Fiktion mit wahrem Kern
Diese Konzentration auf eine ethische Thematik zu Lasten historischer Genauigkeit ist durchaus legitim, auch weil der Film auf diese Art rundum gelungen ist. Da Hidden Figures aber mit dem Ansatz beworben wird, die wahre Geschichte der drei Hauptpersonen zu zeigen, werden viele Zuschauer gar nicht ahnen, wie verzerrt deren Biografien und auch der Zustand der Nasa zu diesem Zeitpunkt wiedergegeben werden. Zumal Theodore Melfi weit über das hinaus geht, was wir an dramaturgischen Eingriffen von biografischen Verfilmungen gewohnt sind.
Dass die Hauptfiguren im echten Leben wohl auch gar keine besten Freundinnen waren, ist noch die kleinste Abweichung von den Tatsachen. Es lohnt in diesem Fall ganz besonders, die gleichnamige Buchvorlage Hidden Figures von Margot Lee Shetterly heranzuziehen. Sie ist mehr Faktensammlung und Erzählung von Zeitzeugen als fiktive Geschichte. Der Kinofilm ist keine direkte Umsetzung des Buches, das bei Drehbeginn noch gar nicht fertiggeschrieben war. Das Script zur Adaption entstand auf Basis von Shetterlys umfangreichen Recherchen und ihrer allerersten Kurzfassung. Schon vorher sind die Computerfrauen der Nasa nachträglich, wenn auch reichlich spät, in der Öffentlichkeit hervorgehoben worden. So erhielt Katherine Johnson 2015 die Presidential Medal of Freedom vom damaligen US-Präsidenten Barack Obama verliehen und im Mai 2016 wurde in Virginia die "Katherine G. Johnson Computational Research Facility" feierlich eröffnet. Mit Informationsvideos und der Website Women@Nasa liefert die Raumfahrtbehörde mittlerweile reichlich Hintergründe über die viel zu lange in den Geschichtsbüchern ausgelassenen "Computer in Röcken" aus Langley.
Stimmige Kulissen, ordentliche Weltraumszenen
Gute Filme über bedeutende Ereignisse der Raumfahrt gibt es - abgesehen von Dokumentationen - gar nicht so viele. Spontan fallen uns bloß Apollo 13 und Der Stoff aus dem die Helden sind ein. Hidden Figures repräsentiert einen ganz anderen Teil bisher noch nicht im Kino beleuchteter Nasa-Geschichte, dessen Wahrheit weniger von einer genauen Nacherzählung abhängt. Der Story-Anteil des Mercury-Programms selbst ist trotzdem immer noch groß genug, um Hidden Figures neben genannten Genrevertretern als vollwertigen Raumfahrtfilm einzuordnen.
Bei einem geschätzten Budget von 25 Millionen US-Dollar dürfen Zuschauer selbstverständlich nicht die ausgiebige Inszenierung eines Apollo 13 erwarten. Computeranimierte Szenen von Weltraumflügen und Satellitenstarts sehen ordentlich, jedoch nie wirklich realistisch aus. Für den Fortgang der Handlung erfüllen die wenigen CGI-Effekte alles in allem ihren Zweck.
Die 60er-Jahre-Nachbildungen von Nasa-Einrichtungen und anderen Orten überzeugen mit detailgetreuer Gestaltung umso mehr. Hier macht sich die enge Zusammenarbeit mit der US-Raumfahrtbehörde bemerkbar. Auf technische und mathematische Zusammenhänge geht der Film nur wenig ein, wenn, dann erschienen sie uns aber immerhin korrekt.
Starke Frauen, starke Besetzung
Begeistert sind wir von der starken Besetzung. Taraji P. Henson, Octavia Spencer und Janelle Monaé tragen in den Hauptrollen viel dazu bei, dass Hidden Figures ein Film mit Herz und Seele ist. Sie schaffen es, starke Frauenbilder auf der Leinwand zu zeigen, die auch in schweren Momenten ihren Stolz nicht verlieren und ihren kleingeistigen Gegenübern stets durch Intellekt und stoische Beharrlichkeit überlegen sind. Spencer hat dafür inzwischen sogar vollkommen verdient ihre zweite Oscar-Nomination erhalten.
Schmunzeln mussten wir des öfteren, weil Jim Parsons Figur im Film nicht nur optisch an seine Rolle als Dr. Sheldon Cooper in The Big Bang Theory erinnert, sondern auch durch sein ähnlich soziopathisches Verhalten auffällt.
Spaß statt erhobenem Zeigefinger
Die Botschaft des Films, dass Fortschritt für den Einzelnen meist auch Fortschritt für alle bedeutet, ist heute genauso wichtig wie sie damals beim Mercury-Programm war. Wir können nicht darauf vertrauen, dass die nächsten unerkannten Helden oder Heldinnen von alleine die Chance bekommen, ihren vielleicht entscheidenden Beitrag für eine bessere Zukunft zu leisten, ohne dass wir ihnen ungeachtet von Hautfarbe, Geschlecht oder Herkunft die Chance dazu geben. Dass diese Botschaft nicht moralinsauer, sondern leicht und heiter überbracht wird, macht Hidden Figures zu einem besonders empfehlenswerten Film.
Hidden Figures macht viel Spaß, auch wenn die zugrundeliegende Thematik das gar nicht erwarten lässt. Es geht hier nicht darum zu zeigen, wie ungerecht die Zeiten einmal waren, sondern wie gut es sich anfühlen kann, wenn Menschen in solchen Zeiten mit Intelligenz und unbeirrbarem Willen Veränderung bewirken.
Hidden Figures kommt am 2. Februar 2017 in die deutschen Kinos.
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Filmkritik Hidden Figures: Verneigung vor den Computern in Röcken |
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Glaub mir, hättest du Kinder, du würdest Mascha und der Bär kennen. Ist aber gut...
Nein das impliziert nur, dass man schon genügend Stilmittel in Aktion gesehen hat um zu...
Das Wort ist älter und hatte noch in den 60ern nicht unbedingt die heutige Bedeutung...
Ein uninteressanter Film mit "Witzszenen" wo Frauen von Männern diskriminiert werden und...