Strom: Durch kalte Leitungen fließt mehr Strom
Oft muss mehr Strom transportiert werden, als durch Freileitungen fließen darf. Durch eine bessere Überwachung der Leitungen soll sich das ändern.

Wieviel Strom durch Überlandleitungen fließen darf, ist von der Außentemperatur abhängig – und von einer Norm. Die definiert die Maximaltemperatur anhand derer die Netzbetreiber die Übertragungskapazitäten berechnen. Das Problem: Die in der Norm festgelegte Temperatur ist viel zu hoch.
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- Diverse Pilotsysteme sind in Deutschland im Einsatz
Laut DIN EN 50342 ist es in Deutschland das ganze Jahr über sommerlich heiß. Tatsächlich wird es an nur wenigen Tagen so warm, wie die Norm angibt, nämlich 35 Grad Celsius. Die bundesweite Mitteltemperatur lag 2021 bei 9,2 Grad. Orientierte man sich am tatsächlichen Wetter, könnte viel mehr Strom durch die Leitungen fließen. Denn besonders an kalten, windigen Tagen, an denen viel Windstrom durch die Drähte fließt, werden die Leitungen gleichzeitig vom Wind gekühlt.
Eine Reihe gesetzlicher Anforderungen hat den sogenannten witterungsabhängigen Freileitungsbetrieb (WAFB) in der Vergangenheit begrenzt. Trotzdem haben Übertragungsnetzbetreiber den kühlenden Wind testweise genutzt, um ihre Kapazitäten zu erhöhen. Am besten geeignet sind Leitungen, die quer zur Hauptwindrichtung verlaufen. Idealerweise weht der Wind in Norddeutschland meist aus Westen, während die Stromtrassen oft in Nord-Süd-Richtung verlaufen.
Dieses Potenzial wird nun gehoben: Eine Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes macht es möglich, vorerst bis zum 31. März 2024. Die vier Übertragungsnetzbetreiber 50 Hertz Transmission, Amarion, Tennet TSP und Transnet BW bereiten den Turbo für die Trasse vor. Durch die höhere Auslastung könnten Netzengpässe und teure Eingriffe ins Stromnetz vermieden werden. Experten schätzen, dass ein bis zwei Gigawatt an zusätzlicher Übertragungskapazität gewonnen werden können. Eine Höherauslastung von durchschnittlich mehr als 20 Prozent sei drin.
Heiße Drähte können dem Boden zu nah kommen
"Mit dem witterungsabhängigen Freileitungsbetrieb werden wir kurzfristig zahlreiche Leitungen höher auslasten und so das Stromsystem stärken. Der WAFB dient zudem der besseren Integration erneuerbarer Energien, ein Plus für die Energiewende", sagt Tim Meyerjürgens, der das operative Geschäft von Tennet leitet. Von seinen rund 13.500 Kilometern Höchstspannungsnetz könne Tennet bis zum Winter 2023/24 mehr als die Hälfte, etwa 7.700 Kilometer, über das Freileitungsmonitoring betreiben und sie so höher auslasten, erklärt Meyerjürgens.
DIN EN 50342 hat dennoch ihre Berechtigung. Denn je höher die Umgebungstemperatur ist und je mehr Strom fließt, desto heißer werden die Drähte und desto stärker dehnen sie sich aus. In der Folge hängen die Leitungen durch und können der Erde gefährlich nahe kommen, im Extremfall drohen Brände. So weit darf es natürlich nicht kommen. Deshalb muss ein Mindestabstand von acht Metern eingehalten werden.
Der witterungsabhängige Freileitungsbetrieb folgt derweil dem Nova-Prinzip: Netzoptimierung vor Verstärkung vor Ausbau. Es geht darum, das Netz, das schon da ist, bestmöglich auszunutzen, und zwar bevor es verstärkt wird oder gar Neubau braucht.
Dazu holen die Betreiber etwa Daten nahegelegener Wetterstationen ein und errechnen die aktuellen Bedingungen an den Stromleitungen. Fachleute sprechen dabei von indirektem Monitoring. Um die bestehenden Freileitungen noch genauer auszulasten, braucht es direktes Monitoring der Parameter, um jeden Leitungsabschnitt an seine Lastzustände anzupassen.
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Diverse Pilotsysteme sind in Deutschland im Einsatz |
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Der beste Wert liegt irgendwo in der Mitte. Mehr Trassen und mehr Speicher. Wobei man...
Da reden wir dann aber auch eher von Sommertagen, in denen es vorrangig Strom aus PV...
Deutschland war schon frueher (also seit 1949) eine Demokratie und Rechtsstaat und...
Moderne Freileitungen bestehen aus einem Stahlkern mit verdrillten Aluminiumleitern...
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