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Elon Musk: Ein Möchtegern-Schutzengel versucht zu fliegen

Tesla -Chef Elon Musk mischt sich neuerdings weltweit in brisante Konflikte ein. Welche Interessen verfolgt er dabei?
/ Friedhelm Greis
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Elon Musk bei der ONS in Stavanger Ende August 2022 (Bild: Carina Johansen / NTB / AFP via Getty Image)
Elon Musk bei der ONS in Stavanger Ende August 2022 Bild: Carina Johansen / NTB / AFP via Getty Image

Es würde einen nicht wundern, wenn Elon Musk plötzlich einen Vorschlag zur Lösung des Nahostkonflikts twittern würde. Zuletzt hat sich der aktuell reichste Mensch der Welt mit ziemlich umstrittenen Vorschlägen zu Russlands Angriff auf die Ukraine und zu Chinas Ansprüchen auf Taiwan geäußert. Auch wenn seine Ideen in diesen Fällen wohl eher nicht umgesetzt werden: Musk hat inzwischen zu großen technischen und wirtschaftlichen Einfluss, um ihn auf politischer Ebene ignorieren zu können.

Als Chef oder Besitzer so verschiedener Firmen wie dem Elektroautohersteller Tesla, dem Raumfahrtunternehmen SpaceX, dem Satellitennetzbetreiber Starlink und demnächst wohl dem Kurznachrichtendienst Twitter muss Musk sehr viele unterschiedliche Interessen unter einen Hut bringen. Kein Wunder, dass es in diesem Konglomerat zu widerstrebenden Zielen kommen kann.

Was steckt hinter Musks "Friedensplan"

So ist auf den ersten Blick nicht ganz ersichtlich, was Musk zu seinem "Friedensplan" zum Ukrainekrieg(öffnet im neuen Fenster) angetrieben haben könnte. In seinen Tweets vertrat er eine lupenreine Kreml-Rhetorik, wonach die Krim seit 1783 zu Russland gehört habe und nur durch einen "Fehler" des sowjetischen Staatschefs Nikita Chruschtschow der damaligen Sowjetrepublik Ukraine(öffnet im neuen Fenster) zugeschlagen worden sei.

Zudem forderte er erneute Abstimmungen unter UN-Aufsicht in den von Russland annektierten ukrainischen Gebieten. Vereinbarungen wie das Budapester Memorandum von 1994 (öffnet im neuen Fenster) ignorierte er dabei geflissentlich. Darüber hinaus soll die Ukraine neutral bleiben und die Wasserversorgung der Krim garantiert werden.

Angst vor nuklearer Eskalation

Musks Befürchtung (öffnet im neuen Fenster) für den Fortgang des Krieges: "Wenn Russland vollständig mobilisiert, werden Millionen auf beiden Seiten sterben." Zudem geht er davon aus, dass sein Vorschlag "sehr wahrscheinlich" ohnehin dem Ergebnis am Ende des Krieges entsprechen werde. Falls es nicht zu einer nuklearen Eskalation komme, was jedoch unwahrscheinlich sei(öffnet im neuen Fenster) . Er sei ein großer Fan der Ukraine, "aber nicht des Dritten Weltkriegs" , twitterte Musk(öffnet im neuen Fenster) .

Wie nicht anders zu erwarten war, stieß sein Tweet auf Seiten der Ukraine auf Empörung. Russland wiederum will nicht ein weiteres Mal in den annektierten Gebieten abstimmen lassen. Musks Idee, die Twitter-Nutzer über den Vorschlag abstimmen zu lassen, macht seine Initiative erst richtig absurd.

Musk steckt offenbar in einem Dilemma.

Entscheidende Rolle von Starlink in der Ukraine

So hofft er auf der einen Seite auf eine schnelle Beendigung des Krieges, auf der anderen Seite trägt er mit Starlink zu den Erfolgen der Ukraine bei, was wiederum den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu einer weiteren Eskalation treiben könnte.

Musks Angaben zufolge(öffnet im neuen Fenster) befinden sich inzwischen 25.000 Terminals in der Ukraine, was das Unternehmen mehr als 80 Millionen US-Dollar gekostet habe(öffnet im neuen Fenster) . Darüber hinaus habe er SpaceX und sich selbst der "ernsthaften Gefahr eines russischen Cyberangriffs ausgesetzt" . Berichte, wonach Starlink beim Vorrücken der ukrainischen Armee teilweise nicht funktioniert habe, wollte Musk nicht kommentieren(öffnet im neuen Fenster) .

Hat Musk mit Putin gesprochen?

Auf die Frage, ob er jemals persönlich mit Putin gesprochen habe(öffnet im neuen Fenster) , antwortete Musk am 6. Oktober 2022: "Wir sprachen im vergangenen Jahr per Videokonferenz miteinander." Doch nun behauptet der Gründer der Politrisiko-Beratung Eurasia Group, Ian Bremmer, dass Musk ihm in einem Gespräch gesagt habe(öffnet im neuen Fenster) , kürzlich mit Putin direkt über den Ukrainekrieg gesprochen zu haben.

Dabei habe Putin die "roten Linien" des Kreml erläutert, schrieb Bremmer in einem Newsletter, aus dem Vice.com zitierte(öffnet im neuen Fenster) . Demnach sei Putin zu Verhandlungen bereit, wenn die seit 2014 von Russland besetzte Krim russisch bleibe und die Ukraine die Annektion ihrer Gebiete durch Russland akzeptiere. Zudem habe Putin mit Atomschlägen gedroht, falls die Ukraine die Halbinsel Krim besetze. Musk dementierte auf Twitter umgehend den Bericht(öffnet im neuen Fenster) und behauptete, zuletzt mit Putin vor anderthalb Jahren über Raumfahrtthemen gesprochen zu haben.

Darüber hinaus schreibt Bremmer, dass Musk nach eigenen Angaben den Vorschlag der Ukraine abgelehnt habe, Starlink für die Krim freizuschalten. Sollte diese Behauptung zutreffen, könnte dahinter Musks Befürchtung stecken, zunehmende ukrainische Angriffe auf die Krim könnten einen Atomschlag Russlands zur Folge haben.

China missbilligt Starlink-Einsatz

Außerdem räumte Musk in einem Interview mit der Financial Times (Paywall)(öffnet im neuen Fenster) ein, dass China den Einsatz von Starlink in der Ukraine "missbilligt" habe. Es wäre sehr bedenklich, wenn Pekings Einfluss schon so weit ginge, dass Musk deswegen das System in der Ukraine abschalten würde.

Wenig überraschend ist hingegen, dass Peking die Zusicherung verlangt haben soll, dass Musk Starlink nicht in China auf den Markt bringen wolle . Die chinesische Regierung möchte natürlich alle Möglichkeiten unterbinden, mit denen die Bürger die Große Firewall(öffnet im neuen Fenster) umgehen und einen unzensierten Internetzugang erlangen könnten.

Die Beispiele zeigen: Eine Firma wie Starlink spielt inzwischen eine wichtige militärische Rolle. SpaceX trägt wiederum dazu bei, die Abhängigkeit der westlichen Raumfahrt von russischen Trägerraketen zu verringern. Auf der anderen Seite ist Tesla derzeit jedoch stark von seinem Produktionsstandort Schanghai abhängig. Dort könnten jährlich mehr als eine Million Elektroautos vom Band laufen(öffnet im neuen Fenster) . Zudem ist China ein wichtiger Absatzmarkt.

Musk bewundert nicht nur die chinesische Führung, sondern auch die dortige Arbeitsmoral.

Musk: Biden zu alt für zweite Amtszeit

Die Menschen dort verließen nachts "nicht einmal die Fabrik, während die Menschen in Amerika versuchen, gar nicht erst zur Arbeit zu gehen" , sagte er im Mai dieses Jahres(öffnet im neuen Fenster) . US-Präsident Joe Biden befinde sich hingegen im Banne der Gewerkschaften, sagte er der Financial Times.

Zudem sei der 79-Jährige zu alt für eine zweite Amtszeit als US-Präsident. "Eine Generation vom Durchschnittsalter entfernt ist vielleicht in Ordnung, aber zwei Generationen? Wenn man Urenkel hat, weiß ich nicht, wie nah man dann noch an den Menschen dran ist. Ist das überhaupt möglich?" , fragte Musk.

Es ist daher schwer einzuschätzen, welche Zwecke Musk mit seinen vielen Firmen und Projekten verfolgt. Unterstützt er am Ende in den USA die Republikaner und schaltet den Twitter-Account von Ex-Präsident Donald Trump wieder frei? Und setzt er sich vor allem für solche Kandidaten ein, die Russland stärker entgegenkommen wollen?

Weltweit sind seine Firmen von den Entscheidungen der Regierungen abhängig, was Musk wie im Falle von China auch teilweise erpressbar machen könnte. Seinen Vorschlag, eine Sonderverwaltungszone für Taiwan einzurichten, begrüßte die Regierung in Peking umgehend.

Zum Wohle der Menschheit - oder zu seinem eigenen?

Der FT sagte Musk: "Ich unterliege buchstäblich einer Million von Gesetzen und Vorschriften, und ich befolge fast 99,99 Prozent von ihnen. Ich habe nur dann ein Problem, wenn ich der Meinung bin, dass das Gesetz dem Interesse des Volkes zuwiderläuft." Worauf die FT sich fragte, ob Musk nicht eher seine eigenen Interessen meint.

Vielleicht glaubt er aber tatsächlich, dass alle seine Unternehmen letztlich nur dem Wohle der Menschheit dienen. So schrieb ein Twitter-Nutzer jüngst: "Ich glaube, du kannst ein Schutzengel der Welt werden!!" Musks Antwort lautete: "Ich versuche mein Bestes." Die bisherigen Schritte machen aber deutlich, dass es gar nicht so einfach ist, ein Engel zu sein.


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