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Filmsynchronisation mit Vubbing: Nur nichts Falsches sagen

Früher wurde einfach neu synchronisiert, wenn zu viele unanständige Worte in einem Film zu hören waren. Heute nutzt man Deepfake -Technologie.
/ Peter Osteried
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In dem Film Fall kam Vubbing zum Einsatz, denn nach Ansicht des Studios wurde von den Protagonistinnen in aussichtsloser Lage zu viel geflucht. (Bild: Lionsgate / Screenshot: Golem.de)
In dem Film Fall kam Vubbing zum Einsatz, denn nach Ansicht des Studios wurde von den Protagonistinnen in aussichtsloser Lage zu viel geflucht. Bild: Lionsgate / Screenshot: Golem.de

Mit Schimpfwörtern hat man im deutschen Filmbereich kein allzu großes Problem. Sie führen in der Regel auch nicht dazu, dass die FSK eine höhere Altersfreigabe erteilt, sie blickt da auf ganz andere Elemente eines Films. In den USA ist man aber deutlich puritanischer, und das nicht nur, was Nacktheit im Film betrifft, sondern auch Dialoge mit allerhand Kraftausdrücken. So etwas kann schnell in einem R-Rating enden - damit ist der Film erst ab 17 Jahren freigegeben.

Wenn große Kinofilme früher in den USA irgendwann ins Fernsehen kamen und es zu viele "Fucks" gab, als dass man den Film zur besten Sendezeit hätte ausstrahlen können, gingen Sender dazu über, die entsprechenden Dialogpassagen einfach neu einsprechen zu lassen. Übrigens nie von den wirklichen Schauspielern, die sich für so etwas viel zu schade waren. Darum kam es schon vor, dass Zuschauer mit gutem Gehör immer wieder eine andere Stimme wahrnahmen.

Man kann natürlich auch Szenen komplett neu drehen, aber das sprengt jeden finanziellen Rahmen - bei teuren Filmen sowieso. Kleinere wiederum können es sich gar nicht leisten, so wie die Produzenten des vor einigen Wochen in den USA gestarteten Films Fall(öffnet im neuen Fenster) . Es geht um zwei Freundinnen, die ihre Ängste überwinden und Grenzen ausloten wollen.

Darum besteigen sie einen 600 Meter hohen, verlassenen Funkturm, doch sie kommen nicht mehr nach unten, nachdem die Leiter wegbricht. Den Elementen ausgesetzt und ohne jedwede Vorräte kämpfen sie ums Überleben. Ja, die Handlung ist hanebüchen, aber darum geht es hier ja nicht.

Zu viele "Fucks"

Der Film wurde verschiedenen Studios vorgeführt. Die drei Millionen US-Dollar teure Produktion sah man durchaus als etwas an, mit dem ein großes Publikum erreicht werden könnte. Das Studio Lionsgate hatte jedoch ein Problem: Die Protagonistinnen fluchten zu viel - in ihrer Lage verständlich, im Kino hätte das aber zu einem R-Rating geführt.

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Lionsgate wollte auf ein PG-13-Rating abzielen, um auch jüngere Kinozuschauer zu erreichen, und bat die Filmemacher, die Menge an Schimpfworten zurückzufahren. Früher hätte das bedeutet, dass man entweder nachdreht, was sich diese Produktion nicht leisten konnte, oder eben nachsynchronisiert, aber das hätte man anhand der nicht zum Text passenden Mundbewegungen gemerkt.

Die heutige Technik macht aber vieles möglich. Das erkannte auch Co-Regisseur Scott Mann, der auch Co-CEO der Firma Flawless(öffnet im neuen Fenster) ist. Sie hat eine AI-Synchronisierungstechnik entwickelt, die darauf abzielt, bei der Lokalisierung ausländischer Produktionen die Synchronisation makelloser zu gestalten.

Wie Deepfake, nur mit Mundbewegungen

Die Firma wurde im Jahr 2021 gegründet. Mit ihrem Truesync-System werden dieselben Prinzipien wie bei Deepfake genutzt. Man verändert aber nicht ganze Gesichter, sondern nur die Mundbewegungen, damit diese dem alternativen Dialog entsprechen. Das soll die Zukunft der Synchronisation sein: Man kann dann nicht mehr anhand der Mundbewegungen sehen, dass der Schauspieler oder die Schauspielerin eigentlich in einer anderen Sprache gesprochen hat. Den Prozess nennt die Firma Vubbing.

Mann begriff aber auch, dass man Truesync nutzen konnte, um das Problem mit Fall zu lösen. Laut Variety hat das Team von Flawless mehr als 30 Kraftausdrücke abgeändert(öffnet im neuen Fenster) . Ein Beispiel: "Now we're stuck on this stupid freaking tower in the middle of freaking nowhere." In beiden Fällen war "freaking" der Ersatz für "fucking" .

Anstelle von aufwendigen Reshoots wurde in der Nachproduktion nur etwa zwei Wochen an der neuen Version gearbeitet. Die Schauspielerinnen sprachen ihren neuen Text ein, danach veränderte man anhand dieses Materials die Mundbewegungen im Film. Das funktionierte so sauber, dass Hauptdarstellerin Grace Caroline Currey erklärte(öffnet im neuen Fenster) : "Soweit ich das sehen kann, hat mein eigener Mund auch jede Bewegung gemacht, die man ihn im Film machen sieht."

Das bessere Rating

Nachdem reihenweise Kraftausdrücke entfernt worden waren, erhielt der Film auch das begehrte PG-13-Rating. Fall startete in den USA Mitte August, allzu erfolgreich war er aber nicht. Er stieg auf dem zehnten Platz der Charts ein und erwirtschaftete zwischenzeitlich einen Umsatz(öffnet im neuen Fenster) von gut sieben Millionen Dollar in den USA. Einen Starttermin für Deutschland gibt es noch nicht.

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Man könnte also sagen, der Aufwand hat sich nicht wirklich gelohnt. Viel spannender ist aber ohnehin die Frage, was dieser Film für die Zukunft der Synchronisation bedeutet, insbesondere in einem Land wie Deutschland, in dem im großen Stil ausländische Produktionen lokalisiert werden. Der Synchronstandard ist hierzulande hoch, könnte aber in der Zukunft mit dem Einsatz von Vubbing noch besser sein - weil man dann im Bild keinerlei Anhaltspunkt mehr hätte, dass die Schauspieler ihre Texte in einer anderen als der deutschen Sprache abgeliefert haben.

Momentan mag Vubbing noch zu teuer sein, aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch kleine Synchronstudios darauf setzen können. Vorreiter müssen aber natürlich die großen Filmfirmen sein.


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