Glasfaser: Berliner Senat blamiert sich mit Gigabitstrategie

Der Berliner Senat ist nach Jahren aus dem Dämmerzustand hochgeschreckt und hat nun eine Gigabitstrategie. Warum haben sie nicht einfach geschwiegen?

Ein IMHO von veröffentlicht am
Breitbandausbau der Telekom
Breitbandausbau der Telekom (Bild: Deutsche Telekom)

Bisher hat der rot-rot-grüne Berliner Senat beim Breitbandausbau vor allem seine komplette Unfähigkeit bewiesen. Nun will man am kommenden Dienstag eine Gigabitstrategie beschließen, in der festgeschrieben wird, was ohnehin schon passiert. Das zeigt das Totalversagen dieses Senats, auch nur die einfachsten Probleme der Bevölkerung zu lösen.

Die Strategie hielt Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) dennoch für so wichtig, dass sie sie vorab der Berliner Morgenpost mitteilte. "Der Kern unserer Strategie liegt darin, privatwirtschaftliche Investitionen mit öffentlichem Monitoring zu verbinden", sagte Pop. Ziel seien verbindliche Vereinbarungen mit mehreren Telekommunikationsunternehmen über Termine und Versorgungsziele. Förderung soll es geben und weniger Bürokratie, heißt es in dem Plan.

Berlin soll bis zum Jahr 2025 eine flächendeckende Gigabit- und eine vollständige 5G-Versorgung aller Haushalte, Unternehmensstandorte und oberirdischen Verkehrswege erreichen. Bis zum Jahr 2030 werde es sogar Glasfaser-Versorgung für die gesamte Stadt geben. Wir alle wissen durch die Breitbandziele der Bundesregierung, was solche Ansagen wert sind.

Glasfaser bis ins Haus ist in Berlin noch kaum verfügbar. In einem Glasfaser-Ranking vom Juni 2020 ist Berlin nur zu 5 Prozent mit FTTH versorgt. Nach einer parlamentarischen Anfrage der FDP haben 7,2 Prozent der Haushalte in Berlin einen Glasfaser-Anschluss.

Berlin: Schulen haben kein FTTH

Besonders die Schulen sind nicht vernetzt: Auf Anfrage der BBZ (Berliner Bildungszeitschrift) der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) vom Juli/August 2020 räumte die zuständige Senatsverwaltung ein, dass aktuell keine der mehr als 600 allgemeinbildenden Schulen in der Stadt an das Glasfasernetz angeschlossen sei. Im März 2021 war nach Angaben der Berliner Bildungssenatsverwaltung die FTTH-Anbindung der allgemeinbildenden Schulen noch nicht einmal ausgeschrieben.

Um den Missstand zu verwalten, wurden im März 2021 endlich 10.000 LTE-Router bei der Deutschen Telekom und Vodafone für die Berliner Schulen bestellt, was die Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) auch noch "als zügig realisierbare Zwischenlösung" bezeichnete. Das kostete den Steuerzahler 2,2 Millionen Euro.

Hätten die Schulen eine FTTH-Versorgung, wäre in der Corona-Pandemie Präsenzunterricht mit Webcam und Streaming in die Haushalte möglich gewesen. Stattdessen wurde der Unterricht den Familien im Homeoffice aufgebürdet, was bis an die Grenze der nervlichen Belastbarkeit und darüber hinaus führte. Doch wer wie Berlins Senatsmitglieder 14.140 Euro brutto im Monat verdient, weiß davon nichts aus eigener Erfahrung.

Telekom und andere bauen aus

Jahrelang hätte der rot-rot-grüne Senat, in dem Kräfte sind, die sich durchaus als antikapitalistisch verstehen, den Netzbetreibern Versorgungsauflagen machen und bestehende Ausbauauflagen durchsetzen können. Nichts davon ist passiert.

Ausgerechnet jetzt, wo Konzerne tatsächlich den Ausbau angehen, kommt der Senat verwegen mit einem Plan. Wir erinnern uns: Die Deutsche Telekom hatte im März 2021 erklärt, eine Million FTTH-Anschlüsse in Berlin zu errichten. Die ersten 600.000 Anschlüsse will der Netzbetreiber nach eigenen Angaben bis Ende 2025 fertigstellen, insgesamt sollen es in den nächsten gut sechs Jahren eine Million werden.

Damit startet die Telekom nach eigenen Angaben das größte Glasfaser-Ausbauprojekt im Bundesgebiet. Große Festnetzbetreiber sind in Berlin neben der Telekom auch die Kabelnetzbetreiber Vodafone und Tele Columbus. Beide rüsten auf Docsis 3.1 auf. Dazu kommen 1&1 Versatel, das zu United Internet gehört, sowie der britische Colt-Konzern. Glas ist in Berlin also unter dem Pflaster vorhanden.

Vattenfall Eurofiber, ein Gemeinschaftsunternehmen des schwedischen Energieunternehmens Vattenfall und des niederländisch-belgischen Glasfasernetzbetreibers Eurofiber, kündigte im September 2020 an, in den kommenden Jahren in Berlin 500.000 Haushalte mit FTTH/B zu versorgen.

Der Ausbau erfolgt zunächst im Zentrum Berlins. Vattenfall verfügt in seinem Fernwärme-Versorgungsnetz über Tunnel in Ost und West unter der Hauptstadt, die relativ leicht mit Glasfaser versorgt werden können.

All das passiert natürlich nur durch den Breitbandplan des Senats. Danke!

IMHO ist der Kommentar von Golem.de. IMHO = In My Humble Opinion (Meiner bescheidenen Meinung nach).

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Faksimile 15. Jun 2021

Dann aber bitte auch Rückabwicklungen aller Zahlungen des Finanzausgleichs nach 1945...

devarni 15. Jun 2021

Die Roten mit ihren sozialistischen Fantasien... die Grünen würden am liebsten alles von...

ubuntu_user 15. Jun 2021

gibt ja auch keinen Markt für Infrastruktur.

Andrej553 15. Jun 2021

Wenn die Schule einfach mal geraten 20 Klassen hat, bräuchte man potentiell 20 mal den...



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