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Die Tücken der Gespräch-pausieren-Taste

➤ Wir hatten eine Kundendatenbank, in der explizit vermerkt worden war, wer im Outreach mit "du" und wer mit "Sie" angesprochen werden sollte. Gesagt, getan – und prompt rund 4.000 Leute falsch angesprochen. Nicht schlimm, Fehler passieren; aber vor 20 Jahren war das wirklich noch so ein Ding, wo sich die Geschäftsleitung persönlich entschuldigt hat bei einem Großteil der Kunden.

➤ Es ist schon mehr als ein Jahrzehnt her, dass ich meine Ausbildung zum Chemikanten abgeschlossen habe. Der Beginn war jedoch mehr als peinlich. 2010 habe ich im Mai die Realschule mit der mittleren Reife abgeschlossen. Ja, natürlich war es offiziell erst Ende Juli zu Ende, aber der Abschluss war sicher. Wie man in dem Alter so ist, war die freie Zeit danach ein Highlight. Wann hat man schon drei Monate am Stück frei?

Die Ausbildung begann Anfang September, 8:00 Uhr. Als es so weit war, habe ich am Vortag alles vorbereitet, damit auch wirklich nichts schiefgehen konnte. Am nächsten Morgen klingelte der Wecker, wie geplant. Was nicht wie geplant funktionierte, war mein Gehirn. Ich habe den Wecker stumm gestellt, mich gefragt, wieso das dumme Ding an war und weitergeschlafen.

Um 7:50 Uhr riss mich ein Gedanke aus dem Halbschlaf. Ich wusste wieder ganz genau, wieso der Wecker geklingelt hatte. Nun ja. Also habe ich mich schnell in die vorbereitete Kleidung geschwungen, eine Katzenwäsche gemacht und 8:20 Uhr kam ich im Betrieb an. In der Zwischenzeit hatte ich zwar angerufen, aber der Ausbildungsleiter hatte bereits vor einem ganzen Gremium verkündet, dass ein Azubi seine Chance wohl nicht wahrnehme. Kurz danach kam ich in den Besprechungsraum, wo zehn neue Azubis schelmisch grinsend meinen Gang zum Platz und meine Entschuldigung verfolgten.

Das war das wohl peinlichste Erlebnis in meiner Laufbahn. Ich wäre am liebsten im Boden versunken. Nichtsdestotrotz habe ich die Ausbildung als Unternehmensbester abgeschlossen. Schwacher Start, aber ein starker Abgang. Besser als andersherum. Ob der schlechte Start dazu beigetragen hat? Wahrscheinlich schon.

➤ Im Jahr 1993 habe ich meine Ausbildung im Großhandel begonnen. Meine ersten Tage verbrachte ich im Büro an einer Telefonzentrale, musste Akten sortieren und Briefe öffnen. Die Telefonanlage war ein echtes "Altertümchen". Wenn es klingelte, ging ich ran und habe die Kunden oder die Lieferanten zu den Kolleginnen und Kollegen verbunden. Irgendwann rief mich eine Mitarbeiterin eines Lieferanten an und wollte mit meiner Kollegin aus der Buchhaltung sprechen. Der Ton war da schon etwas frech von ihr. Da gab es wohl noch offene Verbindlichkeiten.

Ich bat die Dame am anderen Ende um etwas Geduld, um abzuklären, ob meine Kollegin erreichbar ist. Zufällig stand die Kollegin aus der Buchhaltung, Frau M., allerdings in diesem Moment schon neben mir. Wie gewohnt drückte ich an der Anlage die Taste "P" , was für "Gespräch parken" stand. In dieser Situation konnte man sich dann in Ruhe im Raum unterhalten. Ich habe Frau M. über die Gesprächsteilnehmerin am Telefon unterrichtet und ihr mitgeteilt, dass die Dame dringend mit ihr sprechen möchte.

Frau M. reagierte genervt und sagte sowas wie "Nicht die schon wieder ... Die blöde Kuh soll uns in Ruhe lassen. Ich weiß, dass die noch Geld will. Sagen Sie ihr, ich bin nicht da, Sie werden einen Zettel hinterlegen!"

Als 16-jähriger Azubi dachte ich mir erstmal nichts dabei und war gewillt, die Anweisung so weiterzugeben. Ich drückte also wieder die "P" -Taste an der Telefonanlage, um die Dame von dem Lieferanten wieder ans Telefon zurückzuholen. Ich habe mich freundlich zurückgemeldet und ... es hat niemand geantwortet. Ich schaute verdutzt auf die Anlage und stellte fest, dass die "P" -Taste aufleuchtete. In diesem Moment wurde mir plötzlich heiß und kalt gleichzeitig, denn ich begriff sofort, dass gerade irgendwas schiefgelaufen sein musste. Ich drückte nochmal die "P" -Taste, um das Gespräch zurückzuholen.

Kaum hatte ich die Taste gedrückt, schrie bereits eine sehr, sehr aufgebrachte Stimme durch den Telefonhörer: "Geben Sie mir sofort die Frau M.!!! Ich habe alles mitgehört!!! Das wird Konsequenzen haben."

Frau M., die noch neben mir im Raum stand, riss die Augen auf, stand stocksteif neben mir und verstand ebenfalls, dass ich grade riesigen Mist gebaut hatte. Die "P" -Taste hatte ich beim ersten Mal wohl nicht richtig betätigt. Frau M. verschwand in ihr Büro und musste sich eine riesige Standpauke von dem Lieferanten anhören. Für mich gab es allerdings keinerlei Konsequenzen. Es blieb nur eine Erinnerung, die auch nach über 30 Jahren nicht vergessen ist.


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