Gesetzentwurf: Kamera im Gerichtssaal? Buschmann schlägt Kompromiss vor

Der Justizminister korrigiert seinen Gesetzentwurf: Bald sollen alle Prozesse aufgenommen werden – Kameras sollen jedoch nicht verpflichtend sein.

Artikel veröffentlicht am , /dpa
Justizminister Marco Buschmann (FDP) mit Akten
Justizminister Marco Buschmann (FDP) mit Akten (Bild: Sean Gallup/Getty Images)

Nach Kritik von Richtern und Staatsanwälten hat Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) jetzt einen Kompromissvorschlag für die Verpflichtung zur Aufzeichnung der Hauptverhandlung im Strafverfahren vorgelegt.

In einem neuen Referentenentwurf, der am Mittwochabend zur Abstimmung an die anderen Ressorts der Bundesregierung ging, ist die Videoaufzeichnung nicht mehr zwingend vorgesehen. Außerdem sollen die Justizbehörden der Länder mehr Zeit als ursprünglich geplant bekommen, um die Technik für Tonaufzeichnung und Transkription zu beschaffen.

Am Kern seines Vorhabens hält Buschmann aber fest. "Mir ist wichtig, dass wir zu einer besseren Dokumentation von strafgerichtlichen Hauptverhandlungen kommen. Denn in Strafverfahren geht es um sehr viel: den guten Namen und die Freiheit eines Menschen", sagte der Minister der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Dass sich die Verfahrensbeteiligten bislang nach einem mitunter monatelangen Prozess alleine auf ihre Notizen und ihr Gedächtnis verlassen müssten, sei nicht zeitgemäß.

Ein erster von Buschmann im November vorgelegter Entwurf für ein Gesetz zur digitalen Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung sah noch vor, die Hauptverhandlung künftig in Bild und Ton aufzuzeichnen und die Tonaufzeichnung mittels Transkriptionssoftware in ein Textdokument umzuwandeln.

Heftige Kritik kam damals von Staatsanwälten, Richtern und Opferverbänden. Sie warnten unter anderem davor, Zeugen könnten sich durch die Videoaufzeichnung eingeschüchtert fühlen.

Unterstützung für sein Vorhaben hatte Buschmann dagegen aus der Anwaltschaft erhalten, die sich davon auch eine erhebliche Arbeitserleichterung verspricht. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) stellte im Februar fest: "Eine Kompromisslösung, die sich nur mit einer bloßen Tonaufzeichnung begnügt, würde die Chance vertun, hier wirklich etwas im Sinne der bestmöglichen Wahrheitsfindung zu verändern." Schließlich sei der überwiegende Anteil menschlicher Kommunikation nonverbal. Mimik, Gestik, Körperhaltung, Blicke – all dies gehöre zur Würdigung einer Aussage dazu.

Buschmann nimmt drei Änderungen vor

"Es gab einige Einwendungen gegen meinen ersten Vorschlag, die haben wir natürlich genau geprüft", sagte Buschmann der dpa. Ihm sei wichtig, dass die Bundesregierung hier vorankomme, "deshalb nehmen wir drei Anpassungen vor". Erstens werde in dem Entwurf noch einmal klargestellt, dass der Bundesgerichtshof, das oberste Revisionsgericht, dadurch nicht zu einer Tatsacheninstanz wird.

Zweitens sollten die Länder die Verpflichtung zur flächendeckenden Aufzeichnung der Hauptverhandlungen bei den Staatsschutzsenaten erst zum 1. Januar 2028 umsetzen müssen und nicht bereits Anfang 2026. Bei den Landgerichten bleibe es bei einem "Einführungskorridor bis zum 1. Januar 2030".

Drittens nehme er die Kapazitätsprobleme der IT-Abteilungen der Justizbehörden ernst, die bis Anfang 2026 noch stark mit der flächendeckenden elektronischen Akte beschäftigt seien. Deshalb schlage er vor: "Die Tonspur und die digitale Transkription bleiben für alle verpflichtend – die Länder können aber auf die Einführung der Videoaufzeichnung verzichten."

Die Videoaufzeichnung werde nur eine Option sein. "Natürlich ist es meine Hoffnung, dass einige Bundesländer vorangehen werden und Pilotprojekte dazu starten", fügte der Minister hinzu.

Bund und Länder müssten bei der Digitalisierung der Justiz insgesamt schneller vorankommen, betonte Buschmann. Sein Wunsch: "Die dicken Gerichtsakten, um die ein Stoffgürtel gespannt wird, werden ja oft auch Gürteltiere genannt. Diese Art der Gürteltiere möchte ich so schnell wie möglich auf die Liste der bedrohten Arten setzen."

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