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Giga Fiber: Viele Fragezeichen zum neuen 0-Euro-Glasfasernetz

Ein neues Netz entlang der Bahnschienen, für das die Kunden nichts bezahlen müssen, außer der Pflicht, einen Payment-Dienst zu nutzen? Golem.de hat sich das FTTH -Angebot genauer angesehen und viele Unklarheiten entdeckt.
/ Achim Sawall
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Das neue Netz wird wunderbar und gratis: Doch kommt es wirklich? (Bild: Giga Fiber /Screenshot: Golem.de)
Das neue Netz wird wunderbar und gratis: Doch kommt es wirklich? Bild: Giga Fiber /Screenshot: Golem.de

In dieser Woche ist der neue Netzbetreiber Giga Fiber angetreten , um die deutsche Glasfaserbranche mit einem kostenlosen 250-MBit/s-Internetzugang für alle durcheinanderzuwirbeln. Doch ein genauerer Blick auf die Ausbauzusagen und in die AGB lassen bei Branchenkennern erhebliche Zweifel an den Versprechen aufkommen.

In seinen Werbevideos behauptet Giga Fiber(öffnet im neuen Fenster) : "Dafür erschaffen wir ein komplett neues Netz, verlegen es entlang der Gleise der Deutschen Bahn." Solche Aussagen stehen auch in Texten auf der Homepage des neuen Betreibers.

Allerdings scheint das etwas verfrüht zu sein. Denn die Bahn-Tochter DB Broadband hat der Zeitung Welt(öffnet im neuen Fenster) bereits gesagt, dass es keine vertragliche Vereinbarung mit Giga Fiber gebe.

Auf Nachfrage von Golem.de erklärte ein Giga-Fiber-Sprecher dann auch, man habe die Nutzung der Schienenwege "beantragt" . "Die Giga Fiber GmbH hat bei der DB Broadband die Mitnutzung der passiven Bahninfrastruktur für den Aufbau eines neuen Glasfasernetzes mit sehr hoher Kapazität beantragt, so wie es im Telekommunikationsgesetz ausdrücklich vorgesehen ist. Dazu steht Giga Fiber mit der DB in Kontakt. Der Netzaufbau mit innovativen Verfahren wird circa vier bis fünf Jahre umfassen." Das Telekommunikationsgesetz (TKG) regele, dass ein Unternehmen wie die Giga Fiber "das Recht hat, entlang der gesamten Bahntrassen Glasfaser zu verlegen" .

Hier geht aber einiges durcheinander: Eine Nutzung von ungenutzter Dark Fiber der Bahn ist kein "komplett neues Netz" - und ein pauschales Recht zur Verlegung an Bahntrassen gibt es nach dem TKG nicht.

Eine Bahn-Sprecherin erklärte Golem.de: "Das Telekommunikationsgesetz bietet die Möglichkeit, die Mitnutzung passiver Infrastruktur bei Betreibern öffentlicher Versorgungsnetze zu beantragen. Ob und unter welchen Bedingungen solchen Anträgen stattgegeben werden kann, hängt von den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten ab, etwa dem Vorhandensein nutzbarer Infrastrukturen mit ausreichender Kapazität."

Dark Fiber kann angemietet werden

DB Broadband biete allen Marktteilnehmern die Anmietung von Dark Fiber im 22.000 Kilometer umfassenden DB-Glasfasernetz zu marktüblichen Preisen an, erklärte die Bahn. Zahlreiche Kunden nutzten dies bereits und hätten Verträge über die Mitnutzung freier Glasfaserkapazitäten geschlossen.

Dazu zählten unter anderen "große Mobilfunkunternehmen und nationale Carrier, aber auch regionale Carrier und Stadtversorger" . Das "komplett neue Netz" entlang der Bahntrassen ist nicht mehr als mögliche Verhandlungen zwischen Giga Fiber und Bahn/DB Broadband.

Ersatz der Kosten für den Hausanschluss

Natürlich wollen viele ein 0-Euro-Angebot mit Super-Vectoring-Geschwindigkeit auf Glasfaser. 75.000 Menschen interessierten sich für die Nachricht, die dazu bei Golem.de erschien. "In den ersten 24 Stunden haben mehr als 250.000 die App bereits heruntergeladen" , erfuhr Golem.de aus unternehmensnahen Kreisen. Doch es kommen ungewöhnliche Anforderungen an die Haushalte zu, die jedoch wohl kaum jemand genau gelesen hat.

Das 0-Euro-Angebot gilt nämlich nur bei "Nutzung des kostenfreien Payment-Providers. Als Gegenleistung für die Unentgeltlichkeit laufen wiederkehrende Zahlungen wie Miete, Nebenkosten, Strom, aber auch Darlehenszahlungen über den von Giga Fiber zur Verfügung gestellten Payment-Service."

Wer in der zweijährigen Vertragslaufzeit gegen diese Pflichten verstößt, ist laut AGB "anteilig zum Ersatz der Kosten für den Hausanschluss verpflichtet, da wir diesen durch das hier geschilderte Prozedere finanzieren" .

Der Verbraucherzentrale Bundesverband bedankte sich "für den Hinweis zu diesem Thema" durch Golem.de und will das Unternehmen nun "weiter beobachten" .

Rechtsanwalt Christian Solmecke sagte Golem.de, dass die AGB des neuen Betreibers wohl nicht rechtssicher seien: "Ich habe starke Zweifel an der Wirksamkeit dieser Klausel in der aktuellen Form. Das Gesetz begrenzt nämlich die Möglichkeit, mit vorformulierten AGB Verträge zu gestalten, wie man will. Die Klausel könnte hier laut Paragraf 305c BGB als überraschend gelten und daher unwirksam sein."

Wer sich die vielen Werbevideos auf der Startseite ansehe, finde darin nicht einmal einen Hinweis auf die Nutzungspflicht. Im Gegenteil, sagt Solmecke: "In den meisten Videos wird das nicht einmal erwähnt, nur in einem Video heißt es vage, man 'könne' über den Router Dinge bezahlen. Hinzu kommt die plakative Werbung mit '0 Kosten. 0 Haken'. Zwar wird auf der Webseite in den FAQ zumindest auf die Nutzungspflicht des - nicht näher konkretisierten - Payment-Services als Gegenleistung für das 'kostenlose' Internet hingewiesen." Aber auch dort befindet sich kein Hinweis auf die alternative Zahlungspflicht, sollte man den Payment-Service nicht nutzen.

Die gesamte Aufmachung der Werbung und Website deute also nicht auf eine solche Klausel hin. Daher muss der durchschnittlich aufmerksame Verbraucher sie laut Solmecke auch nicht erwarten. "Wenn ein Gericht die Klausel dementsprechend für unwirksam erachten würde, stünde das gesamte Geschäftsmodell auf der Kippe, weil Nutzer dann nicht zahlen müssten, wenn sie den Payment-Service nicht nutzen. Will der Anbieter das vermeiden, sollte er künftig seine Werbung ändern und deutlicher auf die Gegenleistung und die damit einhergehenden Pflichten hinweisen" , erklärte der renommierte Anwalt.

AGB gar nicht so gemeint?

Doch was ist mit "Ersatz der Kosten für den Hausanschluss" genau gemeint? Die Ausbaukosten? Ein Glasfaserzugang kann von einigen 1.000 bis zu mehreren 10.000 Euro erfordern. Soll der Kunde das bezahlen oder geht es um den monatlichen Betrieb?

Ein Giga-Fiber-Sprecher versicherte Golem.de: "Klar ist: Dem Kunden werden in keinem Falle Kosten für die Erstellung des Internetanschlusses in Rechnung gestellt. Die Kosten, die in den AGB aufgeführt sind - dies werden wir - auch aufgrund der Nachfrage - präzisieren, beziehen sich lediglich auf die monatliche Bereitstellung des Dienstes. Diese orientieren sich am unteren Rand eines durchschnittlichen monatlichen Anschlusspreises der Mitbewerber zum jeweiligen Zeitpunkt."

Der Kunde werde, sofern er seiner Verpflichtung zur Nutzung des Payment-Services nicht nachkommt, direkt am Ende des Monats von Giga Fiber darauf hingewiesen. Die gegebenenfalls anfallenden Kosten könnten sich maximal im Bereich eines durchschnittlichen Monatsbeitrags bewegen, sagte der Sprecher.

Wer soll das bezahlen?

Damit stellt sich die Frage nach der Finanzierung des neuen Netzes. Alternative Ausbaumethoden, die "Nutzung von bestehenden Baustellen der Bahn" sowie "Partnerschaften mit anderen Netzbetreibern" ändern nichts daran, dass ein neues FTTH-Netz in Deutschland viele Milliarden Euro kostet.

Der Gründer von Giga Fiber heißt Lars Diebold und lebt in Dubai. Auch auf mehrere Nachfragen wird nicht offengelegt, woher die Milliarden Euro für das Netz kommen, das man aufbauen will.

"Die Investoren möchten aus Diskretionsgründen nicht im Vordergrund stehen" , sagte der Sprecher Golem.de. Die Investoren verfügten über langjährige Erfahrungen im Bereich des Infrastrukturaufbaus, auch über die Grenzen von Europa hinaus. Giga Fiber selbst sei durch ein Family Office finanziert, das sich auch in Dubai befindet.

Fazit: Fehlstart mit 0-Euro-Glasfaser

Keiner der FTTH-Newcomer oder etablierten Betreiber auf dem deutschen Markt hat bisher seine Finanzierungspartner verschwiegen . Dies sind Versicherungskonzerne wie die Allianz , riesige Renten- und Pensionsfonds wie IFM Investor aus Australien oder Netzbetreiber wie Altice oder Iliad , die in Deutschland noch nicht direkt aktiv sind.

Nun mag es dafür gute Gründe geben, vertrauensbildend für Kunden und die Branche wirkt die Geheimhaltung des Geldgebers mit Sicherheit nicht. Was bleibt, sind also ein Unternehmensstart mit halbgaren Behauptungen zum Ausbau entlang der Bahntrasse, ebenso halbgaren AGB, die man jetzt berichtigen muss, und namenlose Geldgeber.


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