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Elektroauto E-Tron vorgestellt: Audi präsentiert den "besten Quattro aller Zeiten"

Mit seinem vollelektrischen E-Tron will Audi langfristig auf dem wachsenden Markt für SUV Erfolg haben. Doch in einem wichtigen Punkt ist Tesla seinem Konkurrenten aus Deutschland noch weit voraus.
/ Friedhelm Greis
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Audi präsentiert den neuen E-Tron mit großem Pomp in San Francisco. (Bild: Friedhelm Greis/Golem.de)
Audi präsentiert den neuen E-Tron mit großem Pomp in San Francisco. Bild: Friedhelm Greis/Golem.de

Der Ingolstädter Autohersteller Audi hat am Montag in San Francisco sein erstes vollelektrisches Auto präsentiert. Der neue E-Tron soll mit einer Reichweite von 400 Kilometern (WLTP) und einer Leistung von bis zu 300 Kilowatt (402 PS) mit den Modellen des US-Elektroautoherstellers Tesla konkurrieren. Um die Bedeutung des US-Marktes hervorzuheben, war die ursprünglich am Produktionsstandort Brüssel geplante Vorstellung des Autos kurzfristig nach Kalifornien verlegt worden. Der neue E-Tron wird für einen Basispreis von 79.900 Euro gegen Ende 2018 an europäische Kunden ausgeliefert. Interimschef Bram Schot vertrat bei der Premiere mit 1.600 geladenen Gästen den in Untersuchungshaft befindlichen Audi-Vorstandschef Rupert Stadler.

Vom Konzept ähneln sich der E-Tron und der Anfang September 2018 vorgestellte EQC von Daimler in vielen Punkten. Allerdings gibt es im Detail doch einige Unterschiede beim Design, Ladeleistung und Antriebskonzept. So verfügen beide Fahrzeuge über zwei Motoren in Front und Heck, allerdings ist beim Audi der hintere Motor mit 140 Kilowatt (kW) etwas stärker als der vordere Antrieb mit 125 kW. Mit der Gesamtleistung von 265 kW und einem Drehmoment von 561 Newtonmetern (Nm) beschleunigt der E-Tron in 6,6 Sekunden von null auf 100 Kilometer pro Stunde (km/h).

Audi stellt den E-Tron vor
Audi stellt den E-Tron vor (04:00)

Boost-Modus für acht Sekunden

In einem zusätzlich aktivierbaren Boost-Modus, der acht Sekunden lang zur Verfügung steht, lassen sich bis zu 300 kW aus den Motoren herausholen. Dann sind die 100 km/h in 5,7 Sekunden erreicht. Das ist zwar deutlich länger als beim Model X von Tesla (3,7 Sekunden), allerdings soll die Standardleistung von 265 kW bis zu 60 Sekunden lang abgerufen werden können. Dies ermögliche mehrmals nacheinander ohne Leistungseinbußen das Beschleunigen aus dem Stand auf die elektronisch begrenzte Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h. Die 2015 vorgestellte Konzeptstudie des E-Tron Quattro(öffnet im neuen Fenster) sollte noch bis zu 370 kW leisten können. Derzeit ist Audi in der Lage, in seinem Motorenwerk im ungarischen Györ etwa 400 der selbst entwickelten Motoren pro Tag herzustellen.

Für den E-Tron hat Audi einen neuen elektrischen Allradantrieb entwickelt. Dieser regele innerhalb von Sekundenbruchteilen permanent und voll variabel die Verteilung der Antriebsmomente zwischen beiden Achsen. Dabei werde aus Gründen des Wirkungsgrades in den meisten Fällen hauptsächlich die hintere E-Maschine genutzt. "Fordert der Fahrer mehr Leistung an, als die hintere E-Maschine bereitstellen kann, verschiebt der elektrische Allradantrieb die Momente bedarfsgerecht auf die Vorderachse" , teilte Audi mit ( PDF(öffnet im neuen Fenster) ).

Schnellladesäulen fehlen noch

Deutlich schneller als bei der konventionellen Quattro-Technik könne das Fahrzeug auf Situationen wie Glätte oder Schlupf in Kurvenfahrten reagieren. Der neue E-Tron habe daher "den besten Quattro-Antrieb aller Zeiten" , sagte Antriebsentwickler Joachim Doerr in San Francisco. Laut Audi "ist selbst bei plötzlichen Reibwertveränderungen und extremen Fahrsituationen die volle Quattro-Performance gewährleistet" .

Der Akku hat eine Kapazität von 95 Kilowattstunden (kWh). Sein Batterie- und Ladekonzept hatte Audi bereits im vergangenen April vorgestellt . Mit einer maximalen Ladeleistung von 150 kW soll der 700 Kilogramm schwere Akku in einer halben Stunde zu 80 Prozent aufgeladen werden. Das Problem dabei: Es gibt derzeit nur wenige Ladesäulen, an denen das möglich ist. Zwar hatte Audi zusammen mit anderen Herstellern wie BMW und Daimler das Unternehmen Ionity gegründet, das bis Ende dieses Jahres europaweit fast 200 dieser High-Power-Charging (HPC)-Stationen aufbauen wollte. Doch davon ist Ionity noch weit entfernt. Tesla hat nach eigenen Angaben(öffnet im neuen Fenster) derzeit 1.342 Supercharger weltweit in Betrieb, mit denen sich mit bis zu 125 kW laden lässt.

Audi korrigiert Zahl der Ladestationen

Die Zahl von 200 Ionity-Stationen findet sich noch in der aktuellen Pressemitteilung, doch Audi-Manager Anno Mertens sprach in San Francisco nur von "mehr als 100 bis Ende 2018" . Vor allem in Deutschland geht der Aufbau nur schleppend voran, gerade einmal eine einzige Station wurde in Betrieb genommen. Einem Zähler auf der Website zufolge gibt es in Europa derzeit neun Stationen, 14 sind im Aufbau. Selbst um die 100 zu erreichen, müssten bis zum Ende dieses Jahres jede Woche gut sechs Stationen in Betrieb genommen werden.

Nicht viel anders sieht es in den USA aus. Dort profitiert Audi kurioserweise vom Dieselskandal, in dessen Folge Audi-Chef Stadler weiterhin in Untersuchungshaft sitzt. Denn der Volkswagen-Konzern hat mit den US-Behörden vereinbart, als eine Art Wiedergutmachung zwei Milliarden US-Dollar in den Aufbau einer Ladeinfrastruktur zu stecken . Dazu sollen bis Ende 2019 auch 484 Schnellladestationen gehören.

Kooperation mit Amazon in den USA

Der Aufbau dieser Stationen dürfte ein wichtiges Verkaufsargument sein, um überhaupt mit Tesla konkurrieren zu können. Allerdings muss die Volkswagen-Tochter Electrify America die Säulen auch mit Chademo-Steckern ausstatten und damit die Fahrzeuge der japanischen Konkurrenz wie Nissan mit Strom versorgen. Selbst Teslas könnten über einen Chademo-Adapter mit immerhin 50 kW an den VW-Säulen laden.

Das Kühlsystem des Audi E-Tron (Herstellervideo)
Das Kühlsystem des Audi E-Tron (Herstellervideo) (01:26)

Eine weiteres Verkaufsargument: In Kooperation mit dem Onlinehändler Amazon will Audi in den USA Vertrieb und Installation von privaten Wallboxen organisieren. Dazu würden geprüfte Installateure ausgesucht. Ein ähnliches Konzept für die heimischen Lademöglichkeiten verfolgt Audi auch in Europa, allerdings ohne Kooperation mit Amazon. Vergangene Woche teilte Audi bereits mit , dass mit der neuen E-Tron-Ladekarte an mehr als 72.000 Ladepunkten in Europa geladen werden könne.

Um die geladene Energie möglichst effizient zu nutzen, hat Audi nach eigenen Angaben ein Rekuperationssystem entwickelt, das bis zu 30 Prozent zur Reichweite beiträgt. Dabei rekuperiert der E-Tron beim Bremsen bis zu einer Verzögerung von 0,3 g rein elektrisch über die E-Maschinen. Erst bei einer stärkeren Verzögerung kommen demnach die Radbremsen zum Einsatz. Bei einer Bremsung aus 100 km/h beispielsweise könne der E-Tron mit maximal 300 Nm und 220 kW elektrischer Leistung rekuperieren. "Das sind mehr als 70 Prozent seiner Antriebsleistung. So viel schafft kein anderes Serienmodell" , teilte Audi mit. Der neue EQC soll laut Daimler mit bis zu 180 kW rekuperieren.

Geringer cw-Wert durch virtuelle Außenspiegel

Besser als beim EQC ist auch der cw-Wert des E-Tron, der bei 0,27 liegen soll. Dies erreicht Audi unter anderem dadurch, dass die Außenspiegel in die Fahrzeugtüren verlegt wurden . Laut Aerodynamik-Entwickler Stefan Dietz lassen sich bei einer Geschwindigkeit von 130 km/h durch den Verzicht auf die traditionellen Außenspiegel etwa fünf Prozent an Energie sparen. Zudem würden die Windgeräusche reduziert. Auch Tesla-Chef Elon Musk deutete kürzlich an , dass der neue Roadster zur Verringerung des Luftwiderstands keine Außenspiegel haben könnte. Allerdings ist das in den USA derzeit noch nicht erlaubt.

Unter anderem aus diesem Grund bietet Audi die elektronischen Außenspiegel derzeit nur als Extra an, das etwa 1.500 Euro kosten soll. Kritiker dieser neuen Technik behaupten auch, dass es ermüdender für die Augen sei, auf einen Monitor statt auf einen Spiegel zu schauen. Denn anders als beim Spiegel müssten die Augen beim Blick auf das Oled-Display neu fokussieren. Laut Audi haben die elektronischen Spiegel jedoch den Vorteil, bei Regen und Dunkelheit eine bessere Sicht zu ermöglichen. Zudem verfügt das System über eine zweite Kamera, mit der sich die Bordsteinkante im Display anzeigen lässt.

Aerodynamik hebt halbe Tonne Gewicht auf

Ohne virtuelle Außenspiegel liege der cw-Wert bei 0,28. Demnach bringt der schmale Außenspiegel nur eine zusätzliche Reichweite von fünf Kilometern. Ingesamt verbessere der E-Tron durch spezielle technische Maßnahmen seinen Luftwiderstandswert um 0,08 gegenüber einem konventionell angetriebenen Fahrzeug. Dies erhöhe die Reichweite um 40 Kilometer im WLTP-Zyklus. So senke sich die Karosserie des Fahrzeugs ab einer Geschwindigkeit von 120 km/h beispielsweise um bis zu 26 Millimeter ab.

An der Front gibt es einen steuerbaren Kühllufteinlass, der die Luft nur durchlässt, wenn sie zur Kühlung benötigt wird. Um den gesamten aerodynamischen Reichweitengewinn durch Gewichtssenkung zu erzielen, hätten die Ingenieure mehr als eine halbe Tonne einsparen müssen, heißt es. Das Gesamtgewicht des E-Tron nannte Audi zunächst nicht. Der EQC und das Model X wiegen rund 2,5 Tonnen.

Zur höheren Reichweite dienst zudem der serienmäßige Effizienzassistent. Durch das Zusammenspiel der Systeme beschleunige und verzögere der E-Tron vorausschauend, wozu er Sensor- und Navigationsdaten sowie Verkehrszeichen auswerte. "Dabei regelt er automatisch das aktuelle Tempolimit, reduziert die Geschwindigkeit vor Kurven, bei Abbiegemanövern und an Kreisverkehren" , teilte Audi mit.

Zwei Touch-Displays in Mittelkonsole

Der gegen Aufpreis erhältliche adaptive Fahrassistent kann die Längs- und Querführung auf Autobahnen bis zur Maximalgeschwindigkeit von 200 km/h selbstständig regeln. Das System erkenne Fahrbahnmarkierungen, Randbebauungen, Fahrzeuge auf Nebenspuren und vorausfahrende Fahrzeuge. Ebenso wie der neue A 8 ist der E-Tron darauf ausgelegt, einen sogenannten Staupiloten nutzen zu können. Bei diesem System, das im kommenden Jahr zugelassen werden könnte , übernimmt das Fahrzeug vollständig die Steuerung in bestimmten Stausituationen. Dazu ist ein Laserscanner unterhalb der Motorhaube angebracht.

Im Innenraum verfügt der E-Tron über ein digitales Armaturenbrett und zwei berührungsempfindliche Bildschirme in der Mittelkonsole. Die beiden hochauflösenden Displays - oben mit 10,1, unten mit 8,6 Zoll Diagonale - ersetzen laut Audi fast alle konventionellen Schalter und Regler. Auf dem oberen Display steuert der Fahrer das Infotainment, die Telefonie, die Navigation und spezielle E-Tron-Einstellungen. Das untere dient der Texteingabe und zur Steuerung von Komfortfunktionen und Klimatisierung.

Der E-Tron verfügt insgesamt über ein überzeugendes Gesamtkonzept, mit dem der Mercedes EQC derzeit wohl nur durch einen niedrigeren Anschaffungspreis konkurrieren könnte. Zudem ist der EQC erst vom Sommer 2019 an lieferbar. Obwohl die kostenpflichtige Reservierung von Audi erst auf kleineren Märkten wie der Schweiz und Österreich freigeschaltet wurde, sollen bereits 10.000 E-Tron bestellt worden sein. Beiden deutschen Herstellern mangelt es aber noch an einer guten Ladeinfrastruktur, um auf Langstrecken mit Tesla mithalten zu können. Ein "Vorsprung durch Technik" reicht bei Elektroautos nicht aus, wenn es noch einen großen Rückstand bei der Infrastruktur gibt. Die kommenden beiden Jahre könnten daher zeigen, ob in der elektrischen Oberklasse tatsächlich die Karten neu gemischt werden.

Offenlegung: Golem.de hat auf Einladung von Audi an der Präsentation in San Francisco, USA, teilgenommen. Die Reisekosten wurden zur Gänze von Audi übernommen. Unsere Berichterstattung ist davon nicht beeinflusst und bleibt gewohnt neutral und kritisch. Der Artikel ist, wie alle anderen auf unserem Portal, unabhängig verfasst und unterliegt keinerlei Vorgaben seitens Dritter.


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