Zum Hauptinhalt Zur Navigation

Ford Mustang Mach-E: Eher Traber als Galopper

Fords erstes Elektroauto ist eine Reminiszenz an das Kultauto der 1960er. Der neue Mustang ist ein ganz anderes Auto - Spaß macht es trotzdem.
/ Werner Pluta
72 Kommentare News folgen (öffnet im neuen Fenster)
Ford Mustang Mach-E: zahm, aktiv oder temperamentvoll (Bild: Werner Pluta/Golem.de)
Ford Mustang Mach-E: zahm, aktiv oder temperamentvoll Bild: Werner Pluta/Golem.de

Ford hat sich lange Zeit gelassen mit dem Einstieg in die Elektromobilität. Erst Ende 2019 stellte der US-Konzern sein erstes Elektroauto vor: den Mustang Mach-E .

V8-Motor, blubbernder Sound und Steve McQueen in San Francisco(öffnet im neuen Fenster) - der Mustang ist ein Kultauto. Auf der einen Seite ist es verständlich, dass ein Hersteller daran anknüpfen möchte. Auf der anderen Seite werden Erwartungen geweckt. Was, wenn das Auto sie nicht erfüllt?

Zunächst: Der Mustang Mach-E ist eher der Nachfolger des Mustang VI, der aktuellen Verbrennergeneration, die seit 2014 als eine moderne Interpretation des 60er-Jahre-Mustang gebaut wird. Die Frontpartie und die Heckpartie mit den Rücklichtern erinnern eher an das moderne Modell. Allerdings ist der Mach-E höher und ähnelt darin einem Model Y von Tesla oder dem ID.4 von Volkswagen. Die Form der Motorhaube und die breiten Schultern über den Hinterrädern hingegen sehen nach dem Original aus.

Ford nutzt Pferdemetaphern

Das gilt natürlich erst recht für das galoppierende Pferd an der Front und auf dem Lenkrad. Ohnehin - Verzeihung für den Kalauer! - reitet Ford auf der Pferdemetapher herum: Nach Einbruch der Dunkelheit wird das Pferd auf den Boden projiziert. Beim Start erscheint es auf der Instrumententafel. Die Fahrmodi, die anderswo Eco, Komfort oder Sport heißen, bezeichnet Ford als zahm, aktiv oder temperamentvoll.

Mustang Mach-E Probe gefahren
Mustang Mach-E Probe gefahren (02:45)

Wegen des Mustang-Logos erhielt die - für damalige US-Verhältnisse - eher kleine Fahrzeugklasse den Spitznamen Pony-Car(öffnet im neuen Fenster) . Das trifft für den neuen Mustang nicht zu: Mit seinen 4,71 Metern Länge und einem Radstand von knapp 3 Metern ist er schon ein ausgewachsenes Ross. Entsprechend großzügig ist das Platzangebot innen. Auf der Sitzbank haben bequem drei Personen Platz - allerdings ist der Fußraum in der Mitte etwas knapp, weil dort eine eigene Lüftung für die Rückbank und zwei USB-Ladeanschlüsse herausstehen.

Der Kofferraum hinten hat ein Volumen von etwa 400 Litern, mit umgeklappten Sitzen sind es 1.420 Liter. Hinzu kommt noch ein Frunk, also ein Stauraum unter den Fronthaube. Allerdings verstaut Ford dort nicht die Ladekabel - die fanden wir in einem Fach unter dem Kofferraumboden. Nachteil des Platzangebots und des Radstandes ist der vergleichsweise große Wendekreis. Zusammen mit der langen Motorhaube kann das Rangieren auf engem Raum, etwa in einem engen Parkhaus, etwas schwierig werden. Die Rückfahrkamera und die Abstandssensoren sind da hilfreich.

Reklame

Elektromobilität: Grundlagen und Praxis

Jetzt bestellen bei Amazon (öffnet im neuen Fenster)

Ford bietet relativ wenig Auswahlmöglichkeiten an. Es gibt den Mustang mit Hinterrad- oder Allradantrieb sowie mit zwei verschiedenen Akkugrößen: Der Standardakku hat eine nutzbare Kapazität von 68 Kilowattstunden (brutto: 75,7), der große eine von 88 Kilowattstunden (brutto: 98,7). Der Antrieb ist beim großen Akku etwas stärker; der Hinterradantrieb leistet 198 bzw. 216 Kilowatt, der Allradantrieb 198 bzw. 258 Kilowatt.

Die Reichweite für unser Modell - kleiner Akku und Hinterradantrieb - gibt Ford mit 440 Kilometern an. Das wollen wir überprüfen: An einem strahlenden Sommertag starten wir mit dem Mustang von Hamburg aus Richtung Norden. Im Navi geben wir per Spracheingabe als Zielort Timmendorfer Strand ein - wir wollen nicht nur den Mustang ausfahren, sondern uns auch anschauen, wie die Ladesituation in den bekannten Küstenorten an der Ostsee aussieht.

Den Akku haben wir zuvor voll geladen - die maximale Ladeleistung von 150 Kilowatt haben wir auch bei einem Ladestand von unter 30 Prozent nicht erreicht.

Der volle Akku erweist sich als gute Entscheidung.

Assistenzsysteme und Türen mit Touchpad

Der Fahrregler auf der Mittelkonsole wird auf Drive gedreht und die Fahrt kann losgehen. Es ist ein Sonntag mitten in der Ferienzeit. Die A1 Richtung Lübeck ist gut frequentiert. Temperamentvoll zieht der Mustang im Verkehr mit. Das Fahrzeug beschleunigt nicht wie ein Porsche oder ein Tesla. Es braucht schon knapp 7 Sekunden von 0 auf 100 km/h und bei 180 km/h ist auch Schluss. Der Mustang ist also eher ein Traber als ein Galopper.

Die erste Schnellladestation, die wir anfahren, ist der Rasthof Buddikate Ost. Als wir ankommen, sind alle Lader besetzt. Ein Mercedes EQE mit einer vierköpfigen Familie an Bord hat sich den letzten freien Ladeplatz geschnappt. Immerhin fragt der Fahrer: "Habe ich euch den Lader vor der Nase weggeschnappt?"

Kein Problem - wir wollten uns ja nur umsehen. Wir kommen kurz ins Gespräch: Die Familie ist unterwegs nach Heiligenhafen. Dort, so erzählt der Vater, haben sie ein Hotel gebucht, das Gästen, die mit dem Elektroauto anreisen, einen Abschlag auf den Zimmerpreis bietet.

Die Verkehrszeichenerkennung funktioniert

Weiter geht es Richtung Küste. Ob auf der Autobahn, auf der Landstraße oder im Touristenverkehr in den Küstenorten: Lenkassistent und Abstandsregeltempomat machen einen guten Job, bedient werden sie über Schalter links auf dem Lenkrad. Die Verkehrszeichenerkennung funktioniert praktisch fehlerfrei. Das Fahrzeug erkennt eine Geschwindigkeitsbegrenzung und bremst. Nach ihrem Ende beschleunigt es wieder bis zur vorher eingestellten oder bis zur erlaubten Höchstgeschwindigkeit.

Ford Mustang Mach-E (Herstellervideo)
Ford Mustang Mach-E (Herstellervideo) (01:05)

Einziger Kritikpunkt hier: Der Tempomat bremst spät, praktisch erst auf der Höhe der Geschwindigkeitsbegrenzung oder des Ortseingangs. Sich hier auf den Tempomat zu verlassen, kann bei einem Radargerät, das kurz hinter dem jeweiligen Schild aufgestellt ist, zu Ungemach führen.

Die meisten Funktionen werden über das große Display in der Mittelkonsole bedient. Interessant ist der physische Drehregler am unteren Rand. Auch sonst setzt Ford viel auf extravagante Bedienelemente: So haben die Türen keine Griffe. Geöffnet werden sie über eine Fernbedienung oder über einen Nummerncode, der mittels eines Touchpads eingegeben wird.

Reklame

Elektromobilität: Grundlagen und Praxis

Jetzt bestellen bei Amazon (öffnet im neuen Fenster)

Es ist inzwischen später Vormittag und wir erreichen Timmendorfer Strand, eines der bekanntesten Seebäder in der Region. Der Run auf den Strand hat eingesetzt, der auf die Lader auch. Einer nach dem anderen ist besetzt. Die am nächsten zum Strand liegenden zuerst, dann die weiter weg.

Ein halbes Dutzend Lader gibt es dort. Schnellladen ist aber Fehlanzeige. 22-Kilowatt-Lader werden geboten. Aber immerhin in Strandnähe. Die Ausstattung ist auch nicht üppig. Wir suchen einen der Parkplätze auf. Dort steht gerade mal eine Säule mit zwei Ladepunkten. Beide besetzt. Je nach Ladezustand beim Start und Anreisestrecke werden die Fahrzeuge wohl auch den Nachmittag über an den Ladern hängenbleiben.

Zum Glück ist unser Akku voll und wir können den Nachmittag am Strand genießen.

Verfügbarkeit und Fazit

Der Ford Mustang Mach-E ist bereits auf dem Markt. In den USA ist das Fahrzeug sehr erfolgreich: Das renommierte US-Verbrauchermagazin Consumer Reports (CR) hat das Auto in diesem Jahr zum EV Top Pick erkoren und es entwickelt sich zum Verkaufsschlager .

Das Einstiegsmodell, das bereits über eine Reihe von Assistenzsystemen verfügt, kostet 56.500 Euro. Diese Version hat uns Ford zum Testen zur Verfügung gestellt. Einziges Extra war die perlweiße Lackierung. Die Version mit dem größeren Akku gibt es für 62.950 Euro, die Einstiegsversion mit Allradantrieb für 62.250 Euro.

Fazit

Der Mustang Mach-E hat uns gut gefallen. Wer ein Pony-Car erwartet, wird möglicherweise enttäuscht: Der elektrische Mustang ist ein Sports Utility Vehicle (SUV), das eher dem Model Y von Tesla oder dem VW ID.4 ähnelt, wobei das Fahrzeug auch Anleihen an den ersten und vor allem den aktuellen Verbrenner-Mustang aufweist.

Mit seiner Größe von rund 4,7 Metern ist es manchmal etwas schwierig, in engen Parkhäusern zu navigieren oder in knappe Parklücken hineinzukommen. Dafür bietet das Fahrzeug viel Platz für Insassen und Gepäck.

Gut gefallen haben uns die Assistenzsysteme, vor allem die Verkehrszeichenerkennung. Der Limiter hilft, Geschwindigkeitsbegrenzungen auch innerorts einzuhalten. Unpraktisch ist, dass das System sehr spät bremst. Das könnte durch ein Softwareupdate geändert werden.

Ford gibt die Reichweite mit rund 440 Kilometern an. Bei unserer etwa 300 Kilometer langen Tour an die Küste hat sich die Angabe als realistisch erwiesen, wobei wir viel Landstraße und auf der Autobahn moderat gefahren sind. Damit ist das Fahrzeug durchaus alltagstauglich. Zum Rasen ist das Auto ohnehin nicht geeignet - Ford hat die Höchstgeschwindigkeit auf 180 km/h begrenzt.

Reklame

Elektromobilität: Grundlagen und Praxis

Jetzt bestellen bei Amazon (öffnet im neuen Fenster)

Laden ist nicht

Ach ja: Auf dem Weg zurück nach machen wir einen Abstecher nach Plön. Wie wäre es, beim Gang durch den Ort den Akku ein wenig zu füllen? Am Bahnhof, so zeigt es unsere App, gibt es einen Lader, der sogar frei ist. Warum, wird schnell klar.

Es gibt kein Lesegerät für eine Ladekarte. Wer laden will, soll einen QR-Code nutzen oder die Hotline des Betreibers anrufen. Also Smartphone raus und den QR-Code gescannt. Fehlanzeige: Die aufgerufene URL existiere nicht, meldet der Browser.

Dann also die Hotline? "Lieber Mobilitätskunde! Leider rufen Sie außerhalb unserer Geschäftszeiten an." Ein Glück, dass wir mit vollem Akku losgefahren sind - er hat genug Strom, um bequem nach Hamburg zurückzufahren.


Relevante Themen