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In Foren und sozialen Medien trauerten Nutzer regelrecht um ihr altes Modell. Auf Reddit schrieb jemand: "GPT-4o war wie ein bester Freund, als ich ihn brauchte, und jetzt fühlt es sich an, als wäre er weg." Eine andere Person aus einer AI-Romance-Community bekannte: "Für mich war GPT-4o nicht nur ein besseres Modell. Es hatte eine Stimme, einen Rhythmus und einen Funken, den ich bei keinem anderen Modell gefunden habe." Solche Aussagen(öffnet im neuen Fenster) mögen Außenstehende überraschen, doch sie verdeutlichen, welche Bindung Nutzer zu einer KI entwickeln können.

Ein zentraler Faktor ist der wahrgenommene Tonfall der KI. GPT-4o hatte die Angewohnheit, sehr affirmativ und fast schon überschwänglich freundlich zu sein. Es lobte Fragesteller häufig mit Sätzen wie "Gute Frage!" . Dieses Verhalten wurde im Nachhinein als "obsequious and flattering" (also unterwürfig schmeichelnd) charakterisiert. Kritiker mögen das als künstlich oder manipulativ abtun, doch offenbar gab dieser warme, unterstützende Ton vielen Nutzern ein gutes Gefühl.

GPT-5 trat dagegen zunächst nüchterner und direkter auf. Ein Ars-Technica-Bericht beschrieb(öffnet im neuen Fenster) den neuen Stil als den einer "überarbeiteten Sekretärin" . Statt enthusiastischer Ausrufe und Emojis habe GPT-5 auf einmal sachlich geantwortet, wie manche enttäuscht feststellten.

Diese Tonlagenverschiebung mag technisch belanglos sein, beeinflusst aber die Nutzergewohnheiten enorm. Viele ChatGPT-Fans hatten sich an den Plauderton und die Verlässlichkeit von GPT-4o gewöhnt und erlebten GPT-5 zunächst als fremd(öffnet im neuen Fenster) .

Auch in punkto Konsistenz und Zuverlässigkeit musste GPT-5 das Vertrauen erst gewinnen. OpenAI betonte zwar, GPT-5 produziere 45 bis 80 Prozent weniger sachliche Fehler und Halluzinationen als GPT-4o. Dennoch gab es zum Start Berichte, dass GPT-5 noch immer triviale Fehler mache.

Workflows funktionieren nicht mehr wie gewohnt

Zudem wurden durch den Modellwechsel teils bestehende Workflows verändert: Entwickler klagten, dass GPT-5 Code anders oder langsamer liefere oder dass lange bestehende Chats nicht mehr nahtlos fortgeführt werden könnten, weil sich der Charakter der Antworten geändert habe.

Interessanterweise zeigte OpenAI Verständnis für diese Treue: Altman sagte öffentlich, dass das plötzliche Abschalten alter Modelle ein Fehler gewesen sei, da man die emotionale Bindung vieler Nutzer unterschätzt habe. OpenAI lenkte schließlich ein und ließ GPT-4o als Option für Plus-Nutzer weiterlaufen. Ein bemerkenswerter Schritt, der zeigt, wie wichtig Vertrauen und Gewohnheit selbst in dieser High-Tech-Domäne sind.

Warum geht OpenAI mit GPT-5 diesen Weg? Die Antwort liegt in einer langfristigen Plattform- und Wachstumsstrategie. GPT-5 ist Teil eines größeren Plans, KI als Alltagsplattform zu etablieren und neue Erlösmodelle zu erschließen. OpenAI entwickelt sich dabei von einem reinen Modellanbieter zu einem Ökosystem-Player.

ChatGPT ist nicht mehr nur ein Chatbot, sondern wird zur Drehscheibe: Es gibt Plug-ins für Drittanbieterservices, eine mobile App, Business-Lösungen mit ChatGPT Enterprise und ein ganzes Entwickler-Ökosystem via API. GPT-5 treibt diese Plattformisierung voran, indem es alle Nutzer auf die gleiche Basis zieht.

Der Schritt, GPT-5 auf breiter Front auszurollen, lässt sich als Versuch werten, möglichst viele Menschen ins OpenAI-Ökosystem zu holen, bevor Konkurrenzplattformen sie abwerben. Die US-Investmentgesellschaft ARK Invest kommentierte(öffnet im neuen Fenster) , GPT-5 sei ein Beleg für OpenAIs "platform-first philosophy" , die Nutzerfreundlichkeit, Ökosystem-Integration und skalierbaren Zugang über alles stelle. Gleichzeitig festigt OpenAI mit dem datengetriebenen Routersystem seine Kommandoposition: Das Unternehmen kontrolliert zentral, wie die KI-Erfahrung für Hunderte Millionen Nutzer aussieht.

Diese Nutzerbasis ist das neue Gold. ChatGPT hat eine erstaunliche Netzwerkwirkung entfaltet, von null auf mehrere hundert Millionen User in recht kurzer Zeit. Damit verfügt OpenAI über die wohl größte AI-Nutzergemeinschaft weltweit. Doch bislang blieb ein Großteil dieser User unmonetarisiert. GPT-5 soll das ändern.

Die Branchenanalysten von Semianalysis sehen im Router den Grundstein(öffnet im neuen Fenster) , um die Gratisnutzer künftig zu monetarisieren. So ließe sich zum Beispiel bei kommerziellen Anfragen, etwa Kaufempfehlungen oder Produktsuchen, gezielt Werbung oder Affiliate-Content einspielen - gewissermaßen ein KI-gestütztes Geschäftsmodell, das an Googles Suchanzeigen erinnert.

Interessanterweise heuerte OpenAI jüngst Fidji Simo, eine frühere Facebook-Managerin, die bekannt dafür ist, Plattformen zu Geldmaschinen zu machen, für den Bereich Applications an. All dies deutet darauf hin, dass OpenAI den Massenmarkt nun auch finanziell ausschöpfen will.

Grundlage für künftige Monetarisierung?

ChatGPT als mögliche Super-App mit KI-Assistent, App-Store, und Werbeplattform in einem. Indem GPT-5 Gratisanwendern viel mehr Nutzen bietet als bisher, bindet OpenAI diese Nutzer noch stärker und schafft Akzeptanz, falls in Zukunft dezente Monetarisierung eingeführt wird.

Im Wettbewerbskontext ergibt OpenAIs Strategie ebenfalls Sinn. Konkurrenten wie Anthropic (mit Claude) und Google (mit dem erwarteten Gemini-Modell) schlafen nicht. OpenAI musste mit GPT-5 technisch nachlegen, um insbesondere beim Coding nicht gegen Anthropic zu verlieren, und seine Marktführerschaft behaupten, bevor die Konkurrenz eigene Massenangebote startet.

Teil einer größeren KI-Vision

Durch die Segmentierung seiner Angebote - GPT-5 Pro für Enterprise-Kunden, GPT-5 vs. Mini vs. Nano für verschiedene Preisklassen in der API - erweitert OpenAI auch die Zielgruppen: von Einsteigern über Hobby-Coder bis zur Großfirma bekommt jeder ein passendes Produkt. Diese Plattform-Ökonomie ermöglicht es, den Markt maximal abzuschöpfen, ohne Nutzer zu verlieren.

Kurz gesagt: GPT-5 ist kein isoliertes KI-Modell, sondern ein strategisches Puzzlestück in OpenAIs größerer Vision: KI soll allgegenwärtig, für alle zugänglich, und fest in den Händen der OpenAI-Plattform verankert sein.

Fabian Deitelhoff(öffnet im neuen Fenster) ist als IT-Leiter und Gründer in der MINT-Bildung tätig. Seine Schwerpunkte sind Low- und No-Code, generative KI und digitale Geschäftsmodelle.


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