Größere Anschaffungen unmöglich: Darum ist die Amazon-Visa-Karte für viele eine Zumutung

Die allgemeinen Konditionen der neuen Amazon-Visa-Karte sind eindeutig deutlich schlechter als beim Vorgängermodell. Was Kunden vorher aber kaum erahnen können und üblicherweise erst bei der Nutzung bemerken: Sie ist als reguläre Kreditkarte für viele überhaupt nicht nutzbar.
Nach Recherchen von Golem.de wird häufig systematisch und ohne Angabe von Gründen eine Erhöhung des Standardlimits verwehrt. Damit sind größere Anschaffungen mit der Kreditkarte ausgeschlossen.
Als wäre das nicht schon ärgerlich genug: Das viel zu geringe Standardlimit wird in der Praxis auch noch beschnitten, indem die monatliche Abrechnung der Amazon-Visa-Karte extrem lange dauert.
Openbank lehnt reihenweise Erhöhung des Kreditkartenlimits ab
Die Amazon-Visa-Karte(öffnet im neuen Fenster) wird sowohl von Amazon als auch von Openbank damit beworben, dass sich das Kreditkartenlimit "jederzeit" erhöhen lasse, natürlich, sofern die Bonität ausreichend ist. Unsere Recherchen zeigen aber, dass dieses Versprechen für viele Kunden nicht gilt.
Openbank gewährt allen Nutzern ein Kreditkartenlimit von 2.000 Euro im Monat. Wir haben mehrere Wochen lang die Kundenrezensionen unter der Amazon-Visa-Karte beobachtet und finden dort viele Beschwerden darüber, dass die Bank Anfragen zur Erhöhung des Kreditkartenlimits abgelehnt habe.
Nach Aussagen betroffener Kunden haben diese eine vorzügliche Bonität und erhalten trotzdem kein höheres Kreditkartenlimit. Viele berichten, dass sie beim Vorgängerprodukt ohne Probleme ein Kreditkartenlimit von 4.000 Euro bis hin zu 10.000 Euro eingeräumt bekommen hätten und nun keine Erhöhung erhielten. Sie entladen ihren Frust unter anderem in negativen Bewertungen.
19.000 Euro Monatseinkommen, Kreditkartenlimit bei 2.000 Euro
Selbst bei einem Monatseinkommen von 19.000 Euro gewähre Openbank kein höheres Limit als 2.000 Euro pro Monat. Einige geben an, bei anderen Kreditkartenunternehmen ein deutlich höheres Limit eingeräumt bekommen zu haben. Sie können dementsprechend nicht nachvollziehen, warum das bei der Amazon-Visa-Karte nicht möglich ist.
Schon auf dem Weg dahin wird es Kunden aber unnötig schwer gemacht.
Kunden werden schlecht informiert
Viele Betroffene beklagen sich darüber, dass sich das Limit nur über das Internet erhöhen lasse und bei einer Ablehnung kein Grund dafür genannt werde. Die Beantragung wird dabei technisch auch noch mutwillig erschwert, wenn Kunden nicht wollen, dass Openbank den vollen Zugriff auf das eigene Girokonto erhält.
Dann verlangt Openbank bei der Beantragung eines höheren Kreditkartenlimits die letzten drei Gehaltsabrechnungen; diese lassen sich unkompliziert hochladen. Für jeden Monat gibt es ein Feld, um den Gehaltsnachweis zu übertragen.
Zudem wird Einblick auf den Stand des Girokontos der vergangenen Monate verlangt. Im Unterschied zu den Gehaltsnachweisen gibt es hier nur ein einziges Feld und wenn dort mehrere PDF-Dateien per Drag-and-Drop abgelegt werden, scheint zunächst alles zu funktionieren. Dann gibt es aber einen Hinweis, dass Dokumente fehlen würden.
So werden Kunden ausgebremst
Der Grund dafür bleibt rätselhaft und erst der Kundendienst-Chat kann aufklären: Das Feld zum Hochladen der Kontoauszüge erlaubt nur eine einzelne Datei und diese darf auch nicht als Archiv vorliegen. Auf der Webseite erfahren Kunden davon nichts. Sie müssen sich selbst darum kümmern, mehrere Kontoauszüge in eine Datei zu transferieren. Kundenunfreundlicher lässt sich so ein Vorgang kaum gestalten.
Wer diese Hürde genommen hat, kommt aber immer noch nicht weiter: Etliche Betroffene beklagen, dass ein Antrag zur Erhöhung des Kreditkartenlimits ohne Angabe von Gründen abgelehnt werde. Das kann Golem.de aus eigener Erfahrung bestätigen, selbst auf ausdrückliche Nachfrage nach weiteren Informationen gibt es keine weiteren Begründungen.
Golem.de fragte bei Openbank an, wie es kommt, dass so ungewöhnlich viele Anträge auf Erhöhung des Kreditkartenlimits abgelehnt werden. Zudem wollten wir wissen, wie hoch der Anteil an Ablehnungen ist und wie hoch der Anteil der Kunden ist, denen ein höheres Kreditkartenlimit eingeräumt wurde.
Nach mehrfachen Nachfragen gab das Unternehmen eine allgemeine Stellungnahme ab, ohne auf die Fragen einzugehen. "Im Rahmen unserer Risikopolitik und unseres Engagements für verantwortungsvolle Bankgeschäfte sind die Kreditlimits personalisiert und auf die individuellen Merkmale jedes unserer Kunden zugeschnitten."
"Diese Bewertung und Risikoanalyse berücksichtigt eine Vielzahl von Variablen in Übereinstimmung mit den geltenden Vorschriften" , heißt es von Openbank weiter. Weitere Details nennt das Unternehmen nicht.
So werden die 2.000 Euro durch Openbank weiter reduziert
Nach unseren Erfahrungen gibt es ein weiteres Ärgernis: Der normale Verfügungsrahmen von maximal 2.000 Euro pro Monat steht eher theoretisch zur Verfügung. Denn das Limit wird im Alltag durch eine kundenunfreundliche Art der Abrechnung im Grunde niemals erreicht.
Zunächst lässt sich Openbank zwei bis drei Tage Zeit, die Kreditkartenabrechnung zu erstellen. Der Stichtag liegt mehrere Tage vor der Mitteilung der Kreditkartenabrechnung, die immer am 25. eines Monats erfolgt. Allerdings wird die fällige Summer frühestens am Ersten eines Monats abgebucht.
Wenn ein Wochenende dazwischen liegt, kann es aber auch der Dritte eines Monats werden. Alle Umsätze in den paar Tagen vor dem 25. eines Monats und alle folgenden Umsätze zählen dann bereits zum nächsten Monat. Das ist dann oft mehr als eine Woche, in der nur das Kreditkartenlimit des aktuellen Monats verwendet wird, aber alle Ausgaben bereits zum nächsten Monat zählen.
Das reduziert nicht nur den effektiven Verfügungsrahmen, sondern bringt ein weiteres Problem.
Das erschwert die Prüfungen der Abrechnung
Für Kunden der Karte wird es dadurch massiv erschwert, die Korrektheit der Abrechnung zu überprüfen. Auch das wird von Nutzern kritisiert, die zum Teil verlangen, dass die Abbuchung der Summe spätestens zwei Tage nach der Abrechnung erfolgen sollte. In Zeiten von Echtzeitüberweisungen wirken diese langen Bearbeitungszeiten von rund einer Woche mehr als unzeitgemäß.
Das führt dazu, dass bei regelmäßiger intensiver Nutzung der Kreditkarte der Verfügungsrahmen von 2.000 Euro am Monatsanfang eigentlich nie zur Verfügung steht. Wer tatsächlich mal die vollen 2.000 Euro zur Verfügung haben möchte, dürfte die Karte immer nur maximal drei Wochen pro Monat verwenden und in der letzten Woche des Monats nichts damit kaufen.
Beim Vorgängerprodukt der aktuellen Amazon-Visa-Karte war es möglich, beliebig oft Guthaben auf das Kartenkonto einzuzahlen, das durften auch mehrere Tausend Euro sein. Eine Einzahlung ist auch bei der neuen Karte möglich, allerdings stark begrenzt: Pro Jahr lassen sich maximal 5.000 Euro auf das Kreditkartenkonto einzahlen.
Openbank begrenzt die Menge der Amazon-Punkte
In Anbetracht der Probleme bei der Kreditkartenabrechnung bedeutet das in der Praxis, dass sich das Kreditkartenlimit maximal einmal pro Jahr für einen einzigen Monat auf etwas mehr als 6.000 Euro erhöhen lässt. Die rechnerisch möglichen 7.000 Euro sind in der Praxis kaum erreichbar.
Dabei dauert es über eine Woche, bis eine solche Einzahlung auf dem Kartenkonto verbucht ist. Die Bank nennt dafür eigentlich nur vier Tage, in unseren Fällen hat es am Ende acht Tage gedauert. Das Geld war zwar bereits nach einem Tag auf dem Visa-Konto angekommen, die Bank hat die Summe jedeoch dann erst sieben Tage nach dem Geldeingang tatsächlich verbucht, so dass die Summe mit der Visa-Karte tatsächlich nutzbar gewesen ist. Wer also doch einmal mit der Amazon-Visa-Karte größere Anschaffungen machen will, muss diese lange im Voraus planen.
Das Ziel ist klar: Mit der Begrenzung eines Kreditkartenlimits für viele wird erreicht, dass Nutzer nicht zu viele Amazon-Bonuspunkte sammeln können: Aufgrund der langen Abrechnungsdauer dürfte effektiv pro Jahr nur ein Umsatz zwischen 18.000 Euro und 20.000 Euro mit der Karte möglich sein, der sich maximal um 5.000 Euro aufstocken lässt.
Fazit
Indem nachweislich sehr vielen Amazon-Visa-Kartenkunden ein höheres Kreditkartenlimit verwehrt wird, ist der Nutzwert der Karte wohl für die meisten Kunden entsprechend stark eingeschränkt. Wer damit Dinge kaufen will, die mehr als etwa 6.000 Euro kosten, kann sie gar nicht nutzen. Wer die Einkäufe des täglichen Bedarfs damit erledigt, erreicht die 2.000 Euro oftmals mühelos innerhalb eines Monats.
Nachtrag vom 23. Mai 2025
Openbank nahm Änderungen an Amazons Visa-Karte vor und hob einige der im Artikel beschriebenen Beschränkungen auf. Alle Details zu den neuen Konditionen der Amazon-Visa-Karte sind in einem gesonderten Artikel beschrieben.



