Ex-NSA-Direktor: Binney fordert Amtsenthebung Obamas wegen Überwachung

Wenn Präsident Nixon wegen Watergate gehen musste, muss es Obama wegen der NSA-Affäre erst recht, meint Ex-NSA-Direktor und Whistleblower William Binney. Schon George W. Bush hätte nicht im Amt bleiben dürfen.

Artikel veröffentlicht am , Ulrich Hottelet
William Binney auf dem Congress on Privacy & Surveillance im September 2013
William Binney auf dem Congress on Privacy & Surveillance im September 2013 (Bild: Rama, Wikimedia Commons, Cc-by-sa-2.0-fr)

Der frühere technische Direktor der NSA, William Binney, hat die massive Überwachung von Menschen weltweit durch seinen ehemaligen Arbeitgeber scharf kritisiert. Wie er auf der Veranstaltung European Data Protection Days 2014 am 13. Mai 2014 in Berlin erklärte, verstießen die umfangreichen Ausspähprogramme gegen die US-Verfassung. Daher hätte sowohl gegen Präsident Obama als auch gegen seinen Vorgänger George W. Bush ein Amtsenthebungsverfahren eingeleitet werden müssen, was aber im Kongress nicht durchsetzbar sei. "Nixon spionierte nur Tausende von Leuten aus, heute ist jeder Mensch auf der Welt davon betroffen", sagte er.

Binney hatte vier Wochen nach dem 11. September 2001 seinen Dienst bei der NSA quittiert, weil er die Pläne der Bush-Regierung zur durchgreifenden Ausspionierung von US-Amerikanern und die Umsetzung durch den Geheimdienst für verfassungswidrig hielt. "Als ich mein Bürogebäude verließ, sagte ich zu mir: 'Endlich frei'", erzählte er. In der Folge wurde er zum Whistleblower.

"Sie in Deutschland werden wie die Amerikaner behandelt. Jeder wird überwacht und über jeden kann ein Profil angelegt werden", sagte Binney. Die Argumentation, es handele sich oft nur um Verbindungsdaten, hält er nicht für stichhaltig. Er zitierte den ehemalige NSA- und CIA-Chef Michael Hayden, der vor einigen Wochen zugab: "Wir töteten sogar auf der Basis von Metadaten."

"Ich will die NSA effektiver machen"

Trotz ihres massiven Umfangs seien die Überwachungsprogramme in der Terrorbekämpfung nicht effektiv: "Die NSA ertrinkt in den Datenmassen. Die Analysten können sie nicht mehr bewältigen." Der Geheimdienst sollte viel zielgerichteter vorgehen, forderte Binney. Dem stünden aber wirtschaftliche Interessen entgegen, denn mit der Sammlung der Datenmassen würden viele Milliarden Dollar verdient. "Ich will die NSA effektiver machen, denn ihre Arbeit ist wichtig", betonte er.

Auch zu diesem Zweck habe er mit drei anderen Whistleblowern ein Papier für den US-Präsidenten mit 21 Vorschlägen erarbeitet, wie die NSA ihre Arbeit reformieren müsse. Unter anderem sollte sie besser beaufsichtigt werden. "Den Analysten in der NSA hat das nicht gefallen. Interessanterweise wollen die Überwacher nämlich nicht überwacht werden", bemerkte Binney ironisch und spöttelte weiter: "Früher sagten wir, dass wir ein Staat mit einer Regierung sind. Nun haben wir eine Regierung, die sich einen Staat hält."

Die Überwachung mache selbst vor führenden Politikern und hohen Richtern in den USA nicht halt. Der Whistleblower lehnte auch die offizielle Definition von Überwachung durch die NSA ab. Danach liegt der Tatbestand der Datensammlung erst dann vor, wenn die Daten von einem Analysten tatsächlich gesichtet werden. Demgegenüber werden nach allgemeiner Ansicht Daten bereits im Moment der Speicherung gesammelt. Der frühere Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar ergänzte bei der Podiumsdiskussion, es gebe keinerlei Beweis, dass die massive Überwachung einen einzigen Terroranschlag verhindert habe. Sie sei daher "total ineffektiv".

Gefahr von Missbrauch und Korruption

Zum Vorwurf der Wirtschaftsspionage gegen deutsche und europäische Unternehmen erklärte Binney, ein großes Risiko für Industriespionage bestehe darin, dass viele Unternehmen wie zum Beispiel Booz Allen, bei dem Edward Snowden bis Juni 2013 beschäftigt war, die Überwachungsprogramme ausführten. Sie hätten dadurch Zugang zu allen Daten, was dem Missbrauch Tür und Tor öffne. Außerdem gewähre die Tatsache, dass die NSA eine der wenigen Behörden sei, die keiner Revision unterliege, der Korruption viel Spielraum. Dass das Risiko, dass ausländische Unternehmen ihre Daten zum Beispiel in der Cloud nicht mehr US-Anbietern anvertrauen wollen, ignoriert werde, sei eine Folge des "kurzsichtigen und engen Denkens" in Geheimdienst und Regierung.

Schaar erklärte dazu, dass die Förderung wirtschaftlichen Wohlstands zur Mission der NSA und ihres britischen Pendants GCHQ gehöre. "Wenn die Daten eines großen Wettbewerbers eines US-Unternehmens in einer Schlüsselindustrie erlangt werden konnten, wird die NSA diese Daten wahrscheinlich als wichtig für die nationale Sicherheit interpretieren und entsprechend nutzen", sagte Schaar, der jetzt Vorsitzender der Europäischen Akademie für Informationsfreiheit und Datenschutz (EAID) ist.

Der Schutz des Safe-Harbour-Abkommens zur legalen Übermittlung personenbezogener Daten in die USA durch europäische Unternehmen werde dadurch unterlaufen, dass jeder US-Agent einen "national security letter" verfassen könne und damit Unternehmen in den USA zwingen könne, den Sicherheitsbehörden Zugriff auf Firmendaten zu gewähren. "Auf dieses Problem habe ich die EU-Kommission schon 2004 hingewiesen. Sie erklärte damals, sie sei sich des Problems bewusst, vertraue aber darauf, dass der verfassungsrechtliche Schutz in den USA ähnlich stark sei wie in Europa. Das hat sich aber nach dem 11. September geändert", kritisierte Schaar.

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frostbitten king 19. Mai 2014

http://media.ccc.de/browse/congress/2012/29c3-5338-en-enemies_of_the_state_h264.html hier...

Anonymer Nutzer 17. Mai 2014

Worauf warten die Amerikaner noch? Ich weiss ihr könnt euch wegen den 2nd Amendment im...

ElMario 16. Mai 2014

und schwupps ist man ein Terrorist mit langer Hintergrundgeschichte. Dann wird es erst...

plutoniumsulfat 16. Mai 2014

In der öffentlichen Wahrnehumng hat er mehr oder weniger inoffiziell den Status...



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