EU-Regelung zu USB-C: Einfach mal fünf Jahre zu spät
USB-C wird in Europa zum Standard, samt Power Delivery. Das ist begrüßenswert, kommt aber Jahre zu spät.

Das EU-Parlament und die Vertreter der Mitgliedstaaten haben sich darauf geeinigt, dass USB-C die standardisierte Ladebuchse in Europa für Smartphones, Tablets, Kameras und später auch Laptops werden soll - endlich. Damit ist eine Diskussion beendet, die bereits seit 2009 geführt wird.
Nur war die Situation im Jahr 2009 eine gänzlich andere als heute. Damals hatte fast jeder Hersteller einen proprietären Ladeanschluss mit eigenen Protokollen, während in den vergangenen Jahren zahlreiche Elektronikhersteller bereits auf USB-C gewechselt sind. Europa hat also einen Standard beschlossen, der bei Neugeräten im Grunde schon Standard ist. Die Regelung gilt zudem erst ab 2024, bei Laptops ab 2026.
Vor einigen Jahren wäre die Entscheidung mutig und wegweisend gewesen, Mitte 2022 ist sie nur noch überfällig und von der Realität in vielen Elektronikgerätesparten überholt. Fairerweise ist das aber nicht nur die Schuld der EU-Politiker: Die Industrie hat jahrelang auf eigene Anschlüsse gesetzt und dabei wohl auch nicht ganz uneigennützig an den Verkauf eigener Ladekabel und Netzadapter gedacht. Mit dem eigenständigen Wechsel auf USB-C und Power Delivery sind die Hürden für die Entscheidung der EU schlicht gefallen.
USB-C ist bei vielen Herstellern bereits Standard
Dass die EU den neuen Ladebuchsenstandard jetzt beschließen konnte, dürfte also auch am schwindenden Widerstand der Industrie liegen. Bei den Smartphone-Herstellern etwa pocht nur noch Apple auf seiner irren Idee, dass ein proprietärer Ladeanschluss ein Zeichen von Innovation sei. Selbst preiswerte Smartphones kommen mittlerweile mit USB-C-Anschluss auf den Markt. Das gleiche gilt für viele Navigationsgeräte und E-Book-Reader - wenngleich die Umstellung dort länger gedauert hat oder sogar noch anhält. Die Anzahl der Geräte ohne USB-C ist in den letzten Jahren schlichtweg stark gesunken - auch ohne Vorgabe der Politiker in Brüssel.
Die Konsumenten haben sich dieser Entwicklung angepasst. Wer sich in den vergangenen Jahren neue Elektrogeräte gekauft hat, hat den von Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) beschworenen "Kabelsalat" bereits ordentlich reduzieren können. Hilfreich wäre die Festsetzung von USB-C als Standard zu einem Zeitpunkt gewesen, an dem der Kabelsalat wirklich noch reduziert hätte werden müssen - also vor vier, fünf Jahren etwa, als bereits abzusehen war, dass sich der Stecker zum Standard entwickeln würde.
Die Entscheidung zum jetzigen Zeitpunkt ist weitaus weniger zwingend für die Industrie, da der Standard entweder bereits verwendet wird oder der Wechsel geplant ist. Auch Apple dürfte Mitte 2024, wenn USB-C in Europa Pflicht wird, bei seinen iPhones nicht mehr auf den Lightning-Anschluss setzen. In den vergangenen Jahren ist der Hersteller bereits bei seinen iPads zu USB-C gewechselt, eine Änderung bei den iPhones ist wahrscheinlich. Selbst bei seinen Notebooks setzt Apple sowohl auf Magsafe, als auch auf Laden per USB-C.
Neuer Standard schließt Power Delivery mit ein
Die Entscheidung der EU-Parlamentarier, für den neuen USB-C-Standard auch die Unterstützung von Power Delivery sowie des Ladens mit mindestens 15 Watt zu definieren, ist gut. Aber auch hier zeigt ein Blick auf die Realität, dass dies bereits ein etablierter und leistungsmäßig oft übertroffener Standard ist.
An einem möglichen bestehenden Kabelsalat ändert die neue Regelung nichts. Interessanter ist hingegen die auch von Bundesumweltministerin Lemke angesprochene Reduzierung des Elektroschrotts: Die EU-Regelung sieht auch vor, dass Käufer sich künftig entscheiden können, ob sie ihr elektronisches Gerät mit oder ohne Ladegerät kaufen wollen. Genaue Informationen zu den Ladeanforderungen sollen bei der Überprüfung helfen, ob das vorhandene Netzteil leistungsfähig genug ist. Aber auch hier sind Hersteller wie Apple und Samsung in Vorleistung gegangen, die bereits seit einiger Zeit ihre Smartphones ohne Ladeadapter verkaufen.
Insgesamt betrachtet ist die Entscheidung der EU für USB-C begrüßenswert. Noch begrüßenswerter wäre es aus Sicht der Konsumenten aber gewesen, wenn sich die Vertreter dafür zu einem Zeitpunkt entschieden hätten, an dem es mehr Nutzern wirklich geholfen hätte - dann womöglich gegen den Widerstand von mehr Herstellern.
IMHO ist der Kommentar von Golem.de. IMHO = In My Humble Opinion (Meiner bescheidenen Meinung nach)
Oder nutzen Sie das Golem-pur-Angebot
und lesen Golem.de
- ohne Werbung
- mit ausgeschaltetem Javascript
- mit RSS-Volltext-Feed
"Nur war die Situation im Jahr 2009 eine gänzlich andere als heute. Damals hatte fast...
Mit "Kabelsalat" durch uneinheitliche Stecker war eigentlich schon viel länger Schlu...
Die Wahl, mehr Informationen zu sammeln oder abzuwarten ist auch eine Entscheidung, dies...
Ich frage mich ernsthaft warum der Threadersteller den Wunsch nach einer Lenkung richtung...
Kommentieren