Ghostbusters - Frozen Empire: Geisterjäger auf dünnem Eis

Im November 2021 kamen die Original-Geisterjäger aus dem Kultfilm Ghostbusters von 1984 zurück auf die Kinoleinwand. Mit dabei war auch Dr. Egon Spengler, obwohl Darsteller Harold Ramis sieben Jahre zuvor verstorben war. Ghostbusters: Legacy - im Original: Afterlife - machte diesen traurigen Umstand zum Herzstück seines Plots und ließ Spengler, damit eben auch Ramis, am Ende sogar als CGI-generierten Geist noch einmal mit den Kollegen zum Protonenstrahler greifen.
Besonders für Fans des Originals war dieses Finale so emotional und magisch inszeniert, dass uns heute, nur ein paar Jahre später, kaum etwas vom restlichen Handlungsverlauf in Erinnerung geblieben ist. Vielleicht ist das besser so, denn Regisseur und Drehbuchautor Jason Reitman hat das meiste ohnehin aus dem Ur-Film seines Vaters Ivan kopiert, obgleich nicht ganz so lustig und deutlich weniger spannend als früher. Aber wenigstens waren Seele und Ästhetik des Originals erkennbar. Beides hatte Paul Feigs albernem Remake aus dem Jahr 2016 gefehlt.
Filmkritiker waren von Legacy zwar aus den genannten Gründen nicht so begeistert, an den Kinokassen konnte sich Sony allerdings auf die gleiche Formel aus Soft-Reboot und Sequel verlassen, mit der schon Star Wars: Das Erwachen der Macht erfolgreich war. Viel Retro, ein paar neue Helden, altbekannte Story modern erneut aufgelegt. Nicht zu große, aber auch nicht zu kleine Auftritte bekannter Gesichter. Eine klassische Übergabe des symbolischen Staffelstabs. Bei Ghostbusters: Legacy gelang das sogar mit Herz.

Das alles, um jetzt beim Nachfolger allerdings vor der gleichen Herausforderung zu stehen, an der Star Wars scheiterte : Wie setzt man die Serie nach einer solchen Wiederbelebung mit eigenen Ideen fort, ohne jene Fans zu vergraulen, die ja gerade erst mit einer Überdosis Retrogefühligkeit zurückgewonnen wurden?
Auch Ghostbusters: Frozen Empire findet darauf keine zufriedenstellende Antwort. Einzelne Szenen funktionieren hier nur deswegen noch, weil sie sich wieder auf reinen Fanservice berufen.
Da sehen wir am Anfang den 1959er Cadillac Miller-Meteor Ambulance der Ghostbusters, den ikonischen Ecto-1, wild durch die Straßen von New York City brettern. Müssen wir erwähnen, dass sich hier gerade eine Verfolgungsjagd abspielt, an deren Ende ein ektoplasmisches Wesen(öffnet im neuen Fenster) in eine tragbare Geisterfalle gesogen wird?
Schluss mit Kleinstadt
Die gibt's inzwischen übrigens nicht nur als ferngesteuertes Auto, sondern auch in Drohnenform, was als Weiterentwicklung im Jahr 2024 längst überfällig war. Besonders, um einen schlangenförmigen Geisterdrachen einzufangen, der durch die Häuserschluchten Manhattans fliegt.









Die neue Geisterjägergeneration ist zu Beginn des zweiten Films im Berufsalltag und auch endlich in der ehemaligen Feuerwehrzentrale angekommen, in der 1984 mit dem Originalteam alles anfing. Schluss mit Kleinstadt im Nirgendwo, die Ghostbusters sind wieder in dem New York, wie wir es von früher kennen und lieben. Das Set des Hauptquartiers von damals wurde detailgetreu nachgebaut, vom Schild mit Logo über dem Eingang bis hin zur roten Luke im Keller, wo gefangene Geister in einem Container gesammelt werden.
Auf ein paar mehr normale Ghostbusters-Einsätze alter Schule hätten wir jetzt richtig Lust gehabt.
Getrenntes Team, zersplitterter Film
Gestört hätte dabei nur, dass Egon Spenglers erwachsene Tochter Callie (Carrie Coon), deren zwei Kinder und Lebensgefährte Grooberson (Paul Rudd), die Ghostbusters-Aktivitäten nun als reines Familienunternehmen betreiben. Typische Eltern-Kind-Konflikte mitten im Geschehen auszutragen, fanden wir schon während der Verfolgungsjagd eingangs reichlich deplatziert und nicht so witzig wie die kumpelhafte Dynamik zwischen den verschiedenen Charakteren der Ur-Besetzung aus den 1980ern.
Mit tatsächlicher Geisterjagd ist es in diesem Ghostbusters-Film aber sowieso schnell vorbei. Weil der Kampf mit dem Drachenwesen wenig überraschende Sachbeschädigungen zur Folge hatte, greift der frühere EPA-Inspector und jetzige Bürgermeister Walter Peck (seit dem Originalfilm gespielt von William Atherton), der bekanntlich nie ein Fan der Ghostbusters war, zu heftigen Sanktionen. So darf die 15-jährige Phoebe Spengler (Mckenna Grace), eigentlich das fähigste Mitglied des Teams, als Minderjährige nicht mehr an Einsätzen teilnehmen.
Früh wird die Hauptmannschaft also einfach auseinandergerissen, ohne dass wir die neuen Ghostbusters mal wenigstens für eine gewisse Zeit zusammen in Aktion erleben dürfen. Folglich fragmentiert Frozen Empire zu einer Ansammlung mal ganz gut und mal gar nicht funktionierender Szenen, die ständig von Schauplatz zu Schauplatz springen und immer andere zwei bis drei Charaktere im Mittelpunkt haben. Wenig wird zusammenhängend erzählt und das Finale entwickelt sich aus einer Reihe von Zufällen wie von selbst - beinahe ohne das Zutun der Protagonisten.









In mehreren Slapstick-Sequenzen schlägt sich Spengler-Enkel Trevor (Finn Wolfhard) auf dem Dachboden der Feuerwehrstation mit dem bekannten Geist Slimer herum, nur damit die beliebte grüne Schleimkugel von Fans nicht vermisst wird. Die Mini-Marshmallowmänner aus dem Vorgänger haben inhaltlich genau so wenig Bewandtnis, scheinen sich als Merchandise jedoch zu gut zu verkaufen, um sie im Sequel nicht wieder mehrmals zusammenhangslos einzubauen.
Callie Spengler und Grooberson führen immerzu Gespräche darüber, ob und wie er sich ihren Kindern gegenüber als Vater verhalten darf. Und die ins Abseits geschobene Phoebe freundet sich mit dem Geist eines fast gleichaltrigen Mädchens an, von dem sie sich offensichtlich endlich richtig verstanden fühlt.
Podcast (Logan Kim) und Lucky (Celeste O'Connor) aus Ghostbusters: Legacy dürfen in manchen Szenen ab und zu sogar auch noch mal daneben stehen. So richtig weiß aber keiner mehr etwas mit ihnen anzufangen, der Film hätte ganz auf sie verzichten können. Wie auf das meiste hier aufgezählte.
Wer noch lebt, ist wieder dabei
Immerhin: Winston (Ernie Hudson) und vor allem Ray (Dan Aykroyd) aus der Ur-Crew nehmen noch aktiv am gesamten Geschehen teil, soweit die dünne Handlung es zulässt. Bill Murray gibt sich bei seinen sporadischen Pflichtauftritten keine Mühe, mehr als nur sich selbst zu spielen. Seine Rolle als Peter Venkman verkörpert er jedenfalls nicht mit glaubhaftem Elan.
In einem Film, der dieses Mal dem 2022 verstorbenen(öffnet im neuen Fenster) Original-Regisseur Ivan Reitman gewidmet ist, alle noch lebenden Ghostbusters von damals erneut beisammen zu haben, hat in den Augen der Fans trotzdem ideellen Wert.
Von 115 Minuten nimmt sich Co-Autor Gil Kenan, der bei Frozen Empire die Regie von Jason Reitman übernahm, erstaunlich wenig Zeit, um einige der neuen Elemente für das Franchise so zu etablieren, dass sie sich stimmig in das bestehende Ghostbusters-Framework einfügen, ohne wie ein halbgarer Abklatsch anderer Filmserien anzumuten.
Mal Harry Potter, mal Men in Black
Genau das passiert nämlich, wenn Phoebe mit ihrer paranormalen Freundin Melody redet, als wäre das verstorbene Mädchen eine normale Person im Vollbesitz aller geistigen Fähigkeiten, nur eben mit bläulich durchsichtigem Körper. Das hat nichts mehr mit dem bisherigen Geisterkonzept von Ghostbusters zu tun. Viel mehr erinnern uns solche Szenen an die Fantasywelt von Harry Potter, Stichwort Maulende Myrte(öffnet im neuen Fenster) .
Dass Ur-Geisterjäger Winston Zeddemore (Ernie Hudson) zusammen mit Ex-Rezeptionistin Janine Melnitz (Annie Potts) ein hochtechnisiertes Ghostbusters-Labor betreibt, in das die Hauptprotagonisten zu Beginn der Handlung eingeladen werden, kommt trotz Andeutungen im Vorgängerfilm für uns Zuschauer aus sehr heiterem Himmel. Wenn wir den Stand der Technik dort sehen, hätte schon längst kein Geist mehr auf der Welt noch ein Problem sein dürfen.
Ziehen wir im späteren Filmverlauf in Betracht, dass dieser wahnsinnig wichtige und gefährliche Ort nahezu keine Sicherheitsvorkehrungen hat und wortwörtlich für jedes Kind jederzeit frei zugänglich zu sein scheint, wundert uns nichts mehr.
Hier wollten Kenan und Reitman wohl auf die Schnelle den Grundstein dafür legen, aus Ghostbusters künftig so etwas wie Men in Black oder das "Amt zur Untersuchung und Abwehr paranormaler Erscheinungen" aus Hellboy zu machen - eine größere Organisation, wie es in nie verwirklichten Konzepten der alten Ghostbusters angedacht gewesen sein soll.
Bloß verkauft uns der aktuelle Film diese Idee überhaupt nicht reizvoll, und trägt wirklich blöd umgesetzt eher dazu bei, die wiedererkennbare Identität von Ghostbusters als Franchise zu verwässern.
Gleiches müssen wir über die Rolle von Kumail Nanjiani sagen. Dessen Nadeem ist für die Haupthandlung zwar wichtig, trotzdem wirkt er derart beliebig und unpassend ins Drehbuch geschrieben, als wäre er sowohl vom Humor als auch von den späteren Fähigkeiten seines Charakters her aus einem anderen Film entsprungen. Um es mal nur anzudeuten: Das Geschehen von Ghostbusters geht hier plötzlich Wege, die wir sonst eher mit Avatar: Herr der Elemente oder Dragon Ball assoziieren.
Magerer Eisdämon
Dass wir noch nicht auf den mächtigen Hauptgegner der Ghostbusters in Frozen Empire eingegangen sind, dürfte schon ein Hinweis darauf sein, wie gähnend unspektakulär dieser daherkommt. Der abgemagerte Eisdämon mit komödiantisch langen Hörnern, in dessen Pfad alles und jeder einfriert, ist eine müde Mischung aus dem Nachtkönig(öffnet im neuen Fenster) von Game of Thrones und Steppenwolf(öffnet im neuen Fenster) aus Joss Whedons Version von Justice League.









Sogar Vigo aus Ghostbusters 2(öffnet im neuen Fenster) hat mehr Charisma und wirkt bedrohlicher. Dass seine Anwesenheit ganz Manhattan gefrieren lässt, hat uns an das vereiste Gotham aus Joel Schumachers Batman und Robin(öffnet im neuen Fenster) erinnert, tricktechnisch also auch nicht wirklich beeindruckt - und gegruselt schon gar nicht.
Trotz Schwächen entsteht Blockbuster-Gefühl
Dabei sind Effekte und Gestaltung an anderer Stelle große Stärken des Films. Requisiten wie Geisterfallen und Protonenpacks wurden wieder so echt es nur geht in die Realität geholt, Inklusive ausgetüftelter, praktischer Effekte(öffnet im neuen Fenster) , beispielsweise echte Funkenschläge und charakteristische Lichtblitze. Die kommen am Set aus den Geräten und wurden hinterher am Computer noch einmal aufgemotzt.
Die Mischung aus realen und nachträglich eingefügten Effekten ist in den Actionsequenzen stets gelungen und fängt den Look aus den alten Filmen perfekt wieder ein, beispielsweise die Protonenstrahlen.
Gefallen haben uns, wie schon im Vorgänger, außerdem die Standardgeister im leicht ausgeblichenen, teilweise durchsichtigen Stil der Originalfilme. Wo immer Frozen Empire Motive und Designs der 1980er-Werke aufgreifen kann, macht er das konsequent und meist überzeugend. Schwächen sehen wir überall dort, wo das heutige Kreativteam beim Sequel keine Retroblaupausen zur Verfügung hatte und sich selbst etwas einfallen lassen musste.
Nach all den Kritikpunkten mag das jetzt überraschend klingen, aber Frozen Empire ist mitnichten ein ganz schlechter Film. Insbesondere dank des orchestralen Soundtracks und einer mitunter rasanten, aber nie unübersichtlich werdenden Kameraführung kommt in vielen Szenen trotz aller Mängel genau das Blockbuster-Gefühl auf, für das ein großes Publikum gern ins Kino geht. Das Produktionsdesign ist mit Abstrichen gelungen, die meisten Darsteller machen ihre Sache gut.
Alte und neue Ghostbusters schießen wieder gemeinsam mit Protonenstrahlern. Vor allem Kinder (USK 12), denen die Geister nicht zu gruselig sind, könnten Frozen Empire durchaus aufregend finden. Und die scheinen inzwischen bewusst immer mehr Sonys angepeilte Zielgruppe zu sein.
Dazu passt, dass Regisseur Gil Kenan in Interviews die zwischen 1986 und 1991 erfolgreich gelaufene Animationsserie The Real Ghostbusters(öffnet im neuen Fenster) als wesentliche Inspiration für Frozen Empire angab(öffnet im neuen Fenster) . Er habe einen Kinofilm machen wollen, der wie eine lange Episode dieser Cartoonserie wirkt, bestätigte Schauspieler Kumail Nanjiani die Intention Kenans in einem Statement bei X(öffnet im neuen Fenster) .
Wann jagen die Ghostbusters endlich wirklich Geister?
Wir finden, das ist ihm nicht gelungen. Die Animationsserie haben wir nicht so überfrachtet mit unnötigen Charakteren, so einfallslos beim großen Monster of the Week und so frei vom Arbeitsalltag der voll operativen Ghostbusters in Erinnerung. Im Gegenteil, fast jede Folge handelte exakt davon, was in Frozen Empire zu kurz kommt: dass die Ghostbusters als kumpelhaftes Gespann ihr normales Geschäft in ihrer Zentrale betreiben, Jobs annehmen und dass sich daraus immer wieder spannende Geschichten ergeben.









Ist es wirklich ein zu verrückter Gedanke, dies einen ganzen Film über tatsächlich auch mal nur so zu machen? Also in einem Ghostbusters-Film hauptsächlich zu zeigen, wie Geisterjäger auf Geisterjagd gehen? An ungewöhnlichen Orten, gern in verschiedenen Ländern, mit originellen Wesen aus dem Reich des Paranormalen, den Mythen von Völkern aus aller Welt.
Selbst wenn sich alles weiterhin bloß in New York City abspielte, wünschen wir uns für einen möglichen nächsten Kinofilm pure Geisterjagd, wenn Geisterjäger draufsteht - und nicht nur Geister, die irgendwie da sind, und Geisterjäger, die meistens bis zum Finale ständig irgendwelche anderen Dinge tun.
Ghostbusters: Frozen Kingdom ist am 21.03.2024 in deutschen Kinos gestartet.



