E-Rechnungen: Das Zugferd für die digitale Finanzverwaltung

Das deutsche Wachstumschancengesetz(öffnet im neuen Fenster) , das im März 2024 beschlossen wurde und am 1. Januar 2025 in Kraft tritt, macht die elektronische Rechnung (E-Rechnung) zur Pflicht für Rechnungen zwischen Unternehmen in Deutschland. In Artikel 23 wird § 14 des Umsatzsteuergesetzes (UStG)(öffnet im neuen Fenster) geändert, der das Ausstellen von Rechnungen regelt. Mit der Einführung der E-Rechnung folgt Deutschland anderen EU-Ländern und einigen Drittstaaten.
Der Gesetzgeber hat den Begriff der elektronischen Rechnung neu festgelegt. Ab 2025 wird nicht mehr alles als elektronische Rechnung betrachtet, was digital erstellt oder erfasst wird. Bisher galten auch Bilddateien von gescannten Papieren, Text- und Tabellendokumente sowie einfache PDF-Dateien und E-Mails als elektronische Rechnungen. Zukünftig gilt eine Rechnung nur dann als elektronische Rechnung im rechtlichen Sinn, wenn sie in einem "strukturierten elektronischen Format" erstellt, übermittelt und empfangen wird und eine elektronische Verarbeitung möglich ist.
Ab dem 1. Januar 2025 gelten daher nach § 14 Abs. 1 Satz 4 des neuen Umsatzsteuergesetzes reine PDF-Rechnungen nicht mehr als elektronische Rechnungen, sondern werden wie Papierrechnungen als "sonstige Rechnungen" eingestuft.
Der Gesetzgeber will mit der Neuregelung auch steuerliche Ziele erreichen. Das neue Konzept soll helfen, ein größeres elektronisches Meldesystem aufzubauen. In Zukunft müssen Aussteller die E-Rechnung nicht nur an Kunden, sondern auch ans Finanzamt senden. So soll verhindert werden, dass Unternehmen bei der Umsatzsteuer betrügen.
Unternehmen nicht ausreichend vorbereitet
Laut einer Umfrage des Digitalverbandes Bitkom sehen sich nur 45 Prozent der Unternehmen in der Lage(öffnet im neuen Fenster) , strukturierte E-Rechnungen zu empfangen. Beim Versand verwenden lediglich 30 Prozent regelmäßig E-Rechnungsformate. Stattdessen dominiert die traditionelle PDF-Rechnung: 96 Prozent der Unternehmen empfangen Rechnungen als PDF per E-Mail, während 93 Prozent sie weiterhin per Post akzeptieren.
Bisher sind E-Rechnungen selten, was daran liegt, dass sie hohe Anforderungen an die IT-Infrastruktur stellen und Geschäftsprozesse entsprechend angepasst werden müssen. Der Aufwand hierfür ist besonders für kleine Unternehmen eine Belastung, obwohl die E-Rechnung mittelfristig den Kontrollaufwand in der Buchhaltung stark reduziert.
Stufenweise Einführung
Die Einführung der E-Rechnung erfolgt schrittweise:
- Ab Januar 2025: Alle Unternehmen müssen im B2B-Bereich E-Rechnungen empfangen können. Dafür reicht ein E-Mail-Postfach. Dazu gehört eine geeignete Software, um die strukturierten Daten lesen und verarbeiten sowie archivieren zu können.
- Ab Januar 2027: Große Unternehmen sind verpflichtet, im B2B-Bereich ausschließlich elektronische Rechnungen zu versenden.
- Ab Januar 2028: Es folgen kleinere Unternehmen mit einem Umsatz unter 800.000 Euro. Ausnahme sind Kleinstunternehmer.
- Ab 2030: Die in Rechnungen enthaltenen steuerlich relevanten Daten müssen in Echtzeit an die Finanzverwaltung übermittelt werden.
Die Anforderungen gelten ab einem Rechnungsbetrag von 250 Euro. Ausgenommen sind Rechnungen für Kleinstbeträge wie Taxifahrten, Fahrkarten, steuerfreie Umsätze sowie Rechnungen an Privatpersonen.
Für viele kleine Betriebe bedeutet dies eine Hürde, da sie sich als Rechnungsempfänger mit den technischen Anforderungen der E-Rechnung vertraut machen müssen. Faktura- oder ERP-Softwarelösungen, die Formate wie Zugferd ab Version 2.0.1 oder XRechnung unterstützen, werden dabei unverzichtbar.
Bundesrat lockert E-Rechnungspflicht für Kleinunternehmer
Mitte Dezember lockerte der Bundesrat die gesetzlichen Vorgaben im Wachstumschancengesetz etwas: Kleinstunternehmer sind demnach auch über 2027 hinaus nicht verpflichtet, E-Rechnungen auszustellen. Für sie gelten folgende höhere Umsatzgrenzen: Kleinunternehmer, die gemäß Umsatzsteuergesetz ab 2025 im Vorjahr nicht mehr als 25.000 Euro Umsatz erzielt haben und deren Umsatz im laufenden Jahr 100.000 Euro nicht übersteigt, sind von der verpflichtenden Nutzung der E-Rechnung ausgenommen. Die bisherigen Schwellenwerte lagen bei 22.000 Euro und 50.000 Euro.
Zusätzlich hat der Bundesrat klargestellt, dass bis Ende 2026 nur Rechnungen betroffen sind, die elektronisch übermittelt werden. Wird eine E-Rechnung verlangt, sind lediglich XML-basierte Formate wie XRechnung oder Zugferd ab Version 2.0.1 zulässig. PDF-Rechnungen ohne XML-Anhang bleiben bis Ende 2027 erlaubt, sofern beide Parteien dies vereinbaren. Papierrechnungen dürfen bis Ende 2026 verschickt werden, auch wenn der Auftraggeber auf einer E-Rechnung besteht.
Die Ausnahmeregelungen federn den Druck auf Kleinunternehmer etwas ab. Jedoch werden mittlere und größere Unternehmen ihre Rechnungen in maschinenlesbaren Rechnungsformaten wie XML ausstellen, da diese den Aufwand in der Buchhaltung erheblich reduzieren. Um den Anforderungen dieser Geschäftspartner zu genügen, werden wohl auch Kleinunternehmer um die E-Rechnung mittelfristig nicht herumkommen.
Die Technik hinter der E-Rechnung
Die gesetzlichen Vorgaben betreffen daher zunächst Softwareentwickler von Faktura- und ERP-Software. Die E-Rechnung basiert auf der europaweiten Norm EN 16931, die es ermöglicht, dass für die Buchhaltung einzelne Felder automatisiert ausgelesen werden können, um Rechnungsflüsse automatisiert zu prüfen und Zahlungsabgleiche und Zahlungsvorgänge zu beschleunigen.
Die Norm legt kein festes Format fest, sondern definiert nur, welche Anforderungen das Dokument erfüllen muss. Es gibt ein zentrales Rechnungsdatenmodell (Core), das die wichtigsten Elemente beschreibt, sowie länderspezifische oder branchenspezifische Erweiterungen (Core Invoice User Specification, CIUS).
Mit diesen Erweiterungen kann jedes EU-Land zusätzlich Elemente festlegen, um seine eigenen rechtlichen Vorgaben zu erfüllen. Die Norm verlangt eine strukturierte XML-Datei, die maschinell verarbeitet werden kann.
Die Kriterien der EN 16931 entsprechen zum Beispiel den weit verbreiteten XML-Standards wie Universal Business Language (UBL) und Cross-Industry Invoice (CII). Auch verschiedene lokale Formate, die nach den CIUS-Regeln erstellt wurden, erfüllen die Norm, wie etwa die XRechnung und Zugferd in Deutschland.
Die XRechnung als ein reines XML-Format wird vor allem im öffentlichen Sektor genutzt. Das hybride Format nach der Spezifikation Zentraler User Guide des Forums elektronische Rechnung Deutschland (Zugferd), das ein visuelles PDF mit einer eingebetteten XML-Datei kombiniert, ermöglicht sowohl die Lesbarkeit für Menschen wie auch die automatisierte Verarbeitung in Buchhaltungssystemen.
Kostenlose Programme, die das Zugferd-Format anzeigen können, sind zum Beispiel Acrobat, Foxit Reader und PDF-XChange Editor. Ein besonders praktisches kostenloses Tool ist die Open-Source-Software OpenXRechnungToolbox, die für Windows, Mac und Linux verfügbar ist.
Was muss E-Rechnung-Software können?
Die Einführung der E-Rechnungspflicht stellt nicht nur Unternehmen, sondern auch Softwareentwickler vor Herausforderungen. Faktura- und ERP-Systeme müssen ab 2025 E-Rechnungsformate wie Zugferd, XRechnung, Factur-X, CII und UBL unterstützen. Die Softwarelösungen müssen die strukturierten Daten auf Vollständigkeit und Richtigkeit prüfen können.
Die gesetzlichen Anforderungen sehen überdies eine revisionssichere Archivierung gemäß den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung vor. Für Geschäfte mit Behörden kommt die verpflichtende Nutzung der Leitweg-ID hinzu.
Etliche Softwarehersteller haben sich längst auf die E-Rechnung eingestellt. Wer kostenpflichtige Rechnungssoftware von Buhl Data, Haufe-Lexware, Papierkram oder Sevdesk nutzt, ist E-Rechnungs-technisch bereits versorgt und sollte alle verpflichtenden Funktionen spätestens Ende 2024 sowohl in der Cloud als auch auf dem Desktop nutzen können.
Bei kostenlosen Angeboten sollte man sich den jeweiligen Leistungsumfang genauer anschauen, insbesondere Mengenbegrenzungen, die Optionen für Datenportierungen sowie Schnittstellen zu Buchhaltungssoftware. Bei der Entscheidung Desktop- oder Cloudlösung gilt es, den Standort der Anbieter sowie ihre DSGVO-Konformität zu prüfen. Die Server der Clouddienste Lexware Office Papierkram.de oder Portinvoice etwa sind alle in Deutschland angesiedelt.
In der Praxis noch wichtiger dürften die Exportmöglichkeiten der Daten sowie die Archivierung sein: So sollte ein Unternehmen auch nach Ablauf des Abos noch an seine Rechnungsdaten herankommen können, um den gesetzlichen Aufbewahrungsfristen Genüge zu tun.
Die Wahl des richtigen Anbieters sollte daher gut überlegt sein, wenn man mit Blick auf die Schnittstellen etwaigen späteren Umstellungsaufwand minimieren möchte. Außerdem sollte man seine Buchhaltungssoftware noch mal auf Workflow-Prozesse in Richtung gesetzeskonformer Ablage wie auch Übermittlung an das Finanzamt abklopfen. Denn für Nachprüfungen durch das Finanzamt sollte man auskunftsfähig bleiben.
Durchsetzung über den laufenden Geschäftsverkehr
Wirkung entfalten wird die neue E-Rechnungsregelung vermutlich über den laufenden Geschäftsverkehr: Unternehmer müssen damit rechnen, dass ihre Geschäftspartner künftig erst zahlen, wenn sie eine elektronische Rechnung erhalten. Dafür dürfen diese nämlich ihr Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)(öffnet im neuen Fenster) nutzen, wenn die Rechnung nicht ordnungsgemäß ist.
Außerdem kann der Rechnungssteller gegen seine vertraglichen Pflichten verstoßen, wenn er die E-Rechnungspflicht nicht beachtet. Wenn der Kunde eine Rechnung bezahlt, aber das Finanzamt den Vorsteuerabzug verweigert, weil die Rechnung nicht korrekt ist, kann der Empfänger Schadenersatz nach § 280 BGB(öffnet im neuen Fenster) verlangen. Je früher Unternehmen also mit der Umstellung beginnen, desto besser werden sie vermutlich solche Unwägbarkeiten umschiffen.



