Entlassungen bei Techfirmen: Weniger Manager sind besser

Entlassungen sind schlimm, aber die Begründungen dafür etwa von Meta kann ich zum Teil verstehen. Auch die Forderungen nach Rückkehr ins Büro finde ich richtig.

Ein IMHO von Brandur Leach veröffentlicht am
Mehr als ein Klischee? Manager, die im Tagesgeschäft nicht besonders hilfreich sind.
Mehr als ein Klischee? Manager, die im Tagesgeschäft nicht besonders hilfreich sind. (Bild: Pixabay)

Dieser Text ist eine Übersetzung. Das Original von Brandur Leach ist hier zu finden.

Vergangene Woche hat Meta die Entlassung weiterer 10.000 Mitarbeiter angekündigt. Entlassungen sind natürlich schrecklich, aber ein paar Punkte fand ich interessant. Erstens wird die Struktur des Unternehmens explizit abgeflacht, wie Meta mitteilte:

"In unserem Jahr der Effizienz werden wir unsere Organisation verschlanken, indem wir mehrere Managementebenen abbauen. In diesem Zusammenhang werden wir viele Manager auffordern, individuelle Beiträge zu leisten. Außerdem werden die einzelnen Mitarbeiter auf fast jeder Ebene Bericht erstatten, nicht nur auf der untersten, so dass der Informationsfluss zwischen den Mitarbeitern und dem Management schneller vonstattengeht."

In den letzten zehn Jahren hat sich ein regelrechter Kult ums technische Management entwickelt. Viele Techunternehmen finden das technische Management wichtiger als die Produktentwicklung.

Als ich 2012 ins Valley kam, hatte ich einen Manager, der genauso viel Code schrieb und auslieferte wie ich, und die vorherrschende Meinung war, dass das eine gute Sache sei. Wir bekamen mit, dass Google absichtlich ein hohes Mitarbeiter-Manager-Verhältnis anstrebte, um die Belastung gering zu halten und Mikromanagement unmöglich zu machen. Marktführer wie Github hatten sogar eine ausdrückliche Keine-Manager-Strategie, mit der sie sich auf Konferenzen brüsteten.

Am Ende meiner Zeit bei Stripe 2021 hatte sich die Situation um 180 Grad gedreht. Ich hatte Manager, die keine Funktion in der Forschung & Entwicklung hatten. Sie arbeiteten nicht am Produkt, sie waren nicht für den Betrieb zuständig, hatten keinen Pager, sie halfen nicht bei teamübergreifenden Anfragen, verwalteten nicht das Jira-Board und leiteten oft nicht einmal unsere Meetings – das überließen sie den ICs (Individual Contributors), und alle dachten, das sei richtig so.

Die Vorstellung, dass Manager Code schreiben, schien total abwegig. Ihre Aufgabe bestand darin, auf übergeordneter Ebene zu planen, Mitarbeiter zu führen, indem sie 1:1-Gespräche führten und am Stack-Ranking-Prozess teilnahmen – und sie hatten vier Manager über sich, die das Gleiche taten.

Ich habe nichts gegen Manager, viele von ihnen sind nette Menschen. Aber ich habe auch noch keinen Beweis dafür gesehen, dass Organisationen mit vielen Managern oder Managern mit nur einer Funktion produktiver sind als die Alternative mit weniger Managern.

Jede nicht triviale Entscheidung musste die Befehlskette rauf- und wieder runtergeschickt werden. Es war schwierig, überhaupt eine Entscheidung zu treffen, weil so viele Menschen beteiligt waren. Es wurden mehr Dokumente als Code geschrieben und der Kommunikations- und Besprechungsaufwand war enorm. (Im Gegensatz dazu gibt es dort, wo ich heute arbeite, Manager in einer vernünftigen Anzahl. Nach meiner Erfahrung funktioniert dieses Modell ziemlich gut.)

Allerdings kopierte jede Tech-Organisation die Praktiken der anderen und die bekannte kopflastige Pyramide war überall zu sehen. Ich hatte schon die Hoffnung verloren, dass es überhaupt ein anderes Modell für die Organisation eines Unternehmens geben würde. Dass nun ein so großes Unternehmen wie Meta davon abrückt, ist eine erstaunliche Entwicklung – und das kurz nach ähnlichen (und noch umstritteneren) Entscheidungen bei Twitter. Ist es zu gewagt zu hoffen, dass die heftige Begeisterung für das mittlere Management ein Phänomen der ZIRP war?

Und weil ich wahrscheinlich noch nicht genug Leute verärgert habe, erwähne ich noch einen weiteren von Mark Zuckerbergs Punkten:

"Wir haben uns der Arbeitsteilung verschrieben. Das bedeutet auch, dass wir unser Modell ständig weiterentwickeln, um es so effektiv wie möglich zu gestalten.

Unsere erste Analyse der Leistungsdaten deutet darauf hin, dass Ingenieure, die entweder vor Ort bei Meta angefangen haben und dann zu einem dezentralen Arbeitsplatz gewechselt sind oder vor Ort geblieben sind, im Durchschnitt bessere Leistungen erbringen als Mitarbeiter, die remote angefangen haben.

Diese Analyse zeigt auch, dass Ingenieure in einem früheren Stadium ihrer Karriere im Durchschnitt bessere Leistungen erbringen, wenn sie mindestens drei Tage pro Woche persönlich mit ihren Teamkollegen zusammenarbeiten. Dies muss noch weiter untersucht werden, aber unsere Hypothese ist, dass es immer noch einfacher ist, persönlich Vertrauen aufzubauen und dass diese Beziehungen uns helfen, effektiver zu arbeiten."

Das Thema Rückkehr ins Büro ist momentan sehr umstritten. Die überwältigende Mehrheit der Entwickler findet, dass Fernarbeit in jeder Hinsicht besser ist und nur Idioten versuchen würden, sie zur Rückkehr ins Büro zu zwingen. Und wenn diese Idioten es versuchten, ginge es nach hinten los, weil alle Mitarbeiter sofort kündigen und woanders hingehen würden.

Dennoch sehen wir, dass fast jedes gut funktionierende Unternehmen seine Mitarbeiter dazu ermutigt oder von ihnen verlangt, ins Büro zurückzukehren, wobei große Unternehmen wie Amazon, Apple und Google erstmal mit drei Bürotagen pro Woche starten.

Die Antwort vieler Entwickler darauf wäre, dass ein solches Vorgehen eine Besessenheit von der Zeit vor 2020 zeigt, die von einem böswilligen Dogma der finsteren Mächte an der Unternehmensspitze angetrieben wird. Aber wie wir sehen, haben sich Unternehmen wie Meta bemüht, die Auswirkungen der Fernarbeit auf die Produktivität zu quantifizieren. Sie sind nicht nur zu dem Schluss gekommen, dass es sie gibt, sondern dass sie signifikant genug sind, um eine Rückkehrforderung zu rechtfertigen.

Ich würde zwar einräumen, dass Homeoffice die Zahl und Dauer der Meetings mindert und logistische Vorteile hat, fand es aber schon immer ziemlich offensichtlich, dass persönliche Zusammenarbeit effektiver ist. Ich denke, dass sie besser für die Firmenkultur und – vermutlich – vor allem für größere Unternehmen wichtig ist, weil sie dazu beiträgt, dass alle Mitarbeiter gleich viel leisten.

Hochkarätige, erfahrene Mitarbeiter schaffen im Homeoffice wahrscheinlich genauso viel oder sogar mehr als im Büro. Jüngere Mitarbeiter mit weniger Anleitung haben es aber schwerer.

Zudem bietet Homeoffice einen ultimativen Schutz für weniger motivierte Mitarbeiter, die in einem größeren Unternehmen immer einen gewissen Prozentsatz der Gesamtbelegschaft ausmachen und andernfalls mehr persönlich zur Verantwortung gezogen werden könnten (was natürlich nur eine Vermutung meinerseits ist).

IMHO ist der Kommentar von Golem.de. IMHO = In My Humble Opinion (Meiner bescheidenen Meinung nach)

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BlindSeer 29. Mär 2023

Hat ein ehem. Kollege ähnlich gemacht, nur dass er mich nicht zufällig an der...

wannegoogle 28. Mär 2023

Weil es reine Softwareprojekte sind. Man sieht doch sehr schön, dass die ziemlich...

amagol 27. Mär 2023

Kommt drauf an. Zum einen ist der soziale Aspekt nicht einfach nur Ineffizienz. Zum...

Termuellinator 24. Mär 2023

natürlich, man braucht ja jemand, den man vom Arbeiten abhalten kann - das funktioniert...



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