Schiffstreibstoff? Wohl kaum - dafür investierte die Branche zu viel in den neuen Treibstoff. Die Akteure dürften sich jetzt jedoch fragen, wo dieser herkommen soll.
Maersk sorgte auch hier vor: Die Dänen investierten in das Berliner Start-up C1 Green Chemicals(öffnet im neuen Fenster) , das an einem besonders effizienten Verfahren zur Herstellung von grünem Methanol arbeitet.



