Sollte man überhaupt von Handysucht sprechen?
Zeit Online: Auch wegen ihrer plärrenden Gestaltung werden manche Apps längst mit Spielautomaten verglichen, die so konzipiert sind, dass Menschen kaum von ihnen loskommen. Warum fällt es vielen dennoch schwer, von Handyabhängigkeit zu sprechen? Weil die möglichen Konsequenzen für Betroffene nicht so dramatisch erscheinen? Im Gegensatz zu Spielsüchtigen verlieren die kein Geld, sondern bloß Zeit.
Levy: Das mag so sein. Doch zunächst muss ich noch mal ausdrücklich erwähnen, dass in der Wissenschaft nach wie vor kontrovers darüber debattiert wird, wann man von Sucht sprechen kann. Es gibt seit langem die Diskussion, dass man zwischen substanzabhängigen und substanzunabhängigen Abhängigkeiten unterscheidet. Unstrittig ist: Alkohol und bestimmte Drogen können zu Veränderungen des Gehirns führen, die es Betroffenen schwer machen, diese Stoffe in Maßen zu konsumieren oder ganz zu verzichten. Ob man aber etwa im Falle von Sexsucht oder Essstörungen im klinischen Sinne von Abhängigkeit reden kann, ist weiterhin umstritten. Spielsucht hingegen ist als Krankheitsbild weitgehend akzeptiert. Die Wissenschaftsgemeinde wird nun für sich die Frage beantworten müssen: Ist die Tatsache, dass manche Menschen ihr Smartphone kaum weglegen können, als Suchtverhalten zu werten? Ich gehe davon aus, dass dies am Ende bejaht werden wird.
Zeit Online: Können die Tools, mit denen Nutzerinnen und Nutzer von iPhones oder Android-Geräten ihre Smartphone-Nutzung kontrollieren können, hier wirklich gegensteuern?
Levy: Nun, solche self-monitoring tools gibt es schon lange. Ob sie wirklich nützlich sind, hängt von ihrer Funktionalität ab, aber auch von der Fähigkeit und dem Willen der Nutzer, diese Features nicht nur anzuschalten, sondern auch von ihnen zu lernen. Es ist gut, dass es diese Werkzeuge gibt, doch sie allein stellen keine Lösung dar. Es liegt an einem selbst, sein Verhalten zu ändern.
Tausche Smartphone gegen Leben
Zeit Online: Auch Instagram will bald ein ähnliches Tool in seine App einbetten. Andererseits hat die Plattform mit IGTV gerade einen neuen Kanal gestartet, in den Nutzer bis zu 60 Minuten lange Videos posten können. Ist es also müßig, auf ein Einsehen von Social-Media-Firmen zu hoffen, solange deren Geschäftsmodell darin besteht, Nutzerinnen und Nutzer lange in ihren Apps zu halten, um ihnen möglichst viel Werbung zu zeigen?
Levy: Das ist eine interessante Frage, auf die ich keine Antwort habe. Denn ich weiß nicht, ob es diesen Unternehmen möglich ist, ihren Hunger nach Profit zu zähmen oder sich ein neues Geschäftsmodell auszudenken. Die gute Nachricht - und ich möchte wirklich nicht zynisch klingen - ist, dass genau darüber nun gesprochen wird und sich auch Tech-Leute diese Frage stellen. Das letzte Kapitel meines Buches heißt A Broader and Deeper Conversation ("Ein breiter angelegtes und tiefergehendes Gespräch", Anm. d. Red.), und genau das sollten wir gesellschaftlich führen. Wir sollten uns nicht länger nur über die neuesten Features des iPhones begeistern oder darüber, was man alles Tolles mit seinem Telefon anstellen kann. Stattdessen sollten wir uns fragen: Was macht ein erfülltes Leben aus? Technische Geräte können uns in mancher Hinsicht dabei helfen, ein solches zu führen. Sie können uns aber auch daran hindern.
Oder nutzen Sie das Golem-pur-Angebot
und lesen Golem.de
- ohne Werbung
- mit ausgeschaltetem Javascript
- mit RSS-Volltext-Feed
Forscher zur Smartphone-Nutzung: "Erstmals geben Tech-Leute zu: Wir haben ein echtes Problem" | Wer offline geht, verliert womöglich Freunde |
Vor allem dieser verdammte Taskwechsler hat es in sich. Eben noch will man vom SSH-Client...
Hast du oder brauchst du ein Smartphone und hast du oder brauchst du Alk? Nur für...
das nennt sich Medienkompetenz. Natürlich muss man lernen mit neuen Sachen umzugehen...
Wenn Menschen ihr Leben mehr in Bildern, Videos und Sprachnachrichten durch Linsen/Mikros...