Elektronik: Klappe zu

Ein Aufruf geht durchs Netz: Wir können unsere Smartphones, Tablets und Spielkonsolen selbst reparieren - wenn wir nur wollen! Vielen Herstellern aber passt das nicht.

Artikel von Eike Kühl/Zeit Online veröffentlicht am
Etwas handwerkliches Geschick gehört beim Reparieren von Smartphones dazu.
Etwas handwerkliches Geschick gehört beim Reparieren von Smartphones dazu. (Bild: Nicolas Tucat/Getty Images)

Als Kind nahm ich im heimischen Schuppen mit großer Begeisterung kaputte Radios und Röhrenfernseher auseinander. Mit dem Lötkolben löste ich Bauteile wie Kondensatoren und Widerstände von den Platinen und sortierte alles fachmännisch in einen leeren Schraubenkasten. Könnte man ja vielleicht noch mal brauchen, das Zeug. Die Wahrheit ist: Ich hatte keine Ahnung, aber für den Moment fühlte es sich an, als wüsste ich, was ich tue.

So ähnlich muss sich der Kollege Jason Koebler von Motherboard gefühlt haben, als er vor einigen Tagen einen Artikel mit der Überschrift 'Öffne deine Elektronik' schrieb, ein Nachtrag zu seinem langen Text aus der Vorwoche über die Reparatur-Industrie und Unternehmen wie iFixit. Koeblers Erkenntnis: Die Elektronik in unseren Smartphones und anderen Geräten ist nicht so komplex wie gedacht, und jeder kann mit etwas Hilfe aus dem Netz selbst reparieren, was kaputt ist. Das klingt toll. So toll, dass der Text sich in den sozialen Netzwerken rasend schnell verbreitet hat. Schade nur, dass es nicht stimmt.

Reparieren gegen Müll

Der Traum vom Alles-Reparieren ist nicht neu. Die Befürworter von Arts & Crafts, von Do-it-Yourself und in den vergangenen Jahren die Maker-Bewegung propagieren seit jeher, Probleme selbst zu lösen, um Ressourcen und Kosten zu sparen und nebenbei zu verstehen, wie die so selbstverständlich genutzte Technik eigentlich funktioniert. Im Softwarebereich gibt es das Open-Source-Prinzip, für jedermann zugänglichen Code, der ergänzt, verbessert und dessen Schwachstellen ausgebessert werden können.

Das Prinzip auf Smartphones, Tablets oder Laptops anzuwenden, erscheint nur logisch. Zumal wir tatsächlich mehr Elektronik wegwerfen, als wir müssten und sollten. In keinem anderen EU-Land wird pro Kopf mehr Elektroschrott produziert als in Deutschland. Jahr für Jahr kauft der deutsche Durchschnittsbürger einer UN-Studie zufolge 27,5 Kilogramm Elektronik und wirft dafür 23,3 Kilo weg. 2013 wurden in Deutschland 35 Millionen Handys verkauft. Die alten fliegen entweder verbotenerweise in den Hausmüll oder in den Sondermüll. Über Umwege landen sie in afrikanischen Ländern, wo sie von Hand mitsamt ihren teils giftigen Komponenten für ein paar Cent zerlegt werden.

Reparieren kann helfen, Elektroschrott zu vermeiden. Das ist die Meinung der Maker und Unternehmen wie iFixit. Die Gründer der kalifornischen Firma begannen 2003 damit, eine Art Wikipedia für Reparaturanleitungen ins Netz zu stellen, gepaart mit einem Versandhandel für Ersatzteile. Inzwischen setzt iFixit mehr als 10 Millionen US-Dollar im Jahr um, es verbreitet Anleitungen für die Reparaturen vom Küchenmixer bis zum neuen iPhone. Wann immer ein neues Smartphone auf den Markt kommt, werden die "Profi-Bastler" von iFixit zitiert, die das Gerät fachmännisch zerlegen und anschließend sagen, wie schwer das ihrer Meinung nach für Laien wäre.

Bitte nicht öffnen!

Leider ist es in vielen Fällen ziemlich schwer. Samsungs Galaxy S6 etwa erhält von iFixit nur 4 von 10 möglichen Punkten in Sachen Reparierbarkeit. Die Rückseite aus Glas ist stark verklebt, weshalb es schwierig ist, überhaupt ins Innere des Geräts zu kommen, ohne gleichzeitig das Display zu zerbrechen. Besser schneidet das iPhone 6S ab, doch auch Apple hatte in der Vergangenheit die Reparatur seiner Geräte erschwert. Wer aktuelle Apple-Geräte öffnen möchte, braucht zwingend einen Pentalob-Schraubendreher. Das Schraubenprofil hatte Apple erstmals 2009 eingeführt, bis heute gibt es die passenden Schraubendreher nicht in jedem gewöhnlichen Baumarkt zu kaufen. iFixit hat sie deshalb für acht US-Dollar im Angebot, ebenso wie Saugnapf-Zangen ("iSclack", 25 Dollar), um iPhone-Displays anzuheben oder gleich komplette Sets zum Austauschen einzelner Bauteile.

Wieso machen es die Hersteller den Käufern so schwer, die Hardware zu öffnen? Offiziell wird das gerne mit Design- und Sicherheitsgründen gerechtfertigt. Moderne Unibody-Smartphones sollen möglichst nahtlos wirken, sichtbare Schrauben passen nicht ins Konzept und um spritzwassergeschützt zu sein, müssen die Komponenten möglichst gut versiegelt sein. Die meisten Verbraucher verstehen Kleber, Nieten und spezielle Schrauben gleichermaßen als Abschreckung wie Ansage: Bitte nicht öffnen!

Tatsächlich möchten die meisten Hersteller einfach nicht, dass Nutzer diese Einblicke erhalten und auf eigene Faust Komponenten austauschen, denn damit würden sie sowohl die Kontrolle über die Hardware verlieren als auch das Geschäft mit Reparaturen außerhalb des Garantiefalls. Zusätzliche Garantieprogramme wie Apple Care sollen sicherstellen, dass die Käufer im Reparaturfall direkt zum Hersteller gehen und nicht zum nächstbesten Handyshop, wo es günstiger ist. Denn dass die Hersteller in offiziellen Werkstätten und Servicezentren gewöhnlich etwas mehr Geld verlangen als der Schrauber um die Ecke, ist bei Elektronik ebenso üblich wie in der Autobranche.

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Was du nicht reparieren kannst, gehört dir nicht 
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EvilSheep 11. Dez 2015

natürlich kosten gute ersatzteile. aber das was manche Hersteller, allen voran die gro...

Füchslein 08. Dez 2015

Vielen Dank für die Antworten. Das gibt's sogar in meiner Stadt sagt Gugel. Aber nach...

WonderGoal 08. Dez 2015

Was erwartest du? Unsere Elektronik-Spielsachen wird von Menschen montiert und...

WonderGoal 08. Dez 2015

Das ist ja zum Beispiel der Grund, warum selbst die Serviceprovider bei eingeschickten...



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