Eisenbahn: Forscher testen den Umbau von Dieselzügen auf Wasserstoff

Eine Umrüstung von Diesel auf Wasserstoff oder Biogas für Züge soll deutlich preiswerter sein als Neuanschaffungen.

Artikel veröffentlicht am , / dpa
Ein Dieselzug
Ein Dieselzug (Bild: JOHN MACDOUGALL/AFP via Getty Images)

Eigentlich ist es nur ein großer Dieselmotor. Aber das Antriebsaggregat auf diesem Prüfstand in Sachsen-Anhalt ist etwas Besonderes: ein umgerüsteter Dieselmotor, der mit Wasserstoff läuft. "Der Motor wurde zum ersten Mal im Dezember im Wasserstoffbetrieb gezündet", sagt Maschinenbauingenieur und Innovationsmanager Carsten Tietze vom Wissenschaftlich-Technischen Zentrum für Motoren- und Maschinenforschung Roßlau gGmbH (WTZ) in Dessau-Roßlau. "Der Sechszylinder absolviert den Testbetrieb als Einzylindermotor, weil die Verbrauchskosten und die Komplexität der Untersuchungen dadurch wesentlich geringer sind. Später wird der komplette Motor erprobt."

Der nächste Schritt ist der Einbau in einen Dieselzug. Ende 2022 kommt der Zug, ein rund 15 Jahre altes Fahrzeug von der hessischen Landesbahn. Er fährt zunächst ohne Fahrgäste im Testbetrieb. "Ab 2025 soll dann der reguläre Zugverkehr zwischen Dessau Hauptbahnhof und Wörlitz aufgenommen werden", berichtet der Bündnismanager vom Projekt Trains an der Hochschule Anhalt in Köthen, Dirk Ottwald. Die Strecke bis zur Station Wörlitzer Gartenreich sei etwa 20 km lang. "Was die Umrüstung angeht, sind wir tatsächlich in Europa einzigartig. Wasserstoffverbrennungsmotoren für Züge gibt es noch nicht."

Alternativen zum Diesel werden gebraucht

Außerdem ist der Motor in der Lage, neben Wasserstoff auch mit allen Gemischen mit Erdgas und Biomethan zu fahren. "Die Umrüstung von Bestandszügen ist in jedem Fall günstiger als eine Neuanschaffung. Diese Züge fahren auf Nebenstrecken oder auf Nahverkehrsstrecken, wo es auch in Zukunft unwirtschaftlich wäre, diese Strecken zu elektrifizieren", schildert Ottwald. "Zudem gibt es den ganzen Bereich der Rangierloks, die nicht elektrifiziert werden können und bei denen auch Brennstoffzellen keine technische Alternative sind." Die DB Cargo setzt hierfür unter anderem auf Plugin-Hybride.

Für die Deutsche Umwelthilfe (DHU) steht die Elektrifizierung der Bahnstrecken im Vordergrund. Der Betrieb mit Wasserstoff sei nur dann sinnvoll, wenn er grün ist. "Aber bis grüner Wasserstoff zur Verfügung steht, wird es noch eine Weile dauern und er wird ziemlich kostspielig sein", sagt DHU-Abteilungsleiterin für Verkehr und Luftreinhaltung, Dorothee Saar. "Von einem Kraftstoff wie Erdgas muss man sich über kurz oder lang verabschieden. Deshalb wäre es besser, zu überlegen, welche Strecken noch elektrifiziert werden können, statt mit Wasserstoff zu betreiben. Wir kommen ja nicht umhin, die Schiene zu stärken, wenn wir den Lkw-Verkehr auf die Schiene verlagern müssen."

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das Bündnis Trains in einem Programm, das den "Wandel durch Innovation in der Region" fördert, wie ein Ministeriumssprecher mitteilt. Seit 2019 wurden insgesamt rund sieben Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Bei erfolgreichem Verlauf können bis 2025 weitere sieben Millionen Euro bewilligt werden.

Weniger CO2 und geringere Kosten

Rentabilitätsanalysen hätten ergeben, dass bei reinem Erdgasbetrieb ohne Wasserstoffbeimischung der CO2-Ausstoß im Vergleich zum Dieselbetrieb um 22 Prozent geringer war, sagt der BMBF-Sprecher. Eine Beimischung von 50 Prozent grünen Wasserstoffs bringe 76 Prozent CO2-Reduktion. Der Betrieb mit reinem grünen Wasserstoff ermögliche die Zugfahrt nahezu ohne CO2-Ausstoß.

Die Neupreise für übliche Triebzüge (Stand 2021) liegen laut BMBF bei etwa drei bis vier Millionen Euro. Die Fahrzeuglebensdauer wird mit 30 bis 40 Jahren angesetzt. Ökonomisch sinnvoll sei die Umrüstung auf Gasbetrieb bis zu einem Fahrzeugalter von etwa 20 Jahren. In Europa gebe es 25 dieselbetriebene Baureihen mit etwa 4.400 Triebwagen, rund die Hälfte davon fahre in Deutschland. Die Kosten pro Umrüstung werden auf 500.000 Euro bis eine Million Euro geschätzt und hängen von den Stückzahlen ab.

Die Umrüstung von Dieselmotoren auf Wasserstoff ist nicht der erste Test mit neuartigen Zugantrieben: 2018 durfte ein Prototyp mit Brennstoffzellenantrieb in Betrieb gehen, wie ein Sprecher des Eisenbahn-Bundesamtes (EBA) mitteilte. Ebenso wurde demnach ein Zug mit zusätzlichem Akku-Betrieb umgerüstet. Und 2021 sei ein Oberleitungs-Batterie-Hybrid-Triebzug zugelassen worden.

Bitte aktivieren Sie Javascript.
Oder nutzen Sie das Golem-pur-Angebot
und lesen Golem.de
  • ohne Werbung
  • mit ausgeschaltetem Javascript
  • mit RSS-Volltext-Feed


TA4758001-3 03. Feb 2022

Im Artikel wird auch geschrieben, dass "ein rund 15 Jahre altes Fahrzeug von der...

taschenorakel 01. Feb 2022

"Zudem gibt es den ganzen Bereich der Rangierloks, die nicht elektrifiziert werden...

GwhE 01. Feb 2022

Probleme suchen wo keine sind. Der Faktor 7 hört sich jetzt erst mal viel an ist er aber...

M.P. 31. Jan 2022

Bei den im Artikel beschriebenen Triebwagen die Drehgestelle mit den Diesel Power-Packs...



Aktuell auf der Startseite von Golem.de
Gegen Netflix
Die ARD braucht nicht mehr Technik, sondern andere Inhalte!

Der ARD-Vorsitzende will hunderte Millionen für Streaming-Technik ausgeben - von Inhalten ist keine Rede. Dabei braucht es die, um neue Zielgruppen zu gewinnen.
Ein IMHO von Tobias Költzsch und Sebastian Grüner

Gegen Netflix: Die ARD braucht nicht mehr Technik, sondern andere Inhalte!
Artikel
  1. Schneller als SSDs: Eine RAM-Festplatte bricht Geschwindigkeitsrekorde
    Schneller als SSDs
    Eine RAM-Festplatte bricht Geschwindigkeitsrekorde

    Schneller als SSDs und unendlich oft beschreibbar: Das verspricht ein Speichermedium, das RAM-Chips nutzt, aber über NVMe angesprochen wird.

  2. Spiele statt Serien: Netflix will ein Spiel für jeden Abonnenten
    Spiele statt Serien
    Netflix will ein Spiel für jeden Abonnenten

    Smartphone-Flirts bei Too Hot To Handle, ein neues Assassin's Creed und Multiplayer-Action zu einer noch geheimen Serie: Netflix will Spiele ernster nehmen.
    Von Daniel Ziegener

  3. Morris Chang: TSMC-Gründer erklärt Globalisierung im Chipsektor für tot
    Morris Chang
    TSMC-Gründer erklärt Globalisierung im Chipsektor für tot

    Der ehemalige CEO des Halbleiterproduzenten TSMC geht davon aus, dass die Preise dadurch steigen werden. Taiwan steht vor einem Dilemma.

Du willst dich mit Golem.de beruflich verändern oder weiterbilden?
Zum Stellenmarkt
Zur Akademie
Zum Coaching
  • Schnäppchen, Rabatte und Top-Angebote
    Die besten Deals des Tages
    • Daily Deals • Amazon Coupon-Party • MindStar: MSI RTX 4080 -100€ • Neue RAM-Tiefstpreise • Sandisk MicroSDXC 256GB -69% • Neue Wochendeals bei Media Markt • Bosch Professional-Rabatte • Otto Oster-Angebote • 38-GB-Allnet-Flat 12,99€/Monat • Meta Quest Pro 1.199€ • [Werbung]
    •  /