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Ermittlungen gegen Kinderporno-Plattform: Kommunikation von O2-Kunden zeitweise überwacht

Um eine kriminelle Person zu identifizieren, wurde Telefónica Ende 2020 per Gerichtsbeschluss dazu verpflichtet, die Datenverbindungen seiner Kundschaft zu überwachen .
/ Marc Stöckel
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Nutzer bedient sein Smartphone (Symbolbild) (Bild: Tomohiro Ohsumi/Getty Images)
Nutzer bedient sein Smartphone (Symbolbild) Bild: Tomohiro Ohsumi/Getty Images

Im Frühjahr 2021 hat das BKA die erfolgreiche Zerschlagung der Kinderpornoplattform Boystown verkündet . Um deren Betreiber zu enttarnen, wurde aber offenbar zuvor die Kundschaft des Telekommunikationskonzerns Telefónica, und damit auch jene der Marke O2, umfassend überwacht - eine Maßnahme, die durchaus umstritten ist.

Eine entsprechende richterliche Anordnung wurde einem Bericht der Tagesschau(öffnet im neuen Fenster) zufolge am 17. Dezember 2020 vom Amtsgericht Frankfurt am Main erlassen. Telefónica sollte demnach bis zu drei Monate lang überwachen, welcher seiner Kunden sich zu einem vom BKA vorgegebenen Server verbindet.

Tatsächlich fiel der Überwachungszeitraum aber deutlich kürzer aus. Der Verdächtige sei schon "nach wenigen Tagen" enttarnt und die Überwachung beendet worden, heißt es im Bericht. Die Daten unverdächtiger Personen seien zudem im Zuge der Analyse umgehend gelöscht und nicht an die Strafverfolgungsbehörden übermittelt worden.

Trotz "unvermeidbarer Drittbetroffenheit" verhältnismäßig

Unklar ist, wie viele Verbindungen Telefónica tatsächlich überwacht und analysiert hat. Zum Zeitpunkt der Überwachungsmaßnahme soll der Konzern über alle Marken hinweg rund 43 Millionen Mobilfunkkunden gehabt haben.

Das Frankfurter Amtsgericht, das die von der Generalstaatsanwaltschaft angeforderte Maßnahme bewilligt hatte, stufte die Überwachung trotz der "unvermeidbaren Drittbetroffenheit" unschuldiger Mobilfunkkunden als verhältnismäßig ein und verwies diesbezüglich auf die Schwere der Straftaten der gesuchten Person.

Telefónica betonte derweil nach Angaben der Tagesschau, der Konzern sei gesetzlich dazu verpflichtet, solchen Gerichtsbeschlüssen Folge zu leisten. Weitere Details zu der Maßnahme wollte das Unternehmen auf Anfrage nicht nennen. Man sei diesbezüglich "zur Vertraulichkeit verpflichtet" und kooperiere mit den Behörden "im Rahmen der geltenden rechtlichen und datenschutzrechtlichen Bestimmungen" , so der Konzern.

Kritik an Überwachungsmaßnahme

Eine explizite Rechtsgrundlage für eine derartige Massenüberwachung gibt es wohl nicht. Dominik Brodowski, Professor für Digitalisierung des Strafrechts an der Universität des Saarlandes, beschreibt die Maßnahme als "sehr ungewöhnlich" . Zudem werfe sie "viele ungeklärte Rechtsfragen" auf.

"Wohlwollend gesprochen handelt es sich um ein hochgradig kreatives Vorgehen der Ermittlungsbehörden, bei dem verschiedene Eingriffsgrundlagen der Strafprozessordnung munter zusammengewürfelt wurden, was auch in der konkreten Ausgestaltung die Grenzen des rechtlich Zulässigen zumindest ausgereizt, wenn nicht sogar überschritten hat" , erklärt der Professor.

Gesuchter Mann bereits verurteilt

Bei Boystown handelte es sich um ein im Jahr 2019 aufgebautes Darknet-Forum, das mehr als 400.000 Benutzerkonten und Millionen von Forenbeiträgen vorweisen konnte, bevor es im April 2021 vom Netz genommen wurde. Auf der Plattform wurden Fotos und Videos von schwerer sexueller Gewalt an Kindern geteilt.

Der durch die Überwachungsmaßnahme von Telefónica identifizierte Betreiber kommt aus NRW und wurde im Anschluss festgenommen. Er wurde im Jahr 2022 wegen bandenmäßiger Verbreitung von kinder- und jugendpornografischen Inhalten zu einer Haftstrafe von mehr als zehn Jahren verurteilt, war damit aber nicht allein . Nach Angaben der Tagesschau hat er die Ermittler dabei unterstützt, weitere Hintermänner von Boystown festzunehmen.


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