Ich war früher nicht anders
Ich will nicht selbstgerecht sein. In meinem früheren Autofahrerleben habe ich selbst alles durchgezogen, was ein deutscher Autofreak für den Vorsprung der Technik hält. Ich habe 1.000 Kilometer (Hamburg-Wien) mit einer Tankfüllung am Stück heruntergehobelt, ohne Pause. Ich habe mit Vergnügen lahme Golfs geschnitten und Suzuki-Fahrer verachtet. Mea culpa! Ich habe in meinem Auto "Male Cocooning" betrieben, eine Art automobiler Selbst-Vereinsamung mit kurzen Adrenalinschüben. Meine Öko- und Seelenbilanz früher war nicht die Beste.
Autofahren à la Deutschland hat, soviel habe ich begriffen, wenig mit Mobilität zu tun. Sondern eher mit Kontroll- und Statusgefühlen. Mit dem Anrecht auf Verbrennen und den dicksten Brocken Fleisch. Autos sind nicht selten Fluchtfahrzeuge vor Bindungen und Familien. Kontrollgeräte im Wirklichkeitsraum, der einem selbst unsicher geworden ist.
Unfähigkeit zum Wandel
Michael Lehofer, ein befreundeter Arzt und Psychiater, nennt das die "Selbstrekonstruktion": Wir versuchen immer wieder mit aller Macht jenen inneren Zustand wiederherzustellen, in dem "alles so war, wie wir es wollten". Wir konstruieren aus unseren Gewohnheiten und inneren Konstrukten ein normatives Normal, das in der Vergangenheit liegt. Auf der kognitiven Ebene führt das zur "Confirmation Bias" - man nimmt nur noch wahr, was dem eigenen Theorem dient. Auf der weltanschaulichen Ebene führt es ins Reaktionäre, in die Zukunfts-Feindlichkeit, und letztendlich in die Unfähigkeit zum Wandel.
Die Regnose der Technologie
Eine weitere Methode, Wandel zum Besseren zu bekämpfen, ist es, das utopische Neue zu verherrlichen. Der momentane Trend, die Möglichkeiten der Elektromobilität zu leugnen, ist die Lobpreisung des Wasserstoffs, der alle Probleme mit der Mobilität und Umwelt lösen soll. So wie die Künstliche Intelligenz, die ja demnächst auch das Problem unserer Dummheit lösen wird.
Elektroautos sind eine Übergangstechnologie, natürlich. Alle Technologien sind Übergangstechnologien. Und jede Technologie hat einen Umwelteffekt. Allerdings unterscheiden sich diese Effekte erheblich. Im Vergleich zu dem, was die fossilen Energien in der Atmosphäre, der Umwelt, der Kultur und nicht zuletzt der Ökonomie (Venezuela!) anrichten, ist eine Lithium-Ökonomie bei Weitem schonender. Sie mag nur ein Schritt ins Bessere sein. Aber ein großer.
Technischer Wandel entsteht wie jeder Fortschritt nach einem Regnose-Prinzip. Am Anfang wirken neue Techniken noch unfertig. Sie haben kleine Nachteile. Das war ja auch beim Verbrennungsauto so, das immerhin 50 Jahre bis zu einer nahtlosen Infrastruktur brauchte. Verbesserungs-Technologien erzeugen aber schnell eine eigene Marktdynamik, eine Innovationskaskade, die die Lücken der Anwendungen schließt.
Man denke an den sagenhaften Fortschritt der Computertechnik in den letzten 20 Jahren. Oder an den Siegeszug des effektiven Lichts. Können wir uns noch an den Shitstorm erinnern, der vor zehn Jahren zum Abschied von der viel zu viel Wärme erzeugenden Glühbirne ausbrach? Damals hortete der deutsche Bürger Glühbirnen im Keller, unter anderem mit dem Argument, dass die Energiesparlampen giftig und teuer waren. Das stimmte auch, aber es dauerte nur wenige Jahre, bis sich preiswerte LED-Technik in allen Formen und Farbschattierungen durchgesetzt hat. Als nächstes kommt OLED, das organische Leuchten.
So wird es auch mit der Elektromobilität sein. Sie verbessert sich selbst aus der Zukunft heraus. Und irgendwann, nach vielen Hürden, kommt der Wasserstoff.
Ich habe jetzt meine Taktik geändert. Auf Diskussionen über die Zukunft der Automobilität lasse ich durchblicken, die E-Mobilität sei etwas ganz Besonderes . Nichts für jeden. Wie heißt das so schön in der Fishermans-Friends-Werbung? "Sind sie zu stark, bist du zu schwach!" Dabei lasse ich durchblicken, dass es derzeit sehr komfortabel an den E-Chargern zugeht, kaum jemand versperrt die Ladegeräte. Großer Komfort, großer Vorteil. In Österreich darf man in Umwelt-100-Zonen mit einem E-Auto 130 fahren. Und so weiter.
Neid hilft. Seitdem bekomme ich plötzlich reihenweise Zuschriften, in denen ich nach dem besten Elektroauto gefragt werde und wo man es kaufen kann. Ich antworte nie.
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