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Elektrisches Carsharing: We Share bringt den ID.3 nach Berlin

Während Share Now seine Elektroautos aus Berlin abgezogen hat, bringt We Share demnächst den ID.3 auf die Straße. Die Ladesituation bleibt angespannt.
/ Friedhelm Greis
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Der ID.3 soll demnächst als Carsharing-Auto eingesetzt werden. (Bild: VW)
Der ID.3 soll demnächst als Carsharing-Auto eingesetzt werden. Bild: VW

Carsharing-Nutzer in Berlin können demnächst mit dem neuen VW ID.3 auf den Straßen der Hauptstadt unterwegs sein. "Wir werden den E-Golf sukzessive gegen den ID.3 austauschen. Das wird, wie wir hoffen, bald starten und sich die nächsten Jahre hinziehen" , sagte der Sprecher der VW-Tochter We Share, Michael Fischer, Golem.de. Aufgrund der Ladeproblematik sei jedoch nicht geplant, die Flotte von derzeit 1.500 Fahrzeugen aufzustocken. Die Konkurrenz von Share Now hat ihre Elektroautos aus Berlin abgezogen.

Beim Start des Dienstes im Juni 2019 hatte We Share angekündigt, die eingesetzten E-Golf von Mitte dieses Jahres an durch den neuen ID.3 zu ersetzen. Doch Softwareprobleme zögerten die Auslieferung des ID.3 immer wieder hinaus. Nach Informationen von Golem.de ist die überarbeitete Software, mit der die ausgelieferten Fahrzeuge nachgerüstet werden sollen , nun einsatzbereit. So soll die Testwagenflotte in den kommenden Wochen mit der neuen Software ausgestattet werden. Davon könnte auch We Share profitieren.

Kritik an Ladesituation und Parkgebühren

Obwohl Share Now mit seinen 140 BMW i3 nicht einmal ein Zehntel der Elektroautos von We Share im Angebot hatte, scheint sich der Betrieb nicht mehr gelohnt zu haben. Auf Anfrage begründete der gemeinsam von BMW und Daimler betriebene Dienst, er könne "aktuell am Standort Berlin nicht auf die nötigen Voraussetzungen zurückgreifen, um eine teil-elektrische Fahrzeugflotte nachhaltig erfolgreich betreiben zu können" . Das betreffe sowohl die Ladeinfrastruktur als auch die Parkregelungen. Ebenfalls seien die Leasingverträge mit den bestehenden Fahrzeugen ausgelaufen.

Schon vor dem Start der We-Share-Flotte hatte Share Now auf Anfrage von Golem.de moniert , dass nicht genügend freie Ladesäulen zur Verfügung stünden. Vom Land Berlin forderte das Unternehmen unter anderem "eine einheitliche Beschilderung der Ladesäulen, konsequentes Abschleppen bei Fehlbelegung sowie Aufklärungsarbeit" . Zwar sind in jüngster Zeit weniger Fehlbelegungen an den öffentlichen Ladesäulen in Berlin zu beobachten, doch die Konkurrenz durch die große We-Share-Flotte hat die Situation weiter verschärft.

Berlin verteidigt Regelungen

Auch We Share erwartet, dass die "hohe Nutzungskonkurrenz um die Säule" in nächster Zeit noch zunehmen wird. Derzeit kämen acht Elektroautos auf einen öffentlichen Ladepunkt. Dieses Verhältnis werde sich wegen der steigenden Nachfrage nach E-Autos eher verschlechtern. Daher reiche die Infrastruktur für zusätzliche Flottenfahrzeuge nicht aus. Ebenso wie Share Now kritisiert auch die VW-Tochter die hohen Parkgebühren in Berlin. "In Hamburg oder München wird elektrisches Car-Sharing gesondert gefördert, da werden elektrische Autos bei den Parkgebühren gefördert. Das macht es schwieriger, in Berlin Flotten zu betreiben" , sagte Fischer. Zudem erforderten elektrische Flotten derzeit noch eine viel komplexere Logistik als Verbrennerfahrzeuge.

Eine Odyssee mit dem E-Golf - Bericht
Eine Odyssee mit dem E-Golf - Bericht (05:30)

Auf Anfrage des Branchendienstes Energate Messenger(öffnet im neuen Fenster) wies die Senatsverwaltung die Vorwürfe der Carsharing-Betreiber zurück. Die Reduzierung oder der Erlass von Parkgebühren in der Innenstadt stelle keine "zielführende Maßnahme" dar. Würden die Gebühren für Carsharing-Autos in Wohnquartieren mit Parkraumbewirtschaftung reduziert, hätte das eine Fehlsteuerung zur Folge, die zu mehr Autoverkehr statt zu dessen Vermeidung beitrage.

Allerdings scheiterte die Berliner Verwaltung zuletzt damit, in einem Pilotprojekt 1.000 Laternen mit Lademöglichkeiten auszustatten .

Ladetechnik zu groß für Laternenmasten

Der Auftrag an den Berliner Anbieter Ubitricity musste am Dienstag neu ausgeschrieben werden(öffnet im neuen Fenster) , weil der erste Versuch technisch nicht umgesetzt werden konnte. Nun sollen die Ladepunkte in den Bezirken Marzahn-Hellersdorf und Steglitz-Zehlendorf in den Jahren 2021 und 2022 installiert werden.

Ubitricity entwickelte in den vergangenen Jahren ein Ladesystem, mit dem Straßenlaternen ohne großen Aufwand zu Ladepunkten umgerüstet werden können . Mit einem speziellen Ladekabel, in das ein geeichter Zähler integriert ist, kann ein Auto die Steckdose in der Laterne freischalten und den Verbrauch direkt mit dem Stromanbieter abrechnen. Ein solcher Ladepunkt ist günstiger als eine Wallbox oder Ladesäule mit eigener Abrechnungsfunktion. Auf diese Weise stattete Ubitricity in London schon ganze Straßenzüge aus.

TAR-Niederspannnung verhindert Realisierung

Die Berliner Lösung sollte jedoch ohne das spezielle Ladekabel und damit "diskriminierungsfrei" für alle Elektroautobesitzer funktionieren. Dazu hätte Ubitricity einen eichrechtskonformen Zähler mit Ablesefunktion in die Laterne integrieren müssen. Einem Bericht des Berliner Tagesspiegel zufolge(öffnet im neuen Fenster) scheiterte dieses Konzept jedoch an den Vorgaben der Technischen Anschlussregel (TAR) Niederspannung. "Im Fortschritt des Projekts wurde festgestellt, dass die aktualisierten bundesweit geltenden technisch-regulatorischen Anforderungen an Netzanschlüsse mit stationären Messstellen eine Realisierung in öffentlichen Beleuchtungsmasten nicht wie geplant erlauben" , zitierte der Tagesspiegel eine Firmensprecherin.

Ubitricity ausprobiert
Ubitricity ausprobiert (01:01)

Ein sogenanntes abgesetztes Display, bei dem das Smartphone als Messwertanzeige diene, sei wegen der Anforderungen an eine sichere Datenübertragung nicht zulässig. Unklar sei zudem, ob die Ladestationen vom kommenden Jahr an über einen vernetzten Stromzähler verfügen müssten. Das Problem an dem erforderlichen Konzept: In den Berliner Laternen lässt sich die aufwendige Technik nicht unterbringen. Daher müsste sie außen an den Masten angebracht werden. Das macht das Konzept jedoch deutlich teurer. Dem Tagesspiegel zufolge will sich Ubitricity dennoch für das Projekt bewerben, um auf dem Heimatmarkt präsent zu sein. Bislang wurden erst wenige Laternen mit proprietären Lösungen ausgestattet.

Expansion von We Share abgesagt

Share Now teilte auf Anfrage von Golem.de mit, weiterhin 3.000 Elektroautos in der Flotte zu betreiben. Das entspreche einem Anteil von 25 Prozent. "Vollelektrische Flotten betreiben wir in Amsterdam, Madrid, Stuttgart und Paris. In Deutschland sind neben Stuttgart elektrische Fahrzeuge auch in den Standorten Hamburg und München verfügbar" , sagte eine Sprecherin.

We Share stoppte hingegen die Anfang des Jahres angekündigte europaweite Expansion wegen der Coronavirus-Pandemie. "Wann und wo es hier weitergeht, steht zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht fest. Es bleibt aber dabei, dass wir mit We Share weiter expandieren wollen" , sagte Fischer. Mit der Akzeptanz des Angebots in Berlin ist das Unternehmen zufrieden. "Mit über 100.000 Kunden gehören wir zu den größten Carsharern der Stadt. Uns nutzen 40 bis 50 Prozent unserer Kunden jeden Monat und absolvieren in dieser Zeit eine signifikante sechsstellige Anzahl an Fahrten." Daher gehe "der Weg in Richtung Rentabilität" .

Der neue ID.3 würde für die Kunden eine höhere Reichweite im Vergleich zum E-Golf bedeuten. Dann würden Fahrten ins Berliner Umland nicht mehr so schnell zur sogenannten Reichweitenangst führen, wie sie auch Golem.de in einem Test erfahren musste . Wenn beim ID.3 dann auch noch die Software richtig funktioniert, dürfte einem Ausflug nach Brandenburg nichts mehr im Wege stehen.


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