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Ferngesteuertes Fahren: Verordnung erlaubt Blindflug von 200 ms

Die Regierung macht den Weg für ferngesteuertes Fahren auf deutschen Straßen frei. Auch auf Autobahnen dürfen die Autos unterwegs sein.
/ Friedhelm Greis
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Die Regierung ermöglicht das ferngesteuerte Fahren von Autos. (Bild: BMW)
Die Regierung ermöglicht das ferngesteuerte Fahren von Autos. Bild: BMW

Die Bundesregierung regelt mit einer neuen Verordnung die Zulassung und Nutzung von ferngesteuerten Autos auf deutschen Straßen. Die Straßenverkehr-Fernlenk-Verordnung (StVFernLV) schreibt unter anderem vor, welche Latenzen bei der Kommunikation zwischen Fahrzeug und Leitstand eingehalten werden müssen. Wird dieser Wert überschritten, muss die Geschwindigkeit des Autos entsprechend reduziert werden. Die am 25. Juli 2025 im Bundesgesetzblatt veröffentlichte Verordnung(öffnet im neuen Fenster) soll am 1. Dezember 2025 in Kraft treten und für fünf Jahre gelten.

Verschiedene Anbieter sehen im ferngesteuerten Fahren eine Möglichkeit, die Hürden beim vollautonomen Fahren zu überwinden. Das estländische Unternehmen Elmo will beispielsweise einen Carsharing-Dienst anbieten , "bei dem die Kundschaft das Elektroauto direkt vor die Haustür geliefert bekommt, dann damit fährt und es zum Beispiel in einem Wald abstellen kann" . Firmen wie BMW und Valeo arbeiten an einem Service, bei dem Autos aus der Ferne auf einem Parkplatz manövriert werden .

Stabile Datenverbindung als Knackpunkt

Knackpunkt an solchen Angeboten ist die stabile und schnelle Datenverbindung. Bei einer Präsentation des Elmo-Konzeptes war das 4G-Netz überfordert, weil es eine Amokfahrt in Berlin gegeben hatte. Die erforderliche Übertragungsrate von 5 MBit/s wurde nicht mehr erreicht. Die Entwickler von BMW und Valeo gehen davon aus, dass bei den geringen Geschwindigkeiten in einem Parkhaus hohe Latenzzeiten von mehr als 100 Millisekunden kein Problem sind.

Die Datenübertragung ist der Verordnung zufolge "mit einem Fokus auf niedrige Latenzzeiten, hohe Verfügbarkeit, hohe Zuverlässigkeit, hohe Robustheit und niedrige Fehlerraten auszulegen" . Die "fernlenkende Person" muss sich dabei innerhalb Deutschlands befinden. Eine zulässige Höchstgeschwindigkeit wird nicht vorgeschrieben. Auch auf Autobahnen ist die Fernsteuerung erlaubt.

Auto-Fernsteuerung per 4G ausprobiert
Auto-Fernsteuerung per 4G ausprobiert (02:59)

Latenz von 200 ms

Laut den technischen Anforderungen an das Gesamtsystem ist eine Latenzzeit von 200 Millisekunden (ms) zwischen "der Aufnahme des Bildes bis zur vollständigen Darstellung auf dem Ausgabebildschirm des Leitstands" (Glas-zu-Glas-Latenz) und der Übertragung des Steuerbefehls zum Auto (Steuerbefehl-Latenz) zulässig. Das Gleiche gilt für Audiosignale. Für andere Signale, wie Warnhinweise des Fahrzeugs, beträgt die Latenz ebenfalls 200 ms. VR-Brillen dürfen genutzt werden.

Dem Fernlenker müssen im Leitstand permanent bestimmte Daten angezeigt werden, um Risiken zu minimieren. Dazu zählen

"a) der Anhalteweg, als Summe des abgeschätzten Reaktionswegs, des abgeschätzten Bremswegs und des durch die Summe aus der Steuerbefehl-Latenz und der Glas-to-Glas-Latenz entstehenden Fahrtverzugs,

b) die Fahrspur und die Trajektorie des ferngelenkten Kraftfahrzeugs,

c) die aktuell gemessene Summe aus Glas-zu-Glas-Latenz und Steuerbefehl-Latenz."

Werden die 200 ms überschritten, muss die Geschwindigkeit angepasst werden.

Fahrtverzug soll gleich bleiben

Fährt das Auto beispielsweise 80 km/h bei einer Latenz von 250 ms, soll die Geschwindigkeit auf 64 km/h reduziert werden. Auf diese Weise bleibe der Fahrtverzug, also die in der Latenzzeit zurückgelegte Strecke, unverändert bei 4,44 m. Eine maximale Latenz wird nicht genannt.

Problematisch bei der Nutzung ist vor allem ein Abbruch der Netzverbindung oder der Ausfall eines relevanten Systems. Wenn das Auto dies erkennt, muss "es in der Lage sein, selbstständig und ohne andere Verkehrsteilnehmende zu gefährden, einen risikominimalen Zustand zu erreichen" . Das bedeutet in der Regel, dass das Auto mit Warnblinker auf seiner Fahrspur zum Stillstand kommt.

Darüber hinaus muss das Auto über einen Notbremsassistenten und, bei Nutzung der Autobahn, über einen Spurhalteassistenten verfügen. Sowohl Passagiere als auch Fernlenker müssen per Not-Aus-Schalter in der Lage sein, die Fahrt zu stoppen und einen risikominimalen Zustand herbeizuführen.

Nur ein Auto pro Fernlenker

Der Fernlenker muss mindestens 21 Jahre alt sein und seit mindestens drei Jahren einen Führerschein besitzen. Er darf gleichzeitig kein anderes Auto steuern. Vor Aufnahme der Tätigkeit muss er zudem "an einer Schulung zum Nachweis des sicheren, verantwortungsvollen und umweltbewussten Führens dieses ferngelenkten Kraftfahrzeugs durch den Halter teilgenommen" haben. Wer mehr als drei Punkte im Fahreignungsregister des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) angesammelt hat, gilt "unwiderleglich" als ungeeignet.

Die Lenk- und Ruhezeiten müssen eingehalten werden. Der ferngesteuerte Transport von Gefahrgut ist nicht erlaubt. Diese muss der Betreiber des Angebotes sicherstellen. Der Leitstand muss die Fahrtüchtigkeit des Lenkers technisch "fortwährend" überprüfen. Möglicherweise kommen dazu Systeme zum Einsatz, die in modernen Autos die Aufmerksamkeit des Fahrers überwachen. Vor Dienstantritt soll zudem eine Atemalkoholkontrolle erfolgen.

Für die Zulassung solcher Angebote ist das KBA zuständig. Die Erlaubnis beschränkt sich jeweils auf einen bestimmten Betriebsbereich. Ausgenommen von den Vorschriften sind Bundeswehr, Polizei, Feuerwehr, das THW sowie Katastrophenschutzbehörden.


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