Medienrecht: "Streaming ist keine Urheberrechtsverletzung"

Die Redtube-Abmahnungen verunsichern Nutzer. Medienrechtsprofessor Gerald Spindler erklärt, weshalb das Ansehen von Streams im Netz normalerweise keine Urheberrechtsverletzung ist und was gegen Abmahnanwälte getan werden sollte.

Artikel veröffentlicht am , Matthias Spielkamp/iRights
Prof. Dr. Gerald Spindler
Prof. Dr. Gerald Spindler (Bild: Gerald Spindler)

iRights.info: Der Fall um die Abmahnwelle gegen Redtube-Nutzer zeigt: die Auseinandersetzungen um etwaige Urheberrechtsverletzungen scheinen immer diffiziler zu werden. Müssen sich Gerichte nun tatsächlich mit technischen Feinheiten wie Zwischenspeicherung im "Hauptspeicher" des Computers oder in temporären Dateien beschäftigen?

Gerald Spindler: Das hängt davon ab, wie technisch man den Paragraf 44a des deutschen Urheberrechtsgesetzes beziehungsweise den Artikel 5 der europäischen Richtlinie zur Informationsgesellschaft versteht. Stellt man auf das Ziel der Norm ab, dass rein technisch bedingte Zwischenspeicherungen im Wege der Schranke vom Vervielfältigungsrecht ausgenommen sein sollen, kommt es nicht auf Haupt- oder temporären Speicher an, sondern nur darauf, was der Durchschnittsnutzer dauerhaft an Kopie herausziehen kann. Wenn der normale Nutzer nicht in der Lage ist, die an sich temporär gefertigten Kopien weiter zu verwenden, liegt die Schranke nach Paragraf 44a Urheberrechtsgesetz meines Erachtens vor. Die vom Amtsgericht Leipzig geäußerte Rechtsmeinung steht hier im Gegensatz zur wohl herrschenden Meinung in Deutschland.

iRights.info: Sollte aus Anlass dieser komplizierten Zwischenspeicher-Problematik umso mehr an pauschalisierenden Vereinfachungen des Urheberrechts gearbeitet werden?

Gerald Spindler: Nein, die Regelung des Paragraf 44a beziehungsweise der EU-Richtlinie - wenn schon, dann müsste diese geändert werden - ist hier meines Erachtens ausreichend. Es bedürfte lediglich eines klärenden Urteils, wenn solche Rechtsunsicherheiten erzeugt werden.

iRights.info: Sehen Sie ein Abstrahlen dieser Abmahnungen auf das Verhältnis zu Streamingdiensten generell? Steigt nun die Verunsicherung der Internet-Nutzer gegenüber populären Portalen, wie Youtube, Myvideo und so weiter?

Gerald Spindler: Objektiv gesehen nein. Natürlich werden andere Abmahnanwälte auch auf dieser Welle zu reiten versuchen; vermutlich ist gerade deshalb die Pornografie-Industrie gewählt worden, weil sich hier kaum ein Empfänger öffentlich dagegen wehren will.

iRights.info: Wie ließe sich dieser wachsenden Verunsicherung von Verbrauchern auf urheberrechtlicher Ebene wirksam entgegentreten?

Gerald Spindler: Das ist eine philosophische Frage - denn solange es Abmahnungen gibt, werden immer wieder findige Abmahnanwälte versuchen, scheinbare Rechtslücken zu nutzen. Dieses Phänomen konnte man schon früher im "Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb" für Wettbewerbssachen beobachten.

iRights.info: Das erst kürzlich erlassene "Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken" sollte durch eine Deckelung von Abmahngebühren das Abmahn-Unwesen zurückdrängen. Ist dieses Ziel nun verfehlt?

Gerald Spindler: Das kann man so nicht sagen - schon gar nicht, ohne die genauen Abmahnschreiben zu kennen. Berichtet wird jedenfalls aus der Praxis, dass eher unseriöse Abmahnanwälte versuchen, über Schadensersatzforderungen zu operieren, die nicht vom Gesetz erfasst sind. Die eigentliche Crux liegt in der für Deutschland typischen Pflicht, auch schon die erste Abmahnung bezahlen zu müssen - wenn dies aufgehoben würde und erst die zweite Abmahnung kostenpflichtig ist, würde wie in vielen anderen Rechtsordnungen auch das Phänomen verschwinden. Ansonsten müsste man wohl Straftatbestände bis hin zu Berufsregelungen einführen, um dem Phänomen Herr zu werden.

iRights.info: Wie schätzen Sie - aus urheberrechtlicher Sicht - die Erfolgsaussichten ein, sich als betroffener Verbraucher gegen die Abmahnung zur Wehr zu setzen?

Gerald Spindler: Das schätze ich sehr hoch ein, da es sich meines Erachtens bei den meisten Fällen des Streaming schlicht um eine Schranke nach Paragraf 44a Urheberrechtsgesetz handelt, mithin keinerlei Verletzungshandlung vorliegt.

iRights.info: Wie es nach jüngsten Meldungen aussieht, steckt womöglich hinter dieser Abmahnwelle eine konzertierte Aktion, bei der sich beteiligte Protagonisten die Adressen der Internetnutzer auf (partiell) illegalem Wege beschafften und das Kölner Gericht folglich betrogen haben. Wenn sich diese Mutmaßungen als wahr herausstellen, was würde daraus folgen?

Gerald Spindler: Das ist von außen kaum zu beurteilen, ohne dass man den Sachverhalt näher kennt. Bei Verwendung eines sogenannten "Honigtopfes" (Honey Pots) würde es sich um eine Art Agent Provocateur handeln, so dass weder Daten herausgegeben werden dürften noch überhaupt eine relevante Verletzungshandlung vorliegt.

iRights.info: Und etwas weiter gedacht, nach Abklingen der Aufregung: Welche Schlüsse kann die Urheberrechts-Community aus diesem Fall dann ziehen?

Gerald Spindler: Eigentlich keine großen - allenfalls das Problem an der Wurzel zu packen und keinen Anspruch auf Kostenerstattung bei Abmahngebühren mehr anzuerkennen, zumindest nicht gegenüber Verbrauchern.

Gerald Spindler ist Professor für Bürgerliches Recht, Handels- und Wirtschaftsrecht, Multimedia- und Telekommunikationsrecht und Rechtsvergleichung an der Georg-August-Universität Göttingen.

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crazypsycho 20. Dez 2013

Jeder Webserver legt automatisch Access-Logs an. Darin wird bspw IP, aufgerufene Datei...

Bowman 20. Dez 2013

...ich glaube, mancher hier hätten etwas Schlaf nötig... ...nichts desto trotz wäre...

crazypsycho 20. Dez 2013

Einen Stream zu schauen der illegal hochgeladen wurde ist aber keine rechtmässige...

gandalfmitfahrk... 20. Dez 2013

Warum muss man den begriff definieren? Es ist völlig klar was mit normale nutzer gemeint...



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