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Erica: Ein Androide mit Sinn für Humor

Die Forscher sind begeistert, die japanische Öffentlichkeit auch: Der humanoide Roboter Erica kann kichern. Ob das im Zusammenleben wirklich witzig ist?
/ Felix Lill
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Erica in Madrid im Oktober 2018 (Bild: GABRIEL BOUYS/AFP via Getty Images)
Erica in Madrid im Oktober 2018 Bild: GABRIEL BOUYS/AFP via Getty Images

Wäre Erica ein Mensch, wäre die folgende Unterhaltung banal: Als Koji Inoue von seinem jüngsten Missgeschick berichtet, muss Erica kichern. "Ich hatte so viel für den Test gelernt!" , erzählt Inoue und sieht hinüber zu Erica. "Aber als ich zum Prüfungsort ging, sagte man mir, dass der Text erst nächste Woche ist. Ich hatte mich im Tag vertan!" Erica, die wie für eine höfliche Frau in Japan üblich ihre Hände auf dem Schoß geparkt hat, nickt: "Tja, so war das wohl, nicht?" Und Inoue bestätigt: "Ja, so war das!" Dass das Gespräch seit einiger Zeit in Japan kursiert und viel Aufmerksamkeit bekommt, liegt daran, dass hier ein Ingenieur mit einem Roboter spricht.

Und dieser Roboter kann sich nicht nur menschenähnlich unterhalten - sondern sogar im passenden Moment kichern. Gerade in der von subtilen Regeln geprägten japanischen Sprache ist die Entwicklung eines Roboters mit sozialer Intelligenz schwierig. "Kuuki wo yomenai" (Deutsch: Kann die Luft nicht lesen), lästert man in Japan oft über Personen aus anderen Kulturen, die diverse ungesagte Botschaften übersehen. Erica soll aber genau dies können: Kleinigkeiten verstehen und entsprechend reagieren - so das enorme Vorhaben, an dem die Informatikschule der Universität Kyoto rund um Assistenzprofessor Koji Inoue mindestens dreieinhalb Jahre gearbeitet hat.

Ein besonders sozialverträglicher Android

Seit die Universität Kyoto bei einer Pressekonferenz Ende September von dieser neuen Entwicklung berichtete, ist die Öffentlichkeit zumindest in Japan begeistert. "Erica kann verschiedene Lachtypen beurteilen" , staunte das im ostasiatischen Land populäre Newsportal Yahoo (öffnet im neuen Fenster) . "Ich will mit Erica reden," schwärmte die Wirtschaftszeitung Nikkei (öffnet im neuen Fenster) schon, als Erica noch nicht vorgestellt worden war. Und seit ihrer Präsentation lobt der öffentliche Rundfunksender NHK (öffnet im neuen Fenster) Erica als "sozialverträglicher als ein durchschnittlicher Android."

Damit das gelingt, ist der Humanoid mit weißer Bluse, schwarzem Pony und einem ziemlich menschenähnlichen Gesicht mit einer künstlichen Intelligenz (KI) und einer präzisen Audioaufnahmefunktion ausgestattet(öffnet im neuen Fenster) . Denn Erica beurteilt anhand der Frequenz der Stimme des Gegenübers, wie sie reagieren soll.

Bisher hat sie nur drei emotionale Funktionen: ein herzliches Kichern, ein eher paraphrasierendes, freundliches Lächeln oder gar kein Lachen. Hinzu kommen Sprachantworten, die zu dem vom Gegenüber Gesagten passen sollen.

Bei genauerem Hinsehen ist Erica also weniger sozial versiert als es im von der Universität Kyoto vorgeführten Gespräch erscheint. Beachtlich sind die Fähigkeiten dennoch, denn einen Roboter, der nicht nur passende Antworten gibt, sondern auch auf emotionaler Ebene reagieren kann, gab es bisher nicht. Erica hat dies erlernt, indem die in ihr installierte KI verschiedene Unterhaltungen zwischen 82 Personen anhörte. Darin wurden die Audiofrequenzen der Gelächter verglichen und in Emotionskategorien unterteilt, die Erica nun als Entscheidungsgrundlage dienen.

Wollen Menschen mit Erica zusammenleben?

"Indem wir einen Roboter entwickeln, der auf natürliche Weise lachen kann, wollen wir einen Roboter schaffen, der mit Menschen zusammenleben kann" , sagte Inoue jüngst japanischen Medien. In Zukunft soll Erica in der Altenpflege eingesetzt werden. Wann dies geschehen kann, ist noch nicht klar. Zunächst plant die Forschungsgruppe eine Untersuchung dazu, wie sich das Kommunikationsverhalten von Erica psychologisch auf Menschen auswirkt.

Der Lackmustest für die Einsatzfähigkeit des Roboters dürfte schließlich die Frage sein, ob Erica das sogenannte Uncanny Valley (Deutsch: Tal des Unheimlichen(öffnet im neuen Fenster) ) schon durchquert hat. Dieses in der humanoiden Roboterentwicklung bekannte Kriterium soll beurteilen, ob Menschen einen Roboter für unheimlich halten oder nicht. Die Faustregel: Nur sehr menschenunähnliche Kreaturen oder absolut menschengleiche Entwicklungen stoßen auf Zutrauen. Alles dazwischen ist zwar menschenähnlich, aber eben doch nicht menschlich, und erscheint deshalb unheimlich.

Eine Robbe ist weniger gruselig

So ist es kein Wunder, dass in Japans rapide alternder Gesellschaft, die gerade in der Seniorenpflege seit mehreren Jahren auf die Hilfe von Robotern zählt, bisher vor allem menschenunähnliche Entwicklungen erprobt werden. Schon seit den Nullerjahren wird etwa die plüschige Roboterrobbe Paro bei Demenzpatienten eingesetzt(öffnet im neuen Fenster) . Die mit taktilen und auditiven Sensoren ausgestattete Paro kommt wie ein Kuscheltier daher(öffnet im neuen Fenster) , windet sich niedlich, wenn man sie anfasst, und ruft positive Emotionen hervor.

Vor einigen Jahren kam auch der Android Pepper des Techkonzerns Softbank (öffnet im neuen Fenster) in japanische Seniorenheime. Pepper hat zwar ein Gesicht und Arme, sieht aber eher aus wie ein Zeichentrickheld als wie ein Mensch und wirkt daher nicht unheimlich. Pepper ist ein Kommunikationsexperte, kann durch installierte Kameras eigenständig Kontakt zu Personen aufnehmen, mit ihnen in verschiedenen Sprachen sprechen und Auskünfte erteilen. Allerdings versteht Pepper keine Botschaften zwischen den Zeilen, sondern nur deutlich Artikuliertes.

Weil seine Erica das kann, ist Koji Inoue begeistert: "Als ich den Roboter zum ersten Mal im richtigen Moment lachen hörte, kam es mir vor, als könnten wir wirklich miteinander kommunizieren." Für den Forscher war es ein Moment erleichterter Freude. Auf andere Personen aber könnten die noch leicht blecherne Stimme, die nicht ganz geschmeidigen Gesichtsbewegungen und früher oder später wohl auch die baukastenartigen Lach- und Wortreaktionen des Roboters auch Momente der Angst auslösen. Aber Erica dürfte ja auch noch einige Upgrades erhalten.


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