Einsteins Vorhersage bestätigt: Forscher weisen erstmals Gravitationswellen nach

Was Albert Einstein vor 100 Jahren theoretisch vorhersagte, wollen Forscher nun experimentell nachgewiesen haben. Ein Spezialobservatorium fing die Signatur zweier verschmelzender schwarzer Löcher auf. Eine physikalische Sensation.

Artikel veröffentlicht am , /dpa
Die Aufnahmen der Forscher zum Nachweis der Gravitationswellen.
Die Aufnahmen der Forscher zum Nachweis der Gravitationswellen. (Bild: Physical Review Letters/Screenshot: Golem.de)

Erstmals haben Astronomen nach eigenen Angaben Gravitationswellen direkt nachgewiesen und damit eine 100 Jahre alte Vorhersage von Albert Einstein belegt. Die Astrophysiker vom Ligo-Observatorium in den USA präsentierten ihre nobelpreisverdächtige Entdeckung am Donnerstag in Washington. Auch das Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Hannover, das an der Suche beteiligt war, bestätigte die Entdeckung. Der Originalbericht wurde in den Physical Review Letters veröffentlicht.

Gravitationswellen entstehen, wenn zwei sehr große Massen - etwa schwarze Löcher oder Neutronensterne - eng umeinander kreisen. Dann wird ein Teil ihrer Energie in Gestalt dieser Wellen ins Universum abgestrahlt, durch das sie mit Lichtgeschwindigkeit jagen und die Raumzeit verformen. Die Deformationen sind extrem klein und für Menschen nicht wahrnehmbar.

Signal im September 2015 entdeckt

Das Spezialobservatorium Ligo in den USA zeichnete nun am 14. September 2015 um 5:51 Uhr US-Ostküstenzeit die Signatur zweier verschmelzender schwarzer Löcher auf. Das Signal, das mit GW150914 bezeichnet wird, dauerte rund 0,2 Sekunden. In diesem Zeitraum stieg die Frequenz von 35 Hertz auf 250 Hertz an Die Amplitude erreichte einen Spitzenwert von 1,0 mal 10 hoch minus 21, bezogen auf die Gesamtlänge der Messeinrichtung von vier Kilometern. Dies entspricht einer Längenänderung von etwa 10 hoch minus 18 Metern (Attometer). Aus den Ankunftszeiten des Signals - der Detektor in Livingston (Bundesstaat Louisiana) registrierte das Signal sieben Millisekunden vor dem Detektor in Hanford (Bundesstaat Washington) - schließen die Wissenschaftler, dass die Quelle in der südlichen Himmelshalbkugel liegt.

Durch Charakterisierung der zufälligen Schwankungen des Rauschens in den Detektoren ermittelten die Forscher die statistische Signifikanz des Signals zu 5,1 Standardabweichungen. Das bedeute, dass ein solches Signal in den 16 Tagen ausgewerteter Beobachtung weniger als einmal in 200.000 Jahren durch zufällige Rauschschwankungen entstehen könne, schreibt das Max-Planck-Institut.

Schwarze Löcher direkt beobachten

Der Nachweis bestätige nicht nur die Existenz der Gravitationswellen, sondern bedeute auch eine neue Ära in der Astronomie, betonten die Forscher. "Wir haben eine neue Art Teleskop gebaut und ein völlig neues Feld eröffnet", sagte einer der Ligo-Gründungsväter, Rainer Weiss vom Massachusetts Institute of Technology. Den Analysen zufolge habe sich die Verschmelzung der beiden schwarzen Löcher in etwa 1,3 Milliarden Lichtjahren Entfernung in einem Gebiet am Südhimmel in Richtung des Sternbilds Schwertfisch ereignet, erläuterte Karsten Danzmann, Direktor am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Hannover.

Erstmals ließen sich nun schwarze Löcher direkt beobachten, sagte Alessandra Buonanno, Direktorin am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Potsdam. Die Möglichkeit, Gravitationswellen direkt zu messen, stelle ein fundamental neues Werkzeug zur Erforschung des Universums dar, betonte Buonanno. "Damit beginnt mit Sicherheit eine neue Ära in der Physik und Astronomie." Mit der Gravitationswellenastronomie könnten in Zukunft Supernova-Explosionen, kreisende Neutronensterne oder verschmelzende schwarze Löcher beobachten lassen. "Nichts lenkt Gravitationswellen ab. Das heißt, wir können damit tief ins Innerste kosmischer Objekte blicken", erläutert Weiss. "Eine der aufregendsten Beobachtungen wäre eine Supernova. Mit Hilfe von Gravitationswellen könnten wir sehen, was wirklich im Herz so einer Sternexplosion vorgeht."

Wellen kaum nachweisbar

Gravitationswellen gehören zu den spektakulären Vorhersagen von Albert Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie. Jeder beschleunigte Körper sendet demnach Gravitationswellen aus - also auch ein Autofahrer, der an einer Ampel startet. Die Wellen sind umso stärker, je mehr Masse der Körper hat. Jedoch sind sie in der Regel so winzig, dass Einstein selbst nicht daran glaubte, dass man sie jemals messen könnte. Seit über 50 Jahren suchen Physiker einen direkten Nachweis.

Dieser ist nun offensichtlich mit den beiden Ligo-Messstationen (Laser-Interferometer-Gravitationswellen-Observatorium) in Livingston und Hanford gelungen. "Wir haben die letzten vier Umläufe von zwei schwarzen Löchern gesehen, bevor sie miteinander verschmolzen sind", berichtete der geschäftsführende Direktor des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik in Potsdam und Hannover, Bruce Allen. Das Institut ist aktiv an der Suche beteiligt und hat Technologie zu dem Ligo-Observatorium beigetragen. Zwei Wissenschaftler aus Hannover hätten das Signal aus den USA als erste bemerkt.

Deutlich mehr Masse als die Sonne

Den Analysen zufolge hatten die beiden beobachteten schwarzen Löcher 29 und 36 Mal so viel Masse wie unsere Sonne. Das aus ihrer Verschmelzung hervorgegangene schwarze Loch besitzt jedoch nur 62 Sonnenmassen. Die Differenz von drei Sonnenmassen ist gemäß Einsteins Masse-Energie-Äquivalenz in Form von Gravitationswellenenergie abgestrahlt worden. Das soll innerhalb einer Viertelsekunde geschehen sein. "Dieses Objekt war kurzzeitig das energiereichste im ganzen Universum! Und trotzdem war es völlig dunkel", sagte Danzmann.

Ligo misst das Erzittern der Raumzeit mit Hilfe von zwei jeweils vier Kilometer langen auf einem flachen Boden liegenden Röhren, die rechtwinklig aufeinander stoßen. Über ein Lasersystem in den Röhren lässt sich die Länge der Arme extrem genau überwachen. Läuft eine Gravitationswelle durch die Anlage, staucht und streckt sie die Arme unterschiedlich stark. Die verschmelzenden schwarzen Löcher stauchten die Anlage nur um ein Tausendstel der Dicke eines Wasserstoffatomkerns. Dennoch schlug der Detektor an.

Gerüchten zufolge hat Ligo bereits weitere Ereignisse erspäht. Das britische Wissenschaftsmagazin New Scientist vermutet mindestens drei Signale.

Nachtrag vom 11. Februar 2016, 17:16 Uhr

Wir haben weitere Details der Entdeckung ergänzt.

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Kein Kostverächter 15. Feb 2016

1. Es gibt zwei Messapparaturen, die eine in Livingston/Louisiana und die andere in...

Peter Später 15. Feb 2016

Ließ dich mal ins Thema und befasse dich damit, wie ein schwarzes Loch Materie aufnimmt...

Anonymer Nutzer 14. Feb 2016

Da kann ausnahmsweise Golem auch nix dafür, wäre evtl. auch doof gekommen einen Physiker...

AntiiHeld 13. Feb 2016

kwt



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