Foto-Morphing: Regierung verteidigt Passbildterminals in Ämtern

Die Bundesregierung hat ihre Pläne zur Einführung von Passbildterminals in Pass- und Meldebehörden verteidigt. Der Gesetzgeber könne die technische Entwicklung der Digitalisierung des Fotohandwerks nicht dadurch aufhalten, "dass er für die Passbeantragung an der überholten und als bürokratisch empfundenen Vorlage eines analogen Lichtbildes festhält" , sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums auf Anfrage von Golem.de. Zudem müsse der Gesetzgeber "der Entwicklung auch bei der Sicherheit von Ausweis- und Passdokumenten Rechnung tragen" . Der Einzelhandel hatte die Pläne zuvor kritisiert und vor hohen Umsatzverlusten bei Fotostudios gewarnt.
Nach dem Willen der Bundesregierung sollen biometrische Fotos für Reisepass und Personalausweis nur noch bei der zuständigen Behörde aufgenommen werden. Das Lichtbild sei "in Gegenwart eines Mitarbeiters" aufzunehmen und "elektronisch zu erfassen" , heißt es in dem Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Sicherheit im Pass- und Ausweiswesen, der Golem.de vorliegt. Hintergrund des Gesetzes sind Verfahren (Morphing), mit denen Passfotos so manipuliert werden können, dass mehrere Personen den Ausweis nutzen können.
So bietet das Künstlerkollektiv Peng seit September 2018 auf der Internetseite Mask.id(öffnet im neuen Fenster) die Möglichkeit an, selbst ein Foto hochzuladen und mit einem anderen zu fusionieren. Nach Angaben von Peng war es auf diese Weise gelungen, bei der Bundesdruckerei einen Reisepass ausstellen zu lassen, der ein Foto der damaligen EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini und einer Peng-Aktivistin vereinigte. Das Kollektiv hatte als Kunstaktion zudem angekündigt, mit Hilfe der Technik Flüchtlingen bei der Einreise nach Europa zu helfen.
11.000 Selbstbedienungsterminals geplant
Durch das Morphing sei die Funktion des Passes als Dokument zur Identitätskontrolle im Kern bedroht, heißt es in der Gesetzesbegründung. "Die bisherige Praxis, nach der Passbewerber privat erstellte Lichtbilder einreichen, ist daher nicht mehr zukunftstauglich. Manipulationen bei der Passbeantragung und anschließende unerlaubte Grenzübertritte werden künftig dadurch ausgeschlossen, dass das Passbild vor Ort unter Aufsicht der Passbehörde aufgenommen und in digitaler Form unmittelbar in den Produktionsprozess des Passes eingespeist wird."

Nach Einschätzung der Bundesregierung sollen die rund 5.500 Pass- und Ausweisbehörden insgesamt 11.000 Selbstbedienungsterminals erhalten. Dafür werden in den ersten fünf Jahren, einschließlich Pflege und Support der Geräte, Kosten in Höhe von 177 Millionen Euro veranschlagt. Anschließend falle "für Bereitstellung, Wartung und Pflege der Selbstbedienungsterminals ein jährlicher Erfüllungsaufwand von rund 12 Millionen Euro an" . In den ersten fünf Jahren sollen durch zusätzliche Gebühren in Höhe von 4 bis 6 Euro pro Ausweis die Kosten von den Bürgern getragen werden.
Das wäre zumindest günstiger und weniger zeitaufwendig als Passfotos vom Fotohändler oder aus dem Automaten.
Fotohändler fürchten hohe Einbußen
Würden die Pläne in dieser Form umgesetzt, dürften Aufnahmen von Fotohändlern oder Passbildstationen nicht mehr genutzt werden. Daher kritisiert der Bundesverband Technik des Einzelhandels (BVT) den Entwurf scharf. Die Pläne seien "für viele kleine und mittelständische Unternehmen existenzbedrohend" , heißt es in einer Pressemitteilung von Mitte Dezember 2019 (PDF)(öffnet im neuen Fenster) . "Das geplante Passgesetz vernichtet Arbeitsplätze. Eine Verstaatlichung des Passbildgeschäftes wäre für jeden Foto-Fachhändler und seine Mitarbeiter ein Schlag ins Gesicht" , sagte BVT-Vorstand Rainer T. Schorcht.
Um die Umsatzeinbußen zu verhindern, wollen die Fotohändler gemeinsam mit den Herstellern von Passbildstationen und dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) ein Konzept entwickeln, das eine "sichere, bruchfreie und einfache Bildübertragung an die Passbildämter" ermögliche. Damit werde der "Passbildmacher auf Beamtenebene überflüssig und jede Menge Steuergeld gespart" , heißt es. Letzteres dürfte jedoch nicht zutreffen, da die zusätzlichen Kosten durch höhere Passgebühren eingenommen werden sollen.
Höhere Bildqualität
Nach Ansicht des Innenministeriums hat die Einführung der Passbildterminals noch weitere Vorteile. "Indem das Lichtbild bei der Beantragung unmittelbar digital erzeugt wird, entfällt künftig das aufwändige manuelle Einscannen jedes Passbilds. Diese Digitalisierungsmaßnahme trägt dazu bei, dass die deutschen Personalausweis-/Reisepassgebühren auch künftig auf einem im internationalen Vergleich niedrigen Niveau gehalten werden können" , sagte ein Sprecher. Zudem entfalle künftig das derzeit vielfach noch erforderliche separate Beschaffen von aktuellen Passbildern, "was ebenfalls bürgerfreundlich ist" . Darüber hinaus werde die Qualität der Fotos verbessert, "da das Einscannen von Passbildern im Bürgeramt und das erneute Ausdrucken beim Ausweishersteller grundsätzlich zu Qualitätseinbußen beim Lichtbild führt" .
Zudem soll das neue Verfahren sicherstellen, dass deutsche Staatsangehörige mit ihren Reisepässen weiterhin in die meisten Staaten weltweit visafrei einreisen können. Dem Sprecher zufolge empfiehlt darüber hinaus die EU-Verordnung 2019/1157 dieses Vorgehen für alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Doch darin heißt es lediglich, dass die Mitgliedstaaten "erwägen" könnten, "biometrische Identifikatoren, insbesondere das Gesichtsbild, durch die nationalen Behörden, die Personalausweise ausstellen, vor Ort erfassen zu lassen" .
Für die geplante Regelung ist eine Übergangsfrist von zwei Jahren vorgesehen. Demnach dürften die neuen Fototerminals nicht vor Mitte 2022 aufgestellt und genutzt werden. Bis zum 28. Januar 2020 können Verbände noch eine Stellungnahme abgeben.
Nachtrag vom 8. Januar 2020, 14:07 Uhr
Das Bundesinnenministerium lehnte auf Nachfrage von Golem.de eine Übertragung der Bilddaten von Fotografen an die Pass- und Meldebehörden nicht grundsätzlich ab. "Zur Möglichkeit einer Zertifizierung von Fotografen müssten die Länder den zusätzlichen Verwaltungsaufwand leisten und insbesondere auch sichere elektronische Übermittlungsmöglichkeiten anbieten, damit die nicht mehr zeitgemäßen Medienbrüche sowie die Qualitätseinbußen bei der Bilderübermittlung vermieden werden können" , sagte ein Sprecher. Die Ergebnisse der Länderbeteiligung zum Gesetzentwurf sollten insoweit abgewartet werden. Inwieweit und unter welchen Voraussetzungen von dieser Lösung ein signifikanter Sicherheitsgewinn zu erwarten sei, sei ebenfalls zu diskutieren.
Nachtrag vom 8. Januar 2020, 16:50 Uhr
Laut Bundesinnenministerium hat sich inzwischen ergeben, dass die zusätzlichen Kosten durch die Fotoaufnahmen in den Ämtern bei 4 bis 6 Euro pro Pass oder Personalausweis liegen sollen. Wir haben die Zahlen im vorletzten Absatz der ersten Seite korrigiert.
Nachtrag vom 9. Januar 2020, 12:06 Uhr
Wir haben im dritten Absatz präzisiert, dass Peng die Hilfe für Flüchtlinge lediglich als Kunstaktion angekündigt hatte, dies jedoch nicht umgesetzt wurde. Das erläuterte das Kollektiv auf dem Chaos Commmunication Congress (36C3) in Leipzig ( Video ab 31:16(öffnet im neuen Fenster) ).



