Fernwartung: Der Kundenansturm, der Teamviewer nicht gut getan hat
Wie schätzt man die weitere Geschäftsentwicklung ein, wenn die Kunden in der Pandemie plötzlich Panikkäufe machen? Das gelang bei Teamviewer nicht.

Im ersten Pandemiejahr, als alle ins Homeoffice gingen, war Teamviewer extrem gefragt. Die Firma, die Software für Fernwartung und Videokonferenzen entwickelt, stieg im Wert und gewann immer mehr Kunden. Dann kam 2021 - und das verlief völlig anders als erwartet. Es lief so anders, dass das Unternehmen eine Gewinnwarnung herausgeben musste und der Kurs um 63 Prozent sank, gemessen am Höchststand im Juli 2020 sogar um 70 Prozent.
Von diesem Rückschlag erholt sich Teamviewer erst langsam. In dieser Woche stellte der Softwareanbietet die neue Version der Augmented-Reality-Plattform Frontline vor, die Funktionen aus der Übernahme von Upskill und Viscopic integriert hat und mit Hologrammen arbeiten kann.
Zudem hatte die Firma andere gute Nachrichten: Auf Basis vorläufiger Geschäftszahlen gab sie bekannt, dass der operative Gewinn nun zumindest über der korrigierte Prognose liege.
Das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Teamviewer den Erfolg durch die Coronapandemie nicht gut verarbeitet hat. Im Oktober 2021, als der Kurs stark fiel, gab Vorstandschef Oliver Steil offen zu: "Der Kurs ist absolut enttäuschend. Uns sind einige hausgemachte Fehler unterlaufen." Doch welche waren das?
Offenbar hat sich Teamviewer bei der Nachfrage für das Jahr 2021 verkalkuliert. Während Steil im Herbst offen Probleme im Management einräumte, wollte Unternehmenssprecherin Martina Dier auf eine aktuelle Nachfrage von Golem.de Fehler nur in Anführungszeichen sehen. Dazu muss man sagen: Es passiert nicht selten, dass Presseteams selbstkritische Aussagen des Managements wieder einfangen möchten.
Dier schrieb uns über die Gründe für Fehlprognose, Teamviewer habe die Zahl der Beschäftigten binnen fünf Jahren verdreifacht. "Allein im Jahr 2020 haben wir knapp 500 neue Mitarbeiter hinzugewonnen. Viele der neuen Kollegen konnten wir unter den Pandemiebedingungen nicht so einarbeiten, wie wir uns das gewünscht hätten."
Homeoffice ließ die Kurse steigen
Dass Teamviewer überhaupt so viele Mitarbeiter eingestellt hat, lag an der enormen Nachfrage seiner Software im Jahr 2020. Offensichtlich war es für das Management nicht einfach, die künftige Nachfrage einzuschätzen, nachdem Unternehmen für ihre Beschäftigten im Homeoffice auf einmal wie verrückt Teamviewer bestellt hatten. Die Aktie des Anbieters wuchs in der Pandemie im Sommer 2020 auf immer neue Rekordwerte.
Vorstandschef Oliver Steil sagte in einem Interview mit der Börsenzeitung im November 2021: "Die Entwicklungen in 2021 haben wir zu Beginn des Jahres anders eingeschätzt, wobei unsere Prognose sogar niedriger war als die vieler Marktteilnehmer. Wir mussten versuchen, aus unserem Geschäft des vergangenen Jahres herauszulesen: Was ist eigentlich die normale Nachfrage, die wir erwarten können, und was ist der Covid-Effekt?"
Doch das gelang dem Vorstand offenbar nicht. Dennoch war das Unternehmen auch während der gesamten Zeit der Schwankungen immer sehr profitabel.
Im dritten und vierten Quartal 2020 habe es einen "deutlichen Vorzieheffekt" gegeben, so dass die Dynamik im Jahr 2021 stärker nachließ, als man sich das vorgestellt hatte. Nach der Vertragserneuerung nach dem ersten Jahr kam es "bei den Kunden häufig zu Anpassungen. Sie brauchten weniger Lizenzen als bisher oder erwarteten Preisnachlässe. Da hatte es unter dem Eindruck des Lockdowns in der Pandemie auch Panikkäufe gegeben", räumte Steil ein. "Das wurde dann geradegezogen." Mit "geradegezogen" umschrieb Steil, dass Lizenzen wieder gekündigt wurden.
Großkundengeschäft ohne Events nicht zu steigern
Auch die Neukundengewinnung war nicht einfach. Es wollte unter den Bedingungen der Pandemie nicht gelingen, das Großkundengeschäft ohne die Möglichkeit "persönlicher Treffen und Events" weiter stark voranzutreiben.
Privatnutzer erhalten Teamviewer mit Videokonferenzen, Dateitransfer und VPN in einer eingeschränkten Freeware-Version, für Firmenkunden gibt es eine kostenpflichtige Version, für die sogenannte Billings berechnet werden.
Am Kapitalmarkttag im November 2021 wurde von Teamviewer ein Maßnahmenprogramm präsentiert. Das Kernprodukt solle, erklärte Dier Golem.de, mit Hilfe "einiger Anpassungen insgesamt verbessert" werden, hieß es etwas schwammig. Die Forschung und Entwicklung außerhalb von Fokus-Produkten, zu denen Fernwartung, Remote Support und Augmented Reality gehören, wurde eingestellt. Zudem nahm man sich vor, die Performance des Webshops zu verbessern.
Operativer Gewinn wieder über den eigenen Prognosen
Auf Basis vorläufiger Geschäftszahlen konnte Teamviewer in der vorigen Woche also wieder positive Zahlen bekannt geben. Das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen für das Jahr 2021 soll zwischen 254 und 257 Millionen Euro liegen.
Die Billings-Umsätze stiegen im Gesamtjahr 2021 um 19 Prozent auf rund 548 Millionen Euro und trafen damit die Prognose. Die geprüften Jahreszahlen und einen neuen Ausblick will das Unternehmen am 2. Februar 2022 vorlegen.
Börsenexperten raten den Anlegern wieder, die Aktie zu halten. Ob das Management aus der zeitweilig überhitzten Nachfrage gelernt hat, wird sich in diesem Jahr zeigen.
Oder nutzen Sie das Golem-pur-Angebot
und lesen Golem.de
- ohne Werbung
- mit ausgeschaltetem Javascript
- mit RSS-Volltext-Feed
Vpn zu einem günstigen vps reicht doch schon kann sich jeder verbinden. Ich dachte wir...
Rdp oder vnc via vpn Alles andere setzt fremd server voraus und hat u.u Performance Problem
google "Linus tech tips teamviewer" and see the "THEY KEEP ASKING ME FOR MONEY" video
der Kurs ist heute schon wieder 4% gestiegen, die hätte ich gern mitgenommen. Ansonsten...