Die Million? Machbar!
Bei meinen ersten Besuchen in Norwegen vor zehn Jahren fielen mir elektrische Heizungen und viele elektrische Autos in den Innenstädten auf. Auf kurzes Staunen folgte die Recherche: Norwegen ist ein kleines Land mit vier Millionen Einwohnern, dessen Wohlstand sich fast ausschließlich auf Nordseeöl und -gas gründet. Die direkten Einnahmen daraus landen immerhin in einem Staatsfonds, der zufällig viertgrößter Eigner von VW ist und primär der Rentensicherung dient. Der Strommix Norwegens basiert auf wenigstens 98 Prozent erneuerbarer Energie, größtenteils Wasserkraft, was elektrisches Heizen mit gutem Gewissen möglich macht. Und der hohe Anteil an Think-Elektrofahrzeugen in den Innenstädten war vor allem durch die Mautersparnis bedingt.
Von Norwegen lernen
Heute ruft Norwegen das Ende des Verbrenners ab 2025 aus. In fünf Jahren sollen keine Pkw mit Verbrennungsmotoren mehr verkauft werden dürfen. In einem derart weiten Land klingt das zunächst sehr mutig. Doch die vielen Fjorde erfordern für lange Strecken viel Geduld, Umwege und gelegentliche Fährbenutzungen.
Die Regionen um die großen Städte werden damit praktisch zu Inseln: Wer von Bergen nach Stavanger reisen muss, nimmt die Fähre, nach Oslo die Bahn oder das Flugzeug. Das natürliche Territorium des Autos liegt demnach im Umkreis von 30 bis 50 Kilometern um die Städte. Auf den wenigen Autobahnen beträgt das Tempolimit 100 Stundenkilometer, auf Landstraßen meist 50 bis 80 Stundenkilometer: ideal für Elektroautos.
Hinzu kommt in Norwegen noch eine Einmalsteuer bei Erstzulassung, die sich bei konventionellen Fahrzeugen aus Masse, Schadstoffausstoß und Motorleistung berechnet und die bei einem großen Diesel oder Benziner 85 Prozent Aufpreis auf den Listenpreis bedeuten kann. Elektroautos sind davon ausgenommen. Die Folge ist, dass ein gut motorisierter Dreier-BMW in der Anschaffung teurer als ein Tesla Model S ist. Bei typischen Nutzungsdauern von 15 Jahren und einer aktuellen E-Auto-Zulassungsrate von etwa 25 Prozent dürfte es demnach bis 2035 dauern, bis über 90 Prozent des norwegischen Pkw-Bestandes ausgetauscht sind.
Die Million? Machbar!
Die angestrebte Million Elektroautos in Deutschland bis zum Jahr 2020 ist machbar, die Technologie ist in vielen Einsatzszenarien auch ohne Förderung bereits an der Grenze zur Wirtschaftlichkeit. Aber die Art der Förderung ist grundfalsch. Ginge es tatsächlich um die drei Aspekte Klimagase, lokale Luftqualität und Verkehrsfläche, müsste sie anders strukturiert werden: Private Fahrzeuge machen zwar einen großen Teil des Fahrzeugbestandes aus, viele davon werden aber in Ballungsräumen kaum mehr als 25 Kilometer pro Tag bewegt, was etwa zwei Litern Kraftstoffverbrauch entspricht.
Förderung muss folglich auch auf gewerbliche Vielfahrer und den öffentlichen Nahverkehr abzielen. Ein probates Mittel wäre die Möglichkeit von Sonderabschreibungen. Fatal ist dagegen der Austausch relativ neuer (jünger als zehn Jahre), wenig gefahrener Pkw durch Elektroautos, denn auch bei der Produktion eines Pkw fällt Kohlendioxid an.
Radfahrer müssen gefördert werden
Reine Kaufprämien für E-Autos erfassen auch nicht die im Stillen bereits stattgefundene E-Mobilitäts-Revolution: Derzeit sind gut zwei Millionen E-Bikes vor allem in Städten und Ballungsräumen unterwegs. Und es gibt weiteres Potenzial für eine Entlastung insbesondere der Städte.
Gerade für die Feinstaubproblematik hätte eine Förderung der Fahrradnutzung (egal ob mit oder ohne E) viel weiter reichende Effekte als der Austausch konventioneller Pkw durch elektrische. Was wäre also daran auszusetzen, wenn sich der PKW-Bestand in den nächsten fünf Jahren um 500.000 reduzierte, durch Rad, Pedelec und den öffentlichen Nahverkehr ersetzt würde und nur 500.000 Elektroautos in der Zulassungsstatistik stünden?
Was die Regierung tun muss
Wenn es der Bundesregierung ernst ist mit den Klimazielen, gleicht sie die Steuer auf Dieselkraftstoffe auf das Niveau von Ottokraftstoffen (im Verhältnis auf freigesetztes Kohlendioxid) an und erhöht die Mineralölsteuer anschließend so, dass Kraftstoffpreise auf norwegischem Niveau liegen. In Städten drohen sowieso bald verkehrsbeschränkende Maßnahmen, wenn weiter Grenzwerte überschritten werden - ob dies mit Fahrverboten oder einer Maut geschieht, bleibt den Städten überlassen. Eine Maut wäre die bessere Steuerungsfunktion, zumal sie gerade Wenigfahrern keinen sofortigen Wechsel des Fahrzeuges aufzwingt.
Dennoch dürfte die Kaufprämie der Bundesregierung einen Vorteil haben: Steigt die Zahl an Elektrofahrzeugen, dürften mehr Menschen sie aus Neugierde ausprobieren oder auch nur mitfahren - was viele Autofahrer angesichts des hohen Komforts in ihrer Haltung umstimmen sollte. Wenn das zur Folge hätte, dass mehr Autokäufer beim Fahrzeugwechsel den Systemwechsel in Betracht ziehen, hätte die Prämie ihren Zweck erfüllt.
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