Unterschiedliche Hardware, gleiches Spielerlebnis
Auf der Ebene der realen Welt im Film wirken sich fehlende erzählerische Details dagegen negativ aus. Zum einen erfahren wir nur im kurzen Intro ansatzweise, wie es in den maroden Strukturen überhaupt noch eine funktionierende Zivilisation, geschweige denn Strom und VR-Technik für jedermann geben kann. Zum anderen grübeln wir über die Tatsache, dass so gut wie jeder Spieler komplett unterschiedliche Hardware nutzt, um sich in der Oasis fortzubewegen. Manche tragen Ganzkörperanzüge mit Schmerzsimulation, andere sitzen in mechanischen Spezialstühlen, gehen auf Laufbändern oder spazieren mit Headset vor den Augen sozusagen blind mitten in der Echtwelt herum. Im virtuellen Raum erkennen wir aber keinerlei Unterschiede zwischen den Teilnehmern und ihrer sehr verschiedenen Hardware.
Das erste Date auf einer schwerelosen Tanzfläche, eine beeindruckend visualisierte Schnitzeljagd durch einen der bekanntesten Horrorfilme aller Zeiten, Massenschlachten im Player-vs.-Player-Gebiet Planet Doom - all das ist in der komplett am Computer generierten Oasis mit bunten CGI-Effekten so abwechslungsreich und rasant inszeniert, dass die öde Realität wie ein notwendiges Anhängsel wirkt, das im Drehbuch nicht genug ausgearbeitet wurde. Warum die Firma IOI mächtig genug ist, in der echten Welt Bombenanschläge zu verüben und mit Drohnen auf Menschenjagd zu gehen, ohne je dafür belangt zu werden, erklärt nur die Romanvorlage einigermaßen nachvollziehbar. Auch macht Ready Player One zu wenig aus der Thematik, dass sich Online-Avatare und die echten Menschen dahinter höchstwahrscheinlich nur selten gleichen. Außerhalb der Oasis agieren alle Hauptfiguren genauso mutig und mit der gleichen Beziehungsdynamik wie in der Spielwelt, als bestünde bis auf ein verändertes Äußeres wirklich überhaupt kein Unterschied zwischen virtuellem und realem Charakter.
Mottenkiste und Hollywood-Kitsch
Mit Vereinfachungen wie diesen sorgen Regisseur Steven Spielberg und Autor Ernest Cline dafür, dass Ready Player One seine interessantesten Ansätze als Science-Fiction-Vision einer nahen Zukunft ungenutzt lässt. Die Handlung folgt mit zunehmender Laufzeit immer mehr Klischees, wie sie gerade Spielberg schon zu oft in seinen Filmen wiederholt hat. Nicht, dass die Buchvorlage dies viel besser hinbekommen hätte, denn auch sie ist mehr nostalgische Nerd-Hommage als alles andere. Da sich der Film aber ohnehin viele erzählerische Freiheiten herausnimmt und die meisten Szenen zugunsten von Popcornkino-Action neu hinzufügt, wären komplexere Charakterzeichnungen und ein Hauch Technologiekritik als Abweichungen nicht verboten gewesen.
Auch fehlt uns eine Auseinandersetzung mit dem Widerspruch, dass eine komplett auf Nostalgie und bestehenden Marken aufgebaute Welt wie die Oasis eigentlich gar nicht bietet, was Hauptfigur Parzival uns Zuschauern in der Einleitung verspricht: einen Ort, an dem jeder sein kann, wer oder was er will. Alles, was wir im Film sehen, sind Versatzstücke eines vordiktierten Vergangenheitstrips, in dem sich die eigene Kreativität der Nutzer nirgendwo widerspiegelt. Ganz düster ausgedrückt ist die Oasis eine Mottenkiste, in der Popkultur längst nicht mehr lebt und atmet, um neuen Generationen Nährboden für eigene Ideen und Identitäten zu bieten. Dass Ready Player One diesen Gedanken als teurer Hollywoodfilm nur zu glorifizieren weiß, wundert uns in Zeiten ewiger Remakes und Sequels bekannter Kinoserien auf der großen Leinwand nicht im Geringsten.
Wir hätten gerne mitgespielt
Als universeller Videospielfilm betrachtet, vollgepackt mit Cameos und Games-Mechaniken, begeistert uns Ready Player One dennoch. Die Sci-Fi-Fantasy-Schlachtplatte mit unzähligen Lizenzen gefällt uns trotz mangelnder Tiefe viel besser als die direkten Adaptionen einzelner Spiele aus der Vergangenheit, wie etwa Tomb Raider oder Assassin's Creed. Die Schnitzeljagd quer durch virtuelle Welten schafft, was noch keinem anderen Genrevertreter als Unterhaltungsfilm gelungen ist: Games-Vorlagen im Kino Spiele bleiben zu lassen und dabei noch die Rolle der Spieler selbst, ja sogar Probleme der Branche mit deren immer aufdringlicher werdenden Geschäftsmodellen, als Kern seines Konflikts darzustellen. Charlie und die Schokoladenfabrik trifft hier auf Tron und Matrix. Nicht zuletzt der Soundtrack von Komponist Alan Silvestri (Zurück in die Zukunft) erzeugt bei dieser Mischung in den richtigen Momenten ein schönes Gefühl klassischen Hollywoodmärchens, immer dann, wenn nicht gerade 70er- oder 80er-Titel wie beispielsweise von den Bee Gees (Stayin' Alive) oder Prince (I Wanna Be Your Lover) im Hintergrund für Retrostimmung sorgen.
Ready Player One gelingt es darüber hinaus, unterschiedlichste Genres und Marken aus verschiedensten Medien visuell stimmig unter einen Hut zu bringen, ohne deren Wiedererkennbarkeit darunter leiden zu lassen. Spielberg und sein Team haben einen komplett computeranimierten Look kreiert, der anstelle von Fotorealismus die moderne Ästhetik hochwertiger Games einfängt und zusätzlich genauso gut als reines Kinofeuerwerk für Nicht-Gamer funktioniert. In vielen Szenen hätten wir uns gerne sofort ein VR-Headset übergezogen, um in der Oasis mitzumischen. Am liebsten aber mit dem Bonus-Feature, die weniger spannende Echtwelt ganz auszublenden und nach dem kitschigen Hollywood-Ende in neu generierten Welten ohne den totalen Retrowahn weiterspielen zu dürfen. Bessere Werbung hätte sich die VR-Industrie eigentlich nicht wünschen können.
Filmkritik Ready Player One: Der Videospielfilm mit Nostalgiemacke |
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Da es bisher noch niemand gesagt hat: Das Buch war besser! Der Film hat eigentlich nur am...
Was bitte soll mir deine Wall-of-Text sagen?
Ich war gestern in der 2D - Version im Kino. Vielleicht mal ein vernünftiges Kino aufsuchen.
Der Trailer hat mehr versprochen als der Film dann zeigte. Der Trailer war atmosphärisch...
Dass in Star Trek die Aliens wie Menschen aussehen, hat schlicht und einfach nur...
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