Exportverbote: Kein vernichtender Schlag gegen Chinas Halbleiterbranche

Belichtungsmaschinen sind nicht der beste Hebel gegen Chinas Halbleiterbranche, so ein Experte. Die US-Regierung verstehe die Halbleiterfertigung nicht.

Artikel veröffentlicht am , Johannes Hiltscher
Mit einem Immersionslithografie-Scanner wie ASMLs Twinscan NXT:1980i würden sich auch 5-nm-Chips herstellen lassen.
Mit einem Immersionslithografie-Scanner wie ASMLs Twinscan NXT:1980i würden sich auch 5-nm-Chips herstellen lassen. (Bild: ASML)

Kein modernes Equipment mehr für chinesische Halbleiterhersteller, dieses Ziel hat sich die US-Regierung gesetzt. Mit Japan und den Niederlanden hat sie nun die beiden wichtigsten Hersteller der zur Fertigung von Halbleitern benötigten Maschinen ins Boot geholt. Wichtigster Hebel sind die Belichtungsmaschinen, viele andere Maschinen können chinesische Unternehmen längst selbst bauen. Doch wirklich hart treffe das die chinesischen Halbleiterhersteller nicht, so Dylan Patel, Analyst und Betreiber von Semianalysis.

Ziel der US-Regierung ist, den Export sogenannter Immersionslithografie-Scanner in die Volksrepublik zu unterbinden. Dabei handelt es sich um die letzte Entwicklungsstufe von Anlagen, die mit Lasern im fernen ultravioletten Spektrum (Deep Ultra Violet, DUV) arbeiten. Ein Flüssigkeitsfilm zwischen Linse und Wafer erhöht dabei die numerische Apertur des Systems, so dass kleinere Strukturen abgebildet werden können. Theoretisch soll es chinesischen Unternehmen so unmöglich gemacht werden, feinere Prozesse als 16 nm auszubauen (g+).

Der Plan, so Patel, werde allerdings nicht aufgehen. Denn, das haben zuerst TSMC und im vergangenen Jahr auch das chinesische Unternehmen Semiconductor Manufacturing International Corporation (SMIC) gezeigt: Mit Immersionslithografie und Mehrfachbelichtung lässt sich auch ein 7-nm-Prozess realisieren. Selbst ein 5-nm-Prozess wie der von TSMC sei damit, so Patel, denkbar. Zwar wären die Prozesse aufwendiger, damit gefertigte Chips also teurer, für militärische Anwendungen - genau die will die US-Regierung verhindern - spielt das aber eine untergeordnete Rolle.

In China stehen Hunderte Belichtungsmaschinen

Patel ist der Ansicht, dass allein SMIC, der größte Halbleiterhersteller in China, mit seinen vorhandenen Belichtungsmaschinen monatlich 100.000 7-nm-Wafer fertigen könne - mehr als Samsung und Intel zusammen. Würden alle in China bereits befindlichen Maschinen dafür verwendet, könne SMIC sogar die Fertigungskapazität von TSMC übertreffen. Das ist zwar rein hypothetisch, da in diesem Fall nur noch 7-nm-Chips gefertigt würden, zeigt aber das bereits vorhandene Potenzial auf.

Ein Exportverbot für Immersionslithografie-Maschinen könne zudem nicht einmal den Ausbau der Kapazitäten verhindern: Mit Mehrfachbelichtung seien, so Patel, die für den 7-nm-Prozess erforderlichen Strukturgrößen sogar mit sogenannten trockenen Argonflouridlasern (ArF), also ohne Immersion, erreichbar. Die können aber weiterhin exportiert werden, ebenso wie Anlagen mit Kryptonflouridlasern (KrF). Deren Wellenlänge ist zwar größer als die der ArF-Laser, mit Mehrfachbelichtung könnten solche Anlagen aber auch für einen 14-nm-Prozess genutzt werden.

So müsste eine Umnutzung vorhandener Immersionslithografie-Scanner nicht einmal die Fertigungskapazität älterer Knoten stark einschränken. Patel schätzt, dass ein 14-nm-Wafer durch die Belichtung mit KrF-Anlagen etwa 19 Prozent teurer würde.

Nischen wären der bessere Hebel

Patel zeigt allerdings auch die besonders anfälligen Punkte der Lieferkette auf: Ersatzteile und Fotolacke. Die Ersatzteile überraschen kaum, schließlich müssen alle Maschinen regelmäßig gewartet werden. Ohne Ersatzteile fallen sie auf lange Sicht aus. Verwunderlich erscheinen hingegen die Fotolacke, doch was zunächst nach einfacher Farbe klingt, sind komplizierte, auf jeden Fertigungsprozess individuell abgestimmte High-Tech-Chemikalien. Und die liefert fast ausschließlich eine Handvoll japanischer Unternehmen, ebenso wie die Maschinen zum Trocknen der Lacke.

Hier läge, so Patel, der eigentliche Hebel. Sein unausgesprochenes Fazit: Die US-Regierung habe die komplexe Halbleiterfertigung nicht wirklich verstanden. Auch rechnet Patel damit, dass chinesische Unternehmen zumindest bei den ArF-Excimerlasern zeitnah die bestehenden Lücken schließen können. Durch die Expansion von Firmen wie Zeiss in China sei die Gefahr groß, dass die technologischen Lücken durch Wirtschaftsspionage oder erzwungene Joint Ventures geschlossen würden. Diese Erfahrung musste bereits ASML machen.

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