Elternzeit als IT-Leader: Gegen Kindererziehung ist ein Softwareteam nichts
Mario Meir-Huber hat seinen Posten als Head of Data aufgegeben, um Vollzeit Vater zu werden. So bleibt er in der Auszeit up to date.

Dieser Beitrag ist die 16. Ausgabe von Chefs von Devs, dem Golem.de-Newsletter für CTO, Technical Directors und IT-Profis. Alle zwei Wochen erscheint eine neue Ausgabe. Chefs von Devs kann hier kostenlos abonniert werden.
- Elternzeit als IT-Leader: Gegen Kindererziehung ist ein Softwareteam nichts
- Man braucht hin und wieder Pausen, um Kraft zu haben für das, was noch kommt
- Raus aus der Komfortzone, rauf auf den Gipfel
In dieser Ausgabe geht es nicht nur um die Jobs, die ihr im Büro erfüllt. Mario Meir-Huber hat seine Karriere als Data-Science-Experte vorrübergehend pausiert, um sich um seinen Sohn zu kümmern. Warum er in dieser Pause mehr mit Technik zu tun hatte als noch im Beruf, lest ihr in dieser Ausgabe von Chefs von Devs.
Mario Meir-Huber ist Big-Data-Experte, gelegentlich Autor bei Golem.de – und seit Oktober 2022 Vater in Vollzeit. Der Grund, warum er es nicht bereut, seine Karriere als Head of Data bei Konzernen wie Uniqua und A1 Telekom vorerst aufgegeben zu haben, sitzt bei unserem Videocall auf seinem Schoß.
Golem.de: Ist Ihnen die Entscheidung, die Familie vor der Karriere zu priorisieren, schwergefallen?
Mario Meir-Huber: Nein, nicht wirklich, ich wollte es schon seit Jahren machen. Meine aktuelle Position wird dann zwar weg sein, aber die Zeit mit einem Kind bekommt man kein zweites Mal.
Golem.de: Wie alt ist Ihr Sohn jetzt?
Mario Meir-Huber: Ein Jahr und drei Monate. Als ich in Elternteilzeit gegangen bin, war er zehn Monate. In den fünf Monaten, die ich mit ihm zu Hause bin, hat er viel gelernt. Er kann jetzt gehen, vorher ist er nur herumgekrabbelt. Das war noch einfacher. Jetzt müssen wir die ganze Zeit hinterher sein. [Zu seinem Sohn] Nein, Vincent, nicht auf den roten Knopf ...
In den ersten zehn Monaten war meine Frau zu Hause. Dann habe ich gesagt: So, und jetzt bin ich mal dran! Gerade gewöhne ich ihn in den Kindergarten ein. Bei unserer ersten Tochter war ich nicht viel zu Hause, sondern eher im Flieger. Die Zeit mit dem Kind ist nur einmal da, Karriere kann man auch später noch machen.
Golem.de: Das klingt, als würden Sie das jetzt nachholen.
Mario Meir-Huber: Der Wechsel war für mich dann auch ganz spannend. Ich bin vom Managementjob in die Vaterrolle gewechselt. In der einen Woche trägt man noch den Anzug und erklärt komplexe Sachverhalte, eine Woche später liegt man mit einem kleinen Kind den ganzen Tag am Boden, spielt mit Stofftieren herum, plappert Sachen à la: "Vincent, gut gemacht!" und freut sich, wenn er etwas ganz Triviales macht.
Golem.de: Vermissen Sie nach diesem krassen Wechsel auch etwas von der Arbeit?
Mario Meir-Huber: Aktuell nicht. Ich mache auch nebenbei immer wieder Dinge, habe etwa angefangen, ein iOS-Spiel zu programmieren. In der Zeit, wo Vincent tagsüber schläft, hat man ja zwei, drei Stunden Zeit, und da habe ich gecodet. Das Spiel habe ich sogar im App Store veröffentlicht und immer wieder iterativ weiterentwickelt. Ich habe mir selbst Sprints eingeteilt. Das war spannend, so richtig back to the roots zu gehen. Die letzten Jahre waren reines Management und weniger technologischer Inhalt.
Ich habe mir immer vorgenommen, Neues zu lernen: Wie funktioniert Swift? Wie funktioniert die Integration von Game Assets, von Grafiken und dergleichen? Wie integriere ich die Apple Services? Da habe ich dann die Highscores integriert und die nächste Frage war: Wie kann ich einen Multiplayer-Modus einbauen? Es haben sich immer wieder neue Fragen gestellt. Jetzt bin ich damit fertig und mache ein anderes Projekt.
Golem.de: Nehmen Sie sich diese Projekte zum Spaß vor oder um langfristig nicht den Bezug zur Technik zu verlieren?
Mario Meir-Huber: Das Spiel habe ich wirklich für mich gemacht, weil ich verstehen wollte, wie Mobile Development funktioniert. Gut für das Netzwerken und die Zukunft sind eher die Vorträge auf Konferenzen, die ich auch noch halte. Aber auch da mache ich nur solche, die mir wirklich Spaß machen. Für ein cooles Event in einer coolen Location macht es auch Sinn, die Zeit von der Kinderbetreuung freizuschaufeln.
Golem.de: Und jetzt finden Sie du Zeit zum Programmieren, obwohl Sie sich eigentlich gerade um einen kleinen Menschen kümmern.
Mario Meir-Huber: Ich habe es wirklich vermisst, an der Technologie dran zu sein. Die letzten Jahre waren reines People- und Stakeholder-Management. Da war für die Technologie, bis auf ein paar coole Architekturdiskussionen, überhaupt kein Platz mehr.
Golem.de: Sie sind jetzt seit knapp einem halben Jahr in Elternzeit. Hat sich Ihr Blick auf Ihre Branche währenddessen schon verändert?
Mario Meir-Huber: Was sich auf jeden Fall perspektivisch für mich ändert, ist, auch wertzuschätzen, wie intensiv die Kinderbetreuung sein kann und wie einfach wir Männer es uns oftmals machen. Wir sagen, nach einem Tag in der Arbeit brauchen wir unsere Ruhe, weil der Tag anstrengend war. Na ja, betreut mal ein Kind! Da ist jedes Softwareteam nichts dagegen. So eine Kinderbetreuung ist megaintensiv und man muss 100.000 Sachen bedenken. Eine Managementtätigkeit ist da fast einfacher.
Golem.de: Wie haben Ihre männlichen Kollegen auf Ihren Jobwechsel reagiert?
Mario Meir-Huber: Viele haben gesagt: "Es ist sehr gut, dass du das machst." Das war der Tenor. Ob es ernst gemeint war, weiß ich nicht, aber ich denke schon. Im November hatte ich einen Vortrag und habe darin erwähnt, dass ich gerade in Elternzeit bin. Dann ist das ganze Publikum aufgestanden und hat applaudiert -- ausgehend aber hauptsächlich von den weiblichen Teilnehmern. Und die Männer haben sich dann angeschlossen.
Golem.de: Glauben Sie, dass Sie diesen Applaus verdienen?
Mario Meir-Huber: Nein, denn es applaudiert ja auch niemand bei einer Frau. Was wir unseren Partnerinnen teilweise abverlangen, das schätzen wir nicht wert. Vielleicht ist der Applaus eher deswegen gekommen, weil man einer der wenigen ist, die es trotzdem machen. Hier in Österreich gehen fast nur Frauen in Elternkarenz. Männer gehen nicht in Elternzeit.
Golem.de: Nehmen Sie in Ihrem Umfeld wahr, dass sich das ändert; dass mehr Männer sich diese Auszeit von der Karriere für die Familie nehmen?
Mario Meir-Huber: Ich kenne schon einige. Dass es signifikant mehr wird, würde ich bezweifeln. Aber ich hoffe schon, dass es besser wird. Es ist eine irrsinnig bereichernde Zeit mit so einem kleinen Kind. Und die Liebe, die einem so ein kleiner Mann entgegenbringt, ist durch nichts zu ersetzen.
Die ganzen Angebote sind allerdings sehr auf Mütter mit Kindern ausgelegt. Wenn man zum Beispiel in Kinder-Cafés in Wien geht, sind da vielleicht 30 Frauen und ich als einziger Mann. Da wird man schon mal angesehen, als gehöre man da nicht hin. In dem Umfeld ist es eher umgekehrt wie in einem typischen Tech-Team. Man könnte da also auch die Frage stellen, warum so wenige Frauen in der IT sind.
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