Über die Rolle von Drohnen und anderen modernen Waffensystemen
4. Drohnen spielen eine wichtige militärische Rolle
Wie bei allen militärischen Konflikten seit der Jahrtausendwende sind auch in diesem unbemannte Systeme im Einsatz: Anfangs erzielte vor allem die Ukraine mit der in der Türkei gebauten Kampfdrohne Bayraktar TB2 Erfolge.
Inzwischen nutzen auch die Russen die unbemannten Fluggeräte, unter anderem solche aus dem Iran, die im Schwarm zivile Versorgungseinrichtungen angreifen. Dazu gehören auch sogenannte Kamikazedrohnen: Diese Drohnen, die mit einem panzerbrechenden Gefechtskopf ausgerüstet sind, werden in ein Ziel gesteuert und explodieren dort.
Vorteil dieser Waffensysteme, die auch Loitering Munition (deutsch etwa: herumlungernde Munition) genannt werden, ist, dass sie etwa eine halbe Stunde lang über dem Gefechtsfeld kreisen können. Taucht dort ein geeignetes Ziel auf, greifen sie an.
Drohnen werden daneben auch zur Aufklärung und zur Unterstützung der Artillerie eingesetzt. Die ukrainische Seite nutzt dazu auch Drohnen des deutschen Unternehmens Quantum Systems aus Gilching bei München.
Zum Einsatz kommt aber nicht nur professionelles militärisches Gerät: Auch handelsübliche Drohnen, etwa die des chinesischen Marktführers DJI und sogar selbst gebaute werden an der Front eingesetzt - um den Gegner auszuspionieren oder um eigene Erfolge zu dokumentieren, wie etwa nach dem erfolgreichen Angriff auf eine russische Panzergruppe bei Wuhledar.
5. Elektronische Kriegsführung bleibt ebenfalls wichtig
Einige der russischen Drohnen haben sich als nicht sehr wirkungsvoll erwiesen. Es wird gemutmaßt, dass sie durch spezielle Drohnen-Abwehrwaffen zum Absturz gebracht wurden. Das zeigt, dass moderne Waffensysteme abhängig sind von IT-Systemen, was diese wiederum zum Ziel macht.
Wegen des weitreichenden Einsatzes westlicher Technik ist die russische Seite natürlich anfällig gegen elektronische Kriegsführung. Allerdings ist man sich dessen bewusst: In der Ukraine gefundene westliche Chips waren anscheinend sorgfältig auf Hintertüren überprüft worden. Das zeigten Aufkleber des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB, der die Elektronikbauteile offensichtlich genau geprüft hatte.
Zu den wichtigsten Systemen gehören hier die verschiedenen Satellitennavigationssysteme, allen voran das US-System Global Positioning System (GPS), das für sehr viele Navigationsanwendungen genutzt wird. Für Drohnen etwa, aber auch für die zivile Luftfahrt. Im März meldeten mehrere Fluglinien großflächige GPS-Störungen im Ostseeraum, von Finnland bis Polen.
Anfangs wurde noch ein Sonnensturm als mögliche Ursache in Betracht gezogen. Als allerdings Störungen auch über dem Schwarzen Meer und in der Ukraine selbst auftraten, verstärkte sich der Verdacht, dass das russische Militär diese auslöst.
Allerdings dürfte das auch die eigene Luftwaffe getroffen haben: Russische Kampfjets sind zwar für die Navigation mit dem russischen System Glonass ausgerüstet. Darauf verlassen möchten sich die Piloten aber offensichtlich nicht: In den Cockpits abgeschossener Jets der russischen Luftwaffe wurden einfache GPS-Handgeräte zur Navigation gefunden.
Am ersten Kriegstag fiel der Dienst des KA-SAT-Satellitennetzwerks über Europa weitgehend aus. Eine Schadsoftware namens Acidrain hatte das System lahmgelegt. Hinter dem Angriff wurden Cracker aus Russland vermutet.
Davon betroffen war auch die deutsche Energiewirtschaft: Viele Windkraftanlagen werden per Satellit fernüberwacht und -gesteuert - und waren plötzlich nicht mehr erreichbar. Es kam aber zu keinem Ausfall: Sie schalteten auf Automatikmodus um und regulierten sich autark und selbstständig.
6. Satelliteninternet rettet die Kommunikation
Nach dem Angriff auf KA-Sat gab es Befürchtungen, dass die russischen Truppen weitere Kommunikationssysteme in der Ukraine ausschalten. Um das zu verhindern, schickte das US-Raumfahrtunternehmen SpaceX Lkw-weise und auf eigene Kosten Antennen für seinen Satelliteninternetdienst Starlink in das Land. Dafür erntete Unternehmenschef Elon Musk viel Beifall.
Weitere Starlink-Transporte wurden von verschiedenen Regierungen finanziert. Gedacht war der Dienst in erster Linie für humanitäre Zwecke, um Krankenhäuser, Banken und Familien, die von der russischen Invasion betroffen sind, mit Breitbandinternet zu versorgen. Allerdings hat das System auch Schwächen: Die Schüsseln lassen sich über die Kommunikation mit den Satelliten vergleichsweise leicht orten und können zum Angriffsziel werden.
Neben zivilen Einrichtungen nutzt auch das Militär Starlink - zur Kommunikation und zur Steuerung von Drohnen. Damit war SpaceX nicht einverstanden und schränkte den Dienst für das Militär ein.
Musk begründete das mit der Angst vor einem neuen Weltkrieg. Der Vorfall zeigte eine weitere fatale Entwicklung unserer Zeit: Eine Privatperson ohne Mandat kann nach persönlichem Gutdünken und ohne Kontrolle durch offizielle Stellen über Wohl und Wehe eines ganzen Landes entscheiden.
7. Der erwartete Cyberkrieg ist ausgeblieben
Mit Beginn des Ukrainekrieges wuchs auch in Deutschland die Befürchtung, dass Unternehmen, Behörden und Einrichtungen der kritischen Infrastruktur Ziel von Hackerangriffen werden könnten. Angesichts des seit Jahren allseits heraufbeschworenen Bedrohungspotenzials sowie der wohl tatsächlich verfügbaren Fähigkeiten beider Konfliktparteien erschien das Ausbleiben der Angriffe dann überraschend.
Als größter Erfolg russischer Hacker dürfte der Angriff auf das Satellitennetzwerk KA-Sat zu werten sein. Malware-Angriffe auf das ukrainische Stromnetz blieben weitgehend wirkungslos; solche Angriffe hatte es bereits in den Vorjahren gegeben. Vor und zu Beginn des Krieges wurde vor allem mit DDoS-Attacken und Wipern gearbeitet. Wenig kriegsentscheidend dürften auch jüngste DDoS-Angriffe auf Webseiten der Nato oder von deutschen Flughäfen sein.
Nicht besonders wirkungsvoll war offenbar auch der von sogenannten Hacktivisten gegen Russland erklärte Cyberkrieg. Es sollen einige Webseiten des russischen Staates durch DDoS-Angriffe von Anonymous zwischenzeitlich nicht mehr benutzbar gewesen sein. Es wurde dazu aufgerufen, weitere Infrastruktur wie Banken und APIs zu blockieren, es wurden Datenbanken der angegriffenen Systeme veröffentlicht und die Beteiligten wollen Fernsehübertragungen gehackt haben.
Dass vermeintlich unbeteiligte Hacker in Konflikte eingreifen und dies mit ihren Mitteln versuchen, war jedoch nicht neu und gehört zum Selbstverständnis der Anonymous-Hacktivisten. Diese waren bereits anlässlich der Annexion der Krim durch Russland aktiv und hatten russische Webseiten gehackt.
Bislang hat der Krieg daher gezeigt: Um die Infrastruktur der Ukraine auszuschalten oder stark zu beschädigen, sind weiterhin schwere und wiederholte Luftangriffe mit Marschflugkörpern erforderlich. Der Cyberkrieg ist militärisch ein stumpfes Schwert. Noch zumindest.
In Deutschland dürfte als Nebeneffekt des Ukrainekriegs die Abberufung von Arne Schönbohm als Präsident des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zu sehen sein. Schönbohm wurde in einer Sendung des ZDF-Satirikers Jan Böhmermann die Nähe zu russischen Cybersecurityfirmen mit Verbindungen zum russischen Geheimdienst vorgeworfen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nutzte die Gelegenheit, den ihr offenbar unliebsam gewordenen Behördenchef loszuwerden. Eine genaue Begründung fehlt bis heute.
Letzteres gilt auch für die Entscheidung des BSI, den Antivirensoftware-Anbieter Kaspersky zur Bedrohung zu erklären. Technische Gründe spielten bei der Warnung demnach keine Rolle. "Wenn Zweifel an der Zuverlässigkeit des Herstellers bestehen, birgt Virenschutzsoftware ein besonderes Risiko für eine zu schützende IT-Infrastruktur", hieß es.
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