NSU-Ermittlung ausgebremst

Die Befragung durch israelische Geheimdienstler sorgte damals für einige Aufregung, Innenminister Gerhart Baum musste sich entschuldigen. Übrigens: Die Frankfurter Rundschau druckte daraufhin den kompletten Text der Richtlinie, geheim ist er also eigentlich schon seit 1979 nicht mehr.

Irritationen gab es auch bei den Ermittlungen zum Attentat der RAF auf Alfred Herrhausen. Der Verfassungsschutz Hessen behinderte 1991 Ermittlungen des Generalbundesanwaltes wegen des Attentats. Zumindest spielten die Verfassungsschützer eine undurchsichtige Rolle bei der Aussage eines Kronzeugen. Schuld soll die Zusammenarbeitsrichtlinie gewesen sein.

Zuletzt tauchte die Zusammenarbeitsrichtlinie im NSU-Prozess auf - der Grund, warum Martina Renner nach ihr fragte. Im September 1998 wollte das Thüringer Landeskriminalamt (LKA) Jan W. aus Chemnitz überwachen. Der Rechtsextremist sollte Kontakt zu drei untergetauchten Bombenbauern haben und mit dem Auftrag unterwegs sein, für sie eine Waffe zu besorgen. Die Namen der drei: Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Beate Zschäpe, später bekanntgeworden als das NSU-Trio. Das LKA wollte durch die Überwachung von Jan W. mehr über die drei und ihre Pläne erfahren, doch die Beamten bekamen für Jan W. keinen Überwachungsbeschluss. Der Amtsrichter weigerte sich, einen solchen Beschluss zu unterzeichnen. Denn niemand wollte ihm erklären, wer die Quelle dieser brisanten Informationen war.

Dabei stammte der Tipp mit Jan W. von einer Behörde. Der Brandenburger Verfassungsschutz hatte ihn von einem seiner Spitzel in der Szene bekommen, einem sogenannten V-Mann. Den Tipp selbst reichten die Beamten zuerst auch an die Polizei weiter, bremsten die Ermittlungen dann aber aus. Sie wollten nicht sagen, woher sie den Tipp hatten, nicht einmal einem Amtsrichter. Die Verfassungsschützer fürchteten, jemand im Beamtenapparat könnte das ausplaudern und ihren V-Mann auffliegen lassen. So wurde die Überwachung schließlich nicht genehmigt, das gefährliche Trio wurde nicht ausgespäht und mordete weiter.

Gültig, aber bedeutungslos?

Ist die Richtlinie über die Zusammenarbeit nun geheim? Ist sie es nicht? Gilt sie vielleicht gar nicht mehr?

Das Bundesinnenministerium sagt dazu, die Richtlinie sei bis heute gültig. Sie habe aber "keine praktische Bedeutung mehr", da der Datenaustausch zwischen Geheimdiensten und Polizei in den Jahren seit 1990 in den Gesetzen der einzelnen Dienste geregelt worden sei, also im Verfassungsschutzgesetz, im BND-Gesetz, im BKA-Gesetz und in der Strafprozessordnung.

Was ein wenig den Eindruck erweckt, dass die Geheimdienste die Richtlinie nur hervorkramen, wenn sie eine Begründung brauchen, warum sie gerade lieber den Mund halten, als bei der Jagd nach Terroristen zu helfen. Immerhin lag die Fahndung nach dem NSU-Trio zeitlich mehrere Jahre nach der Verabschiedung der neuen Gesetze. Und auch die Prüfung des Antiterrorzentrums durch die Berliner Datenschützer 2015 dürfte dann kaum von einer so bedeutungslosen Verwaltungsnorm berührt sein.

Und es bleibt die Frage: Wenn die Zusammenarbeitsrichtlinie seit 1990 nicht mehr angewendet wird, warum wird dann offiziellen Stellen 2015 und 2016 die Auskunft danach verweigert? "Die Frage der Einstufung der Richtlinie als Verschlusssache - nur für den Dienstgebrauch (VS-NfD) wird derzeit überprüft", so das Innenministerium. Im Behördendeutsch heißt das wohl so viel wie: sorry.

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 Geheimhaltung: Geheim, wenn es der Regierung passtWortlaut der Geheimhaltungsrichtlinie 
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Zensurfeind 08. Sep 2016

Somit kann die Regierung Oppositionelle, Querulanten und Whistleblower oder wen auch...

Qbit42 08. Sep 2016

Nicht ganz. Sie haben zwar die USA darüber informiert, aber es kamen ziemlich schnell...

plutoniumsulfat 08. Sep 2016

Solche Wähler kommen doch immer wieder. Selbst 20-Jährige hört man doch sagen, dass sie...

plutoniumsulfat 08. Sep 2016

Wo werden denn Schulden abgebaut? Guter Witz :D



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