EU: Regierung verteidigt Blockade der EU-Datenschutzverordnung
Es bestehe die Gefahr, "mit dem Rasenmäher" über gewachsene nationale Regeln zu gehen, sagt die Bundesregierung und fordert mehr Zeit für die EU-Datenschutzreform. Strittig ist unter anderem das geforderte "Recht auf Vergessenwerden".

Statt mehr Datenschutz droht durch die EU-Datenschutzreform ein Verlust daran, fürchtet die Bundesregierung und fordert mehr Zeit. Man sollte "viel mehr Zeit investieren und konzentriert und intensiv eine Debatte darüber führen", was sich seit der EU-Datenschutzrichtlinie von 1995 geändert habe und was heute besonders regelungsbedürftig sei, sagte Rainer Stentzel vom Bundesinnenministerium am Dienstagabend in Berlin. Der Entwurf der EU-Kommission zur Datenschutz-Grundverordnung bedeute in vielen Fällen nicht ein Mehr an Datenschutz. Das Gegenteil sei der Fall, wie beispielsweise beim sogenannten Profiling durch die Anbieter, sagte Stentzel, der die deutsche Delegation in den Verhandlungen des Europäischen Rates leitet.
Gerade im öffentlichen Bereich bestehe die Gefahr, "dass wir mit dem Rasenmäher über Regelungen gehen, die wir national geschaffen haben". Da drohe ein großer Verlust an Datenschutz, sagte Stentzel auf einer Podiumsdiskussion der Expertenplattform Collaboratory. Er mahnte, die Beratungen nicht weiter zu forcieren und "das Tempo nicht weiter so zu überdrehen".
Eine rasche Einigung wünscht sich hingegen der Berliner Datenschutzbeauftragte Alexander Dix. Es sollte rechtzeitig vor der Europawahl im Mai 2014 zur Einigung kommen, sonst könnte sich die Einführung eines einheitlichen Datenschutzes bis 2020 verzögern, sagte er. Dann sei die technische Entwicklung im Netz noch viel weiter fortgeschritten. Die beteiligten Akteure, EU-Kommission, Parlament und Mitgliedstaaten, sollten daher nicht auf die Bremse treten und gemeinsam den Willen zur Einigung zeigen. Mit Blick auf das bekanntgewordene US-Ausspähprogramm Prism sagte er, dass die EU-Datenschutzreform nicht die Arbeit der Geheimdienste regele. Aber auf Daten, die von den Unternehmen oder Behörden nicht bereitgehalten würden, könnten die Nachrichtendienste auch nicht zugreifen.
"Großes datenschutzrechtliches Problem"
Zu den strittigen Punkten der Verordnung gehören das geforderte "Recht auf Vergessenwerden" im Internet sowie die Regelungen zu Datenportabilität, Pseudonymisierung, Profiling und der Einwilligung von Nutzern. Diskussionsbedarf sieht die Bundesregierung in der Frage, wie das Recht auf Vergessenwerden bei weitergegebenen Daten durchgesetzt werden soll. Würde dies umgesetzt, müssten sämtliche Weitergaben dauerhaft protokolliert werden, was wiederum ein "großes datenschutzrechtliches Problem" bedeute, sagte Stentzel.
Auch Dix sieht in diesem Punkt Probleme, da das Recht auf Datenlöschung auch die Pressefreiheit beeinträchtigen könne, wenn Texte nachträglich aus den Archiven verschwinden müssten. Susanne Dehmel vom Branchenverband Bitkom räumte ein, dass die Einschränkung von Profilbildung durchaus sinnvoll sei, wenn dem Nutzer durch das Auswerten der Daten Nachteile entstünden. Denkbar sei beispielsweise, dass Bestellungen im Internet mit Bonitätsabfragen verknüpft würden oder Nutzer je nach Profil unterschiedliche Preise für Produkte angezeigt bekämen. Allerdings könne Profiling auch einer höheren Bequemlichkeit von Webdiensten dienen.
Im Januar 2012 hatte die EU-Kommission den Entwurf für eine neue Datenschutz-Grundverordnung vorgestellt. Durch diese sollen Regeln für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten durch Unternehmen EU-weit vereinheitlicht und die Datenschutzrichtlinie von 1995 ersetzt werden. Seit Mai 2013 laufen die Verhandlungen zwischen EU-Parlament, -Rat und -Kommission. Vergangene Woche gab es auf einer Ratssitzung von Justiz- und Innenministern in Luxemburg jedoch keine Einigung auf den überarbeiteten Entwurf.
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