Elektromobilität: Warum ich kein Interesse an Elektromotorrädern habe
Livewire, Zero, Energica - alles tolle Elektromotorräder. Für einen passionierten Fahrer ist die Zeit aber noch lange nicht reif dafür.

Plötzlich geht alles ganz schnell - auf einmal muss alles mit einem Akku fahren. Gefühlt gibt es seit Corona in Sachen Fortbewegung kein anderes Thema mehr als Elektrofahrzeuge. Und ich finde: Bei Autos und reinen Stadtfahrzeugen kann das tatsächlich nicht schnell genug gehen. Viel zu früh ist es aber noch bei großen Motorrädern, mit denen kaum jemand nur zur Arbeit pendelt oder viel in Städten fährt. Gerne erkläre ich, warum das so ist.
Die Meldung, dass Ducati sich aktuell gegen Elektrofahrzeuge entscheidet, habe ich positiv aufgefasst - anders als viele Leser. Warum? Weil große, schnelle Maschinen zurzeit als Elektroversion für meine Zwecke nicht zu gebrauchen sind, und es wohl noch eine ganze Weile dauern wird, bis sich das ändert.
Elektromobilität ist ein Segen für Städte, gar keine Frage. Es stinkt weniger, es ist leiser und spätestens nach dem achten AMG mit Klappenauspuffanlage nerven die Lärmtüten nur noch. Fahrern kleinerer Fahrzeuge unterstelle ich außerdem, dass der Antrieb ihrer Autos, sofern der Preis und die Lademöglichkeiten stimmen, eigentlich keine Rolle spielt. Zumindest geht mir das mit meinem Lupo so. Würde ich für 10.000 Euro ein gutes kleines Elektroauto bekommen, wäre mein nächster fahrbarer Untersatz kein Verbrenner mehr. Warum auch? Man fährt oft kurze Strecken, der Motor wird nicht warm, viel Wartung, viel Verschleiß - brauche ich alles nicht.
Mit großen Motorrädern pendelt doch keiner
Bei Motorrädern sieht das aber ganz anders aus. Nimmt man Motorradfahren ernst - und gibt sich nicht der Illusion hin, dass große Motorräder praktische Stadtfahrzeuge wären -, fährt man oft in Gegenden, die 2021 für Elektroantriebe quasi noch Niemandsland sind. Bei Rollern in Metropolen ist das natürlich ganz anders - denn viel besser kommt man selten durch den dichten Verkehr, und hier ist jeder Elektromotor besser als stinkende Zweitakter, wenn auch Letzterem ein gewisser Charme nicht abzusprechen ist. Als Motorradfahrer fährt man aber durch den Harz oder den Schwarzwald - und somit an entlegene Orte, wo alle vier Dörfer vielleicht mal eine Ladesäule steht, um den Anschein zu erwecken, dass man dort total modern ist. Das reicht jedoch keineswegs, um eine Tour flüssig und angenehm zu gestalten.
Wenn ich mit meiner Aprilia eine Tour durch den Harz plane, fahre ich am Tag 300 bis 600 Kilometer. Dafür muss ich zwei bis drei Mal tanken - und selbst das muss ich planen, so wenig Zivilisation gibt es dort stellenweise. Die Elektromotorräder, die ich bereits gefahren bin, schafften im Stadtverkehr zwar eine ähnliche Kilometerleistung wie mein V4-Motor. Aber: Der Harz, der Schwarzwald oder die Eifel sind keine Städte. Da fährt man manchmal Autobahn bis zum Ausgangspunkt, bewegt sich oft mit einem höheren Durchschnittstempo und beschleunigt nicht selten mit Volldampf aus der Kurve. Für Rekuperation bieten sich selten Gelegenheiten. Der Akku einer Livewire oder einer Zero SR/F wäre mit diesem Fahrstil in unter 150 Kilometern so leer, dass man dringend an eine Ladesäule fahren müsste. Quasi bevor der Spaß überhaupt angefangen hat. Nicht ohne Grund war die Teststrecke bei der ersten ausführlichen Pressefahrt mit der Elektro-Harley in Barcelona unter 100 Kilometer lang. Schön, aber eben kurz.
In der Stadt - also in Hamburg - ist das Finden einer Ladestelle im Grunde kein Thema. Hier gibt es davon genug, auch wenn ich den Ausbaustatus des Ladenetzes gemessen am politischen Druck hinter dem Thema für mehr als löchrig halte. Und von undurchsichtiger Preispolitik und zig Lade-Apps möchte ich gar nicht erst anfangen. In den genannten Gebieten gibt es so was nur sehr selten. Und wenn, dann vielleicht die falschen Säulen. Oder welche mit zu wenig Wumms. Und schon steht man Stunde um Stunde, um weiterfahren zu können.
Natürlich machen Motorradfahrer während einer Tour häufig Pause. Könnte man immer dort laden, wo es den besten Kaffee und die beste Aussicht gibt, würde es vielleicht sogar klappen. Aber wer mal auf dem Schauinsland, auf dem Feldberg oder am Kyffhäuser war, der weiß, dass es da keine Säulen gibt. Und selbst wenn es dort eine oder drei Säulen gäbe - an schönen Tagen stehen dort schnell mal 100 Maschinen. Ich behaupte, hier wäre die Tour dann erst einmal beendet - für lange Zeit.
Der Wunsch nach weniger Lärm
Was den Lärm betrifft, kann ich den Wunsch nach leiseren Motorrädern verstehen, auch wenn ich mich persönlich über jede bollernde Harley oder meinen V4 freue wie ein kleines Kind. Die Menge macht's und die Anwohner haben ein Recht auf Ruhe. Im Zweifel für den Leidtragenden. Gerne bin ich also bereit, eines schönen Tages elektrisch zu fahren. Wenn die Infrastruktur und mein Fahrzeug es mir erlauben. Dafür brauche ich aber 400 Kilometer Reichweite unter Last und/oder viele schnelle Ladesäulen mitten in der Pampa. Früher wird das nichts und dann sind mir synthetische Kraftstoffe doch erst einmal lieber. Davon abgesehen, ob man es glaubt oder nicht - es ist durchaus möglich, legale Benzin-Motorräder innerorts leise zu bewegen. Wirklich! Dafür braucht es keine Mobilitätswende, sondern nur ein wenig Rücksicht.
Zu guter Letzt, da bin ich einfach mal egoistisch, sind mir die Preise für aktuell interessante Motorräder mit E-Antrieb viel zu hoch. Die Harley soll 33.000 Euro kosten. Die Zero SR/F mit großem Akku liegt bei 25.000 und die Energica Eva Ribelle RS liegt bei 29.000 Euro. Ich mache es kurz: nein, danke!
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Ich galube nicht, dass sie Emissionen von Motorrädern, gemessen am gesamten...
Dafür wollte ich ein paar Beispiele haben. Nichts kam. Hast du deine Meinung...
Zitat Fahrlehrer und Prüfer: Fahr gefälligst Mitte straße, wir zahlen auch steuern, das...
Warum muss jedes Portal seinen Sermon dazu abgeben? Golem ist jetzt nicht meine Präferenz...