Verschlüsseln, ja - aber nicht für geheime Dokumente
Skurril wirkt dabei, dass die Nutzerrichtlinien der EU-Kommission den S/MIME-verschlüsselten Versand von als vertraulich eingestuften Dokumenten explizit verbieten. Die IT-Verantwortlichen scheinen ihrer eigenen Technik nicht so recht zu trauen. Auch die Everis-Studie unterstreicht gleich zu Beginn, dass das Ziel des Projekts lediglich der Versand "vertraulicher, aber unklassifizierter Informationen" sei. Der Austausch von Dokumenten der Klassifizierungen "Restricted", "Confidential", "Secret" und "Top Secret" bleibt also voraussichtlich auch in Zukunft außen vor.
Das System scheint in der Kommission dennoch ganz gut anzukommen. Mitarbeiter bestätigen uns anonym die regelmäßige Nutzung im Alltag. Internen Dokumenten zufolge waren bereits 2007 rund 9.500 S/MIME-Zertifikate an Kommissionsmitarbeiter ausgestellt. Aktuellere Zahlen gibt es nicht.
Probleme für Normalbürger
Bei unseren Tests bestätigt sich allerdings schnell die niedrige Priorität, mit der die EU-Kommission die Kommunikation mit normalen Bürgern behandelt. Die Zertifikate der Behörde sind ausschließlich von der hauseigenen Commissign signiert, nicht aber von einer global anerkannten CA. Jedes externe E-Mail-Programm schlägt also Alarm und der wohlwollende Absender muss der CA zuerst blind das Vertrauen aussprechen. Damit sind Man-in-the-Middle-Angriffen Tür und Tor geöffnet, denn Fingerprints zur Verifikation der Echtheit der Zertifikate sucht man auf der Webseite der EU-Kommission vergeblich.
Zwar konnten wir mit zwei Kommissionsbeamten letztendlich erfolgreich verschlüsselt mailen, es besteht aber ein weiteres erhebliches Problem für die Kommunikation mit der Außenwelt. Was die Everis-Studie empfiehlt, ist schon heute in der EU-Kommission gängige Praxis: Die Möglichkeit, mit den Beamten vertraulich elektronisch zu kommunizieren, wird vor der Öffentlichkeit weitgehend geheim gehalten. Weder stehen die öffentlichen Zertifikate im öffentlichen Mitarbeiterverzeichnis zum Herunterladen bereit, noch findet sich auf den Webseiten der EU auch nur ein Hinweis auf deren Existenz.
Für die Beamten der EU-Kommission mag das vielleicht ein akzeptables Szenario darstellen. Welcher normale Bürger schreibt schon eine Mail an die Kommission? Für Parlamentsabgeordnete, die auf den regelmäßigen Austausch mit ihrem Wahlkreis und ihren Wählern angewiesen sind, dürfte das schwerer zu schlucken sein. Eine E-Mail-Verschlüsselung, die Bürger oder Whistleblower verwenden können, um ihre gewählten Abgeordneten zu kontaktieren, scheint bei den IT-Verantwortlichen in Brüssel leider keine hohe Priorität zu genießen.
Jan Weisensee arbeitet als freier Journalist und Experte für EU-Politik in Brüssel. Zuvor war er über fünf Jahre als Politik- und Kommunikationsberater für diverse Lobbying-Firmen tätig. Auf Twitter ist er als @ilumium zu finden.
In einem Pilotprojekt mit Narando vertonen wir in den kommenden Wochen zwei bis drei Golem.de-Artikel pro Woche. Die Texte werden nicht von Robotern, sondern von professionellen Sprechern vorgelesen. Über Feedback unserer Zuhörer freuen wir uns - im Forum oder an redaktion@golem.de.
Oder nutzen Sie das Golem-pur-Angebot
und lesen Golem.de
- ohne Werbung
- mit ausgeschaltetem Javascript
- mit RSS-Volltext-Feed
E-Mail-Verschlüsselung für alle EU-Institutionen bereits 2017? |
Nein, das war eine Mischung aus Dummheit und zu weniger Gutsherrenprivilegien für die Krone.
aber auch spammer können ihre mails via PGP signieren.
Die Verschlüsselung ist nur eine Komponente. Diese stellt sicher, dass keine unbefugten...
Hah? Der payload ist ohnehin AES verschlüsselt, nur der Sitzungsschlüssel per RSA und...