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Einfuhrzoll: Schlechterer Service für Fahrer chinesischer E-Autos

Kommen die Zölle für E-Autos aus China im November, droht auch Bestandskunden schlechterer Service. Mit weniger Umsatz erweitern die Hersteller ihr Netzwerk wohl deutlich langsamer.
/ Dirk Kunde
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Wer hilft, wenn was am Nio kaputt ist? (Bild: Friedhelm Greis/Golem.de)
Wer hilft, wenn was am Nio kaputt ist? Bild: Friedhelm Greis/Golem.de

Noch ist das, was in der Autowelt "After Sales Service" heißt, ein zartes Pflänzchen bei den neuen E-Automarken. Servicestellen für Inspektionen und Werkstätten für Reparaturen leisten sich bislang nur wenig Marken und oft müssen Kunden viele Kilometer bis zu den Niederlassungen fahren .

Die angekündigten Zölle auf E-Autoimporte aus China könnten diese Situation verschlimmern. Zu den bestehenden zehn Prozent Einfuhrzoll kommen stufenweise, je nach Hersteller, Prozentsätze von 17,4 bis 37,6 Prozent hinzu. In der Spitze verteuert sich ein chinesisches E-Auto also um knapp 48 Prozent.

Die Preissteigerung werden die Hersteller nicht vollständig an Kunden weitergeben können. Ihre Marge schrumpft, was Auswirkungen auf geplante Investitionen hat. Der bundesweite Aufbau von Service-Standorten für Inspektionen, Werkstätten und Distributionslager für Ersatzteile muss finanziert werden. Geschieht dies langsamer oder wird es zurückgefahren, bekommen das Bestandskunden mit ihren E-Autos zu spüren, die nach zwei Jahren erstmals zur Inspektion kommen oder nach einem Steinschlag eine neue Frontscheibe benötigen.

Hersteller beschwichtigen

"Noch ist es etwas verfrüht, hier Auswirkungen zu nennen, da es ja weiterhin nicht final beschlossen ist," lautet die Antwort der Polestar-Pressesprecherin auf die Golem.de-Anfrage. Sie fasst die Reaktion der angefragten Unternehmen BYD, MG, Nio und Xpeng gut zusammen. Alle Unternehmenssprecher berufen sich darauf, dass die Einführung des Zolls erst Anfang November greife, noch sei nichts entschieden.

Das ist entweder blauäugig oder die Unternehmen wollen sich nicht in ihre (Strategie-)Karten schauen lassen. Bereits seit dem 5. Juli müssen importierende Hersteller beim Zoll eine Bankbürgschaft oder Barkaution über die anfallenden Summen hinterlegen .

Das Geld muss also bereits eingeplant werden. Kommt der Strafzoll im November, werden die Summen nachträglich eingezogen. "Natürlich hoffen die Hersteller auf einen Verhandlungserfolg bis zum Herbst. Jeder kann jetzt schon mal kalkulieren, was auf ihn zukommt. Hier spielt die EU über Bande und will die chinesische Regierung so an den Verhandlungstisch bekommen," sagt Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management.

Geplante Einfuhrzölle für E-Autos aus China
Prozentsatz 17,4 % 19,9 % 20,8 % 37,6 %
Hersteller BYD Geely (Smart, Polestar, Zeekr) Aiways, BMW Brilliance, Chery, Chongqing Changan Automobile, Great Wall Motor (Ora), FAW, Dongfeng, Leapmotor, Nio, Xpeng SAIC (MG)

Die Höhe des Einfuhrzolls richtet sich danach, wie offen Hersteller bei der Subventionsuntersuchung der EU-Kommission kooperiert haben. Die EU-Kommission hat die Höhe der Zölle leicht gesenkt, ursprünglich waren 38,1 statt 37,6 und 21 statt 20,8 Prozent im Gespräch. Tesla erhält voraussichtlich einen individuell berechneten Prozentsatz. Europäische Hersteller, die in China produzierte E-Autos nach Europa bringen, können ebenfalls eine individuelle Eingruppierung beantragen.

Importe innerhalb von vier Jahren verzehnfacht

Im vergangenen Jahr kamen 29 Prozent der 447.200 importierten E-Autos laut Statistischem Bundesamt aus China. Die rund 130.000 Pkw hatten einen Wert von 3,4 Milliarden Euro. Im Vergleich zum Vorjahr haben sich Wert als auch die Menge der E-Autos verdreifacht. Blickt man auf das Jahr 2020 haben sich die Autoimporte in nur vier Jahren verzehnfacht (von 12.800 E-Autos). "Die chinesischen Hersteller können nicht auf Europa verzichten. Im Heimatmarkt herrschen Überkapazitäten und Preisdruck. Die Konsolidierung wird kommen und die Überlebenden müssen ihren Absatzmarkt nach Europa erweitern," sagt Bratzel.

"An unseren mittel- und langfristigen Zielen etwa zum Ausbau des Netzwerkes von MG-Motor-Vertriebspartnern oder Investitionen halten wir fest," sagte MG-Pressesprecher Marc Hecht Golem.de. Xpeng mag gar nichts zum Thema sagen.

Nio setzt seine Expansion fort: Kürzlich eröffnete in Hamburg das vierte Nio House in Deutschland. In Köln gibt es nun einen weiteren Service-Hub. "Zum jetzigen Zeitpunkt behält Nio die Preise seiner Modelle auf seinen europäischen Märkten bei. Wir glauben an die Förderung des Wettbewerbs und der Verbraucherinteressen und hoffen, eine Lösung mit der EU zu erreichen, bevor im November 2024 endgültige Maßnahmen in Kraft treten," lautet die Antwort der deutschen Nio-Pressestelle.

Bei Cnevpost mag ein Unternehmenssprecher nicht ausschließen, dass die Preise später aufgrund der Einfuhrzölle angepasst werden(öffnet im neuen Fenster) .

Nio bereitet derzeit den Markteintritt zweier Untermarken vor. Mit dem L60 Onvo will man im Mittelklasse-Segment dem Tesla Model Y etwas entgegensetzen. Ob diese Marke nach Europa kommt, ist noch nicht entschieden. Dafür wird Firefly, was noch ein Arbeitstitel ist, ab 2025 in Europa elektrische Kleinwagen anbieten. "Selbst mit den höheren Einfuhrzöllen haben wir noch eine Chance, wettbewerbsfähig zu sein. Aber natürlich gehen die zulasten von Umsatz und Gewinn" , sagte Nio-CEO William Li zu Cnevpost(öffnet im neuen Fenster) .

Polestar verlegt Produktion in andere Länder

Auch für Polestar kommt der Einfuhrzoll zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Mit der Modellerweiterung will man in weitere sieben Länder. In Europa zählen die Tschechische Republik, Slowakei, Ungarn und Polen dazu. Neben Frankreich ist Deutschland einer der wichtigsten Märkte. Hierzulande betreibt Polestar neun eigene Niederlassungen (Spaces).

E-Autoimporte nach Westeuropa (EU 27 plus Island, Lichtenstein, Norwegen und Großbritannien) von Januar bis Mai 2024 (Quelle: European Electric Car Study von Schmidt Automotive Research)
Stückzahl Veränderung zum Vorjahreszeitraum
1. SAIC (MG) 30.369 - 14,5 %
2. Geely 21.896 - 8,3 %
Smart 12.402 25,7 %
Polestar 8.917 -36,4 %
Zeekr 557 -
3. BYD 12.226 478,3 %
4. Xpeng 1.825 -
5. Great Wall Motor (Ora) 1.383 82,7 %
6. Nio 670 25,9 %
7. Aiways 372 -
8. Leapmotor 159 -
andere Marken 1,377 -

Der temporäre Showroom in Bochum wird zu einer dauerhaften Filiale umgewandelt. Polestar kooperiert mit 200 Service-Standorten in Deutschland. Das sind in der Regel Volvo-Niederlassungen. Hier macht sich die Beteiligung von Volvo bezahlt.

Produktion nach Europa verlagern

Um Einfuhrzölle zu umgehen, hat Polestar die Produktion des SUV Polestar 3 in das Volvo-Werk nach Charleston in South Carolina gelegt. Hier dürfte natürlich auch der Inflation Reduction Act eine Rolle gespielt haben. Der SUV-Coupé Polestar 4 wird in China als auch bei Renault Korea Motor im südkoreanischen Busan vom Band laufen und so die geplanten Einfuhrzölle umgehen.

"Konsequenz wird sein, dass chinesische Hersteller mehr Wertschöpfung, also ihre Produktion, nach Europa verlagern," sagt Bratzel. Ein gutes Beispiel dafür ist BYD. Die Entscheidung für eine Fertigung in Ungarn ist schon vor längerer Zeit gefallen.

Nun plant das Unternehmen bis Ende 2026, auch in der Türkei eine Fertigung für bis zu 150.000 Fahrzeuge pro Jahr aufzubauen. "BYD verfolgt eine langfristige Strategie. Was unser Engagement in Europa anbelangt - neue Netzwerk-Stützpunkte sowie neue Produktionsstätten - so sagen die aktuellen Schlagzeilen zu unseren Investitionen in Europa doch genug darüber aus," schreibt der BYD-Sprecher auf die Golem.de-Anfrage.

"Für die Entwicklung des E-Automarktes in Deutschland ist es nicht gut, wenn die E-Autos aus China teurer werden," sagt Autoexperte Bratzel. Doch über den Erfolg auf dem deutschen Automarkt bestimmt seiner Meinung nach nicht nur der Preis: "Die chinesischen Hersteller müssen sich noch stärker den Kundenanforderungen in Deutschland anpassen."

Damit meint er die Art des Verkaufs, das Service- und Werkstattangebot sowie die Ersatzteilversorgung. "Hier könnte die Lernphase noch etwas länger dauern, als sich das einige der Beteiligten erhofft haben," sagt Bratzel.

Dafür ist Chery ein gutes Beispiel. Mit den Marken Omoda und Jaecoo wollte der chinesische Hersteller ursprünglich bereits im Frühjahr 2024 auf den deutschen Markt kommen. Jetzt wird es voraussichtlich das erste Quartal 2025.


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