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Elektroautos mit Range Extender: Der kleine Brummer gegen die Reichweitenangst

Die Koalition will künftig auch Elektroautos mit Range Extender fördern. Dabei galt die mehr als 100 Jahre alte Technik schon als obsolet.
/ Dirk Kunde
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Die Marke Scout wurde in den USA wiederbelebt und soll mit dem Range Extender sehr weit fahren können. (Bild: Scout)
Die Marke Scout wurde in den USA wiederbelebt und soll mit dem Range Extender sehr weit fahren können. Bild: Scout

Die Elektromobilität wird um ein Akronym reicher: Zu BEV, HEV und PHEV gesellt sich REEV. Das steht für Range Extended Electric Vehicle. Manchmal ist auch vom Extended Range Electric Vehicle (EREV) die Rede, etwa in den aktuellen Koalitionsverhandlungen von Union und SPD . Die Parteien vereinbarten eine " Förderung von Plug-in-Hybrid-Technologie (PHEVs) und Elektrofahrzeugen mit Range Extender (EREV) und entsprechende Regulierung auf europäischer Ebene ". Warum ist diese Technik plötzlich wieder interessant geworden?

Prinzipiell handelt sich bei einem REEV um ein Elektroauto mit Batterie. Zusätzlich ist jedoch ein kleiner Verbrennungsmotor - meist im Heck - gepaart mit einem Generator installiert. Mit der erzeugten Energie wird die Batterie nachgeladen. So schafft man Reichweitenangaben in der Werbebroschüre, die auch schon mal jenseits der 1.000-km-Marke liegen. Das Konzept wird als serieller Hybrid bezeichnet (g+).

Doch im Gegensatz zu anderen Hybridvarianten (parallel und leistungsverzweigt) hat der Verbrennungsmotor keine physische Verbindung zu einer der beiden Achsen. Er treibt das Fahrzeug nicht an. Ein REEV bietet sich für Märkte an, in denen Reichweitenangst bei den Kunden noch ein beherrschendes Thema ist.

VW-Chef Blume plädiert für Range Extender

Auch in Ländern mit großen Distanzen und entsprechend großen Abständen zwischen Schnellladestationen kann REEV eine Option sein. Beides gilt nicht für Deutschland, dennoch sagte VW-Chef Oliver Blume am Rande der ID.Every1-Präsentation in Düsseldorf : "Ich halte das für Europa auch für eine gute Technologie, weil es die Hürde senkt, in die Elektromobilität einzusteigen." Diese Botschaft scheint bei Union und SPD schon angekommen zu sein.

Dabei wirkt die Aussage wie eine Zeitreise in die Vergangenheit. Ein frühes Elektrofahrzeug mit Range Extender war der Lohner Porsche Mixte(öffnet im neuen Fenster) von 1902. Die damaligen Akkus waren sehr schwer und speicherten nur wenig Energie.

Die Idee wurde dennoch in diesem Jahrtausend wieder aufgegriffen. Audi präsentierte auf dem Genfer Autosalon 2010 einen A1 E-Tron mit Wankelmotor als Energieerzeuger. Opel nutzte die Technik vor langer Zeit im Ampera auf der Basis des Chevy Volt . BMW brachte 2013 den i3 mit der Option eines Range Extenders auf den Markt. Damals existierte noch kein öffentliches Ladenetz.

Die Version von BMW nannte sich REX. Ein 650-ccm-Motorradmotor in Kombination mit einem 9 Liter fassenden Tank erzeugte Energie, um die Reichweite von weniger als 200 auf 300 km zu erweitern. Allerdings wurde die Option nur von wenigen Kunden angenommen. Mit Einführung der dritten Batteriegeneration (42 kWh) stellte BMW 2018 die REX-Variante des i3 ein. Fahrer berichteten damals von ernüchternden sieben Litern pro 100 km bei Geschwindigkeiten um 120 km/h.

Doch die Technik ist nicht tot.

Mehr als 1.000 km Reichweite

Die Geely-Tochter LEVC baut ihre London-Taxen mit Range Extender . Leapmotor bringt den SUV C10 auch als REEV-Variante auf den Markt. Ein 1,5-Liter-Benzinmotor erzeugt ausreichend Energie, um bis zu 950 km weit zu fahren.

Mazda bietet mit dem MX-30 E-Skyactiv REV einen Plug-in-Hybrid mit einer Batteriereichweite von 85 Kilometer. Ein Kreiskolbenmotor liefert Energie für bis zu 630 km.

Mit 1.176 km knackt der chinesische Hersteller Li Auto die vierstellige Kilometergrenze. Das elektrische Oberklassefahrzeug Li L9 Pro kommt mit der Energie aus einer 52,3-kWh-Batterie bis zu 280 km weit. Dann springt in dem 5,22 m langen SUV ein 1,5-Liter-Reihenvierzylinder-Motor an und erzeugt Energie für insgesamt bis zu 1.176 Kilometer (WLTP). Nach dem chinesischen Testzyklus CLTC sind es sogar 1.412 km. Das funktioniert nur, weil der Tank 65 Liter Benzin fasst.

Mehr Zuglast möglich

Den Reichweitenvorteil erkaufen sich Kunden durch Raumverlust. Denn Tank, Verbrennungsmotor und Generator benötigen zusätzlichen Bauraum. Das Gewicht von Motor und Generator fällt mit rund 70 kg dagegen gering aus. Dafür erhöht die Kombi den Wartungsaufwand und das Risiko für Reparaturen. Dennoch sind Marktbeobachter optimistisch. Das Beratungsunternehmen Berylls schätzt den Markt für REEV-Fahrzeuge in China bis zum Jahr 2030 auf bis zu 3,2 Millionen Stück.

Doch spielt die zusätzliche Reichweite in manchen Fahrzeugkategorien eine untergeordnete Rolle. Beispiel Pick-up-Trucks. Blumes Begeisterung für den Range Extender liegt unter anderem an den nach eigenen Worten "sensationellen" Kundenreaktionen auf die Wiederbelebung der Pick-up-Marke Scout in den USA.

Beim Modell Terra setzt Scout auf einen Range Extender mit dem Namen Harvester. Mit dem Verbrennungsmotor steigt die Reichweite von 560 km (350 Meilen) auf 800 km (500 Meilen). Doch wichtiger dürfte für etliche Kunden die Zuglast sein.

Der Pick-up-Truck zieht einen Anhänger mit bis zu umgerechnet 4,5 Tonnen Gewicht. Ohne Range Extender würde sich die Reichweite eines Gespanns mindestens halbieren. So bleibt mit Anhänger noch eine brauchbare Reichweite.

Doch wie beurteilen Fahrzeugexperten die Renaissance der REEVs?

Kombi mit E-Fuels könnte sinnvoll sein

"Die Idee des Range Extenders ist nicht verkehrt, vor allem wenn der Motor mit CO2-neutralem Kraftstoff betrieben wird," sagt Frank Atzler von der TU Dresden. Dort leitet er den Lehrstuhl für Verbrennungsmotoren und Antriebssysteme. Atzler rechnet vor, dass auf lange Sicht in Deutschland nicht ausreichend nachhaltiger Strom für die Defossilisierung des Verkehrssektors produziert werden könne.

Die Alternative sind für ihn E-Fuels. "Hier lässt sich bei industrieller Produktion ein Herstellungspreis von rund einem Euro pro Liter realisieren," sagt Atzler. Natürlich funktioniert das nur, wenn die Energie dafür in Regionen wie Grönland, Patagonien oder Australien zu geringeren Kosten mit Wind oder Sonne erzeugt wird.

Der Wissenschaftler ist überzeugt, dass Kohlendioxid (CO2) vom unerwünschten Abgas zum begehrten Rohstoff werde. Das Gas benötigt man, um mit Wasserstoff und nachhaltiger Energie Methanol und andere Kraftstoffe herzustellen.

Laden sollte immer möglich sein

Dabei geht es Atzler nicht darum, sämtliche Energie für das E-Auto über den Verbrennungsmotor zu erzeugen. "Alle Hybrid-Fahrzeuge sollten über einen Anschluss zum Laden verfügen" , sagt Atzler. Heimlader könnten so den Überschuss der Solaranlage auf dem Dach für das Fahrzeug nutzen.

So würde auf Kurzstrecken grundsätzlich elektrisch gefahren. Der Verbrennungsmotor käme erst beim großen Wochenendausflug zum Einsatz. Voraussetzung für den Erfolg des Range Extenders wäre die Kombination von günstigem Verbrennungs- und Elektromotor, beide mit moderater Leistung bei exzellentem Wirkungsgrad, sowie eine vernünftig kleine Batterie. "Klingt vielleicht langweilig, kann aber viel Spaß machen und erhält die individuelle Freiheit," sagt Atzler.

Etwas anders sieht es Hermann Koch-Gröber von der Hochschule Heilbronn. Dort lehrt er den Studiengang Automotive Systems Engineering. "Die Nachteile überwiegen aufgrund der Umwandlungsverluste die Vorteile," lautet sein Urteil. Aus chemischer Energie mache der REEV-Generator elektrische Energie, die wiederum als chemische Energie in der Batterie gespeichert werde. Verluste gebe es zudem bei der Umwandlung von Wechselstrom in Gleichstrom für die Batterie.

Bei der Fahrt werde daraus wieder elektrische Energie für den E-Motor. "Ganz nach alter Weisheit: Hin und her macht Taschen leer," sagt Koch-Gröber. Aber auch er sieht Einsatzgebiete für den Range Extender in Regionen mit langen Fahrstrecken und einem geringen Angebot an Lademöglichkeiten.

Er nennt indes noch einen weiteren Nachteil der Technologie: "Hier sind Fahrverhalten und Geräuschkulisse voneinander entkoppelt." Der Benzinmotor springe plötzlich mit einem deutlich hörbaren Geräusch an, während der Fahrer gar nicht beschleunige.

Wo ist das Motorrad?

Das empfinden viele Nutzer als gewöhnungsbedürftig. Ein Autotester schrieb 2016 zu dem Effekt beim BMW i3 REX: "Der kleine Zweizylinder Boxer-Motor kommt aus der BMW-Motorrad-Sparte und klingt auch genauso. An der Ampel habe ich im Rückspiegel immer das Motorrad hinter mir gesucht."

VW-Chef Blume sieht den Markt für Range Extender allerdings nicht nur in den Regionen Nordamerikas. Er will die Technik auch nach Europa und China bringen.

Volkswagens chinesischer Kooperationspartner Xpeng präsentierte Ende 2024 beim AI Day einen Range Extender mit dem langen Namen Kunpeng Super Electric System. Eine erste Version des Xpeng G01 soll damit im Laufe des Jahres kommen.

Mit dem REEV werde auch bei dem E-Auto eine Reichweite von bis zu 1.400 km erreicht - vermutlich nach chinesischem Testzyklus. Aber es zeigt: Leapmotor, LEVC und Li Auto befinden sich in guter Gesellschaft.


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