EU-Kommission: Europäische Erklärung für digitale Rechte vorgelegt
Die EU will eine Erklärung zu den digitalen Rechten und Grundsätzen proklamieren. Kritiker werfen der Kommission Heuchelei vor.

Die EU soll bei der Digitalisierung von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft künftig die Menschen in den Mittelpunkt stellt. Das geht aus dem Entwurf der EU-Kommission für eine "Europäische Erklärung zu den digitalen Rechten und Grundsätzen für die digitale Dekade" hervor, der am 26. Januar 2022 in Brüssel vorgestellt wurde. "Die Technik sollte allen Europäerinnen und Europäern dienen und zugutekommen und sollte sie in die Lage versetzen, ihre Ziele und Bestrebungen in voller Sicherheit und unter uneingeschränkter Achtung ihrer Grundrechte zu verwirklichen", heißt es einleitend.
Der achtseitige Entwurf (PDF) enthält sechs Kapitel zu den Themen: "Die Menschen im Mittelpunkt des digitalen Wandels, Solidarität und Inklusion, Wahlfreiheit, Teilhabe im digitalen öffentlichen Raum, Sicherheit, Schutz und Befähigung sowie Nachhaltigkeit". Kommissionsvizepräsidentin Margrethe Vestager sagte: "Wir wollen sichere Technologien, die für die Menschen funktionieren und unsere Rechte und Werte achten, auch wenn wir online sind."
Digitalkommissar Thierry Breton ergänzte: "Wir wollen, dass die Europäerinnen und Europäer wissen: Wenn sie in Europa leben, studieren, arbeiten, Geschäfte machen, können sie auf eine erstklassige Netzanbindung, einen nahtlosen Zugang zu öffentlichen Diensten und einen sicheren und fairen digitalen Raum zählen."
Die Erklärung soll laut ihrer Präambel "gemeinsame politische Absichten" darlegen und "als Bezugspunkt für Unternehmen und andere relevante Akteure bei der Entwicklung und Einführung neuer Technik dienen". Sie hat lediglich "deklaratorischen Charakter und lässt somit den Inhalt oder die Anwendung von Rechtsvorschriften unberührt".
Kein Recht auf Verschlüsselung
In verschiedenen Punkten, wie beim Kapitel Sicherheit, ist sie sehr unspezifisch. So heißt es unter anderem: "Jede Person hat das Recht auf die Vertraulichkeit ihrer Kommunikation und der Informationen in ihren elektronischen Geräten, und niemand darf einer unrechtmäßigen Online-Überwachung oder unrechtmäßigen Abhörmaßnahmen unterworfen werden." Ein Recht auf Verschlüsselung wird somit nicht postuliert.
Der Europaabgeordnete Patrick Breyer warf der EU-Kommission unter Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen umgehend Heuchelei vor. "Man kann nicht einerseits das Recht auf vertrauliche Kommunikation predigen und gleichzeitig mit der Chatkontrolle die privaten Nachrichten aller EU-Bürger auf unseren Handys verdachtslos überwachen wollen", kritisierte der Piratenpolitiker. Breyer verwies darauf, dass laut einer Umfrage für 91 Prozent der Bürger das Recht auf vertrauliche Kommunikation von höchster Bedeutung sei, die EU-Kommission dennoch durch Vorratsdatenspeicherung Informationen über die Kommunikation der gesamten Bevölkerung sammeln lassen wolle.
Breyer kritisierte ebenfalls die Formulierung, wonach man zum Schutz der Kinder verhindern wolle, "dass der digitale Raum ausgenutzt wird, um Straftaten zu begehen oder zu erleichtern". "Alle Straftaten verhindern zu wollen, ist in einer freien Gesellschaft unmöglich, und es zu versuchen, würde in einen Stasi-Staat führen", schrieb Breyer. Ohne sie nach ihrer Meinung zu fragen, würden Kinder von der Politik aktuell zur Begründung von totaler Chatkontrolle und von Angriffen auf sichere Verschlüsselung missbraucht.
Das Europaparlament und die EU-Mitgliedsstaaten müssen der Erklärung noch zustimmen.
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Die Schande ist, dass nur die Piraten dagegen protestieren. Alle anderen machen den...
Schön formuliert. Da staatliche Gesetze ja von vornherein rechtmässig sind, ist Abhören...