Geheimdienstchefs im Bundestag: Aus dem Werkzeugkasten des Grauens

Erstmals müssen alle Chefs der deutschen Nachrichtendienste öffentlich dem Bundestag Rede und Antwort stehen. Sie nutzten die Gelegenheit weidlich, um ihre Überwachungswünsche loszuwerden.

Ein Bericht von veröffentlicht am
Großer Andrang im Bundestag beim Auftritt der drei Geheimdienstchefs
Großer Andrang im Bundestag beim Auftritt der drei Geheimdienstchefs (Bild: Friedhelm Greis/Golem.de)

Drei auf einen Streich: Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik haben die Präsidenten von Bundesnachrichtendienst (BND), Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und Militärischem Abschirmdienst (MAD) am Donnerstag gleichzeitig und öffentlich im Bundestag Rechenschaft über die Arbeit ihrer Behörden ablegen müssen. Während das sogenannte Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) die Geheimdienstchefs sonst in geheimer Sitzung befragt, wurde die Anhörung diesmal sogar im Internet live übertragen. Das Format habe sich "absolut bewährt", sagte anschließend der PKGr-Vorsitzende Clemens Binninger (CDU). Sein Stellvertreter André Hahn (Linke) sieht allerdings noch "viel Luft nach oben".

Inhalt:
  1. Geheimdienstchefs im Bundestag: Aus dem Werkzeugkasten des Grauens
  2. Sicherheitstechnik-Cluster in München
  3. Warum die Bundestagswahl nicht gehackt wurde

Nur drei Stunden hatten die acht Abgeordneten, um ihre Fragen an Bruno Kahl vom BND, Hans-Georg Maaßen vom Verfassungsschutz und Christof Gramm vom MAD loszuwerden. Verglichen mit den stundenlangen Befragungen der Geheimdienstchefs im NSA-Ausschuss blieb somit jedem Abgeordneten nur wenig Zeit. Zudem konnte es um sämtliche Aspekte der Nachrichtendienste gehen: die Kooperation mit anderen Diensten, Terrorismusbekämpfung, Rechtsextremismus in der Bundeswehr, V-Leute beim Verfassungsschutz. Das Thema Cybersicherheit betraf hingegen alle Dienste gleichermaßen. Wie auch die Frage, welche Befugnisse bei der Kommunikationsüberwachung noch ausgebaut werden könnten.

Maaßen will Zugriff auf Whatsapp und Telegram

Wie kaum anders zu erwarten, legte sich vor allem Verfassungsschutzpräsident Maaßen bei diesem Thema wenig Zurückhaltung auf. "Wir brauchen einen vollen Werkzeugkasten", hatte er bereits in seinem Eingangsstatement gesagt. Mit Blick auf die beiden Messengerdienste, die von Terroristen häufig genutzt würden, ergänzte er später: "Wir hätten gerne Zugang zu Whatsapp und Telegram." Zuvor hatte er bereits beklagt, dass in Deutschland die Strafverfolgung Vorrang vor der Gefahrenabwehr habe. In diesem Zusammenhang wünschte er sich, die sogenannten Gefährder besser überwachen zu können.

So würde er gerne wissen: "Wer schaut sich in Deutschland gerade Enthauptungsvideos an?" Daher würde er gerne die IP-Adressen aller entsprechenden Nutzer erfahren, um sehen zu können, ob sich darunter ein registrierter Gefährder befinde. Denn solche Videos würden oft angeschaut, bevor sich ein Islamist radikalisiere und eine Gewalttat ausübe. Wie eine solche Überwachung umgesetzt werden soll, ist aber unklar. Solche Videos müssten dann als eine Art Honeypot dienen, um an IP-Adressen zu kommen. Inhalteanbieter und Provider müssten die Daten dann in Echtzeit an die Behörden weitergeben, damit Anschläge noch verhindert werden können. Ein sehr merkwürdiges Vorgehen.

Weiterhin sollte den Geheimdiensten die gesamte Telekommunikation in die syrische IS-Hochburg Raqqa zur Verfügung gestellt werden, forderte Maaßen. Journalisten könne man "vielleicht rausnehmen".

Kahl fordert BND-Trojaner bei G10-Fällen

Auch BND-Chef Kahl würde gerne einen Trojaner einsetzen, um die Kommunikation verdächtiger deutscher Staatsbürger im Ausland überwachen zu können. Da gebe es noch eine Gesetzeslücke, "das müssen wir noch glattziehen", wie das beim Bundeskriminalamt (BKA) bereits geschehen sei. Zwar dürfe der BND auch solche Personen laut G10-Gesetz überwachen, doch die Verschlüsselung könne nicht so einfach umgangen werden.

Etwas tückisch für die Geheimdienstchefs waren dabei die Fragen des CDU-Abgeordneten Armin Schuster. Dieser wollte beispielsweise gerne wissen, ob es nicht eine einzige Behörde in Deutschland geben sollte, um "Cyberfähigkeiten zentral vorzuhalten". Damit könne schließlich vermieden werden, dass bestimmte Überwachungstools gleich mehrfach entwickelt würden. Da in Deutschland die Arbeit von Geheimdiensten und Polizei bekanntlich getrennt werden muss, ein vermintes Gelände.

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Sicherheitstechnik-Cluster in München 
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bombinho 22. Okt 2017

Letztlich schreiben wir das Gros der heutigen Terroristen oelexportierenden Laendern zu...

bombinho 22. Okt 2017

82Mio. potentielle Terroristen alleine in Deutschland nennst du laecherlich? ;)

User_x 06. Okt 2017

dann regnet es halt und er steht wenn er denn einen Regenschirm dabei hat, zumindest im...

plutoniumsulfat 06. Okt 2017

Hab ich was verpasst?



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