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E-Fuel-Förderung: Die billige Logik des Christian Lindner

Die Regierung fördert Autos, die es noch nicht gibt, für einen Sprit, der sich noch nicht tanken lässt. Das setzt falsche Anreize für eine ineffiziente Technik.
/ Friedhelm Greis
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Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) (Bild: Sean Gallup/Getty Images)
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) Bild: Sean Gallup/Getty Images

Die besten Haushaltsposten für einen Finanzminister sind immer solche, die garantiert nicht abgerufen werden. Insofern dürfte es in den Verhandlungen zwischen SPD, Grünen und FDP vermutlich keine großen Debatten gegeben haben, wie viel Geld in die steuerliche Gleichstellung von E-Fuel-Autos mit Elektroautos in den kommenden Jahren fließen darf.

Die dahinter stehende Logik der FDP mag zwar den Bundeshaushalt nichts kosten, könnte Industrie und Verbraucher aber noch teuer zu stehen kommen. Und wohl erst recht den Klimaschutz.

In ihrer Wachstumsinitiative hat die Bundesregierung rückwirkend vom 1. Juli 2024 an eine "Sonderabschreibung für neu zugelassene vollelektrische und vergleichbare Nullemissionsfahrzeuge" beschlossen. Diese soll bis Ende 2028 gelten.

Zudem sieht die Wachstumsinitiative vor, ausschließlich mit E-Fuels betriebene Kraftfahrzeuge steuerlich Elektroautos gleichzustellen. Das betrifft insbesondere die Kfz-Steuer und die Dienstwagenbesteuerung.

Lindner: Anreiz für die Industrie setzen

Nun ist selbst Bundesfinanzminister und FDP-Chef Christian Lindner klar, dass es derzeit weder Autos gibt, die ausschließlich mit E-Fuels betrieben werden, noch klimaneutrale Kraftstoffe an den Tankstellen. Selbst der neue Kraftstoff HVO100 , für den sich das Bundesverkehrsministerium in eine dubiose Werbekampagne einspannen ließ(öffnet im neuen Fenster) , ist nicht klimaneutral und auch ansonsten ökologisch eher bedenklich .

Wozu also diese steuerliche Gleichstellung? Bei der Vorstellung der Haushaltspläne am 17. Juli 2024 in Berlin sagte Lindner auf Nachfrage von Golem.de: "Es ist letztlich auch ein Signal an die Industrie, dass die Bundesregierung es ernst meint mit der Technologieoffenheit." Die Regierung schaffe jetzt die Sicherheit, dass dann, wenn es die Fahrzeuge geben sollte, man auf einer gesetzlichen Basis damit rechnen könne, "dass es keine Diskriminierung gegenüber batterieelektrischen Fahrzeugen gibt" .

Laut Lindner befindet sich der entsprechende Gesetzentwurf schon in der Frühkoordination und soll "bald in die Ressortabstimmung" . Nach Angaben von Finanzstaatssekretär Wolf Reuter sind sämtliche Maßnahmen aus der Wachstumsinitiative auch im Haushaltsentwurf enthalten. Allerdings konnten weder Reuter noch das Finanzministerium auf mehrfache Nachfragen angeben, wie viel Geld für die Sonderabschreibung und die steuerliche Gleichstellung der E-Fuel-Fahrzeuge im Haushalt vorgesehen ist.

In der mehr als 1.400 Seiten umfassenden Kabinettsvorlage des Haushaltsentwurfs, der Golem.de vorliegt, sind lediglich zusätzliche 141 Millionen Euro im Jahr 2025 für die Begünstigung von Elektro- und Plug-in-Hybriden bei der Dienstwagenbesteuerung vorgesehen. Die Einnahmen aus der Kfz-Steuer sollen im kommenden Jahr um 75 Millionen Euro auf 9,675 Milliarden Euro sinken. Darin könnten auch die Mindereinnahmen durch nicht-existente E-Fuel-Autos verbucht werden.

Mit der Technologieoffenheit der FDP ist es aber ein bisschen so wie mit den Strafzöllen auf chinesische Elektroautos.

Autoindustrie setzt auf Elektroantrieb

Die Autoindustrie erwartet eher andere Signale, die in Richtung einer konsequenten Elektrifizierung gehen. Auf Nachfrage von Golem.de sagte ein Sprecher des Verbands der Automobilindustrie (VDA), dass es derzeit noch keine Standards gebe, um Fahrzeuge ausschließlich mit E-Fuels oder anderen Nullemissionskraftstoffen zu betreiben. Möglich sei es, den Kraftstoffen bestimmte Additive beizumischen, die dann in einer Art elektronischer Betankungsüberwachung vom Fahrzeug erkannt würden. Das ändert zudem nichts an der Problematik, dass für einen Liter synthetischen Treibstoff 16 bis 27 Kilowattstunden Strom benötigt werden. Damit kommt ein sparsames Elektroauto 100 bis 150 km weit.

Doch dazu muss dieser Kraftstoff erst einmal in ausreichendem Maße produziert werden und an Tankstellen verfügbar sein. Selbst der kürzlich eingeführte Kraftstoff HVO100 wird nur als klimaschonend bezeichnet. Der Kraftstoff aus wasserstoffbehandelten Pflanzenölen (engl. Hydrotreated Vegetable Oils/HVO) und Fettresten soll den CO 2 -Ausstoß von Dieselfahrzeugen um bis zu 90 Prozent senken (Well-to-Wheel).

Da der Wasserstoff für die HVO-Produktion noch nicht aus erneuerbaren Energien stammt, also nicht "grün" ist, verschlechtert sich die Klimabilanz des Treibstoffs. Zudem wird HVO bislang zu 100 Prozent aus Palmöl gewonnen, das hauptsächlich aus Asien stammt.

E-Fuels werden für Schiffe und Flugzeuge benötigt

Hier zeigt das ganze Dilemma der Technologieoffenheit der FDP: Grüner Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe werden benötigt, um Industrieprozesse zu dekarbonisieren oder Transportmittel wie Schiffe oder Flugzeuge zu betreiben , die nicht ohne Weiteres auf batterieelektrische Antriebe umgestellt werden können. Die zusätzliche Nachfrage im Pkw-Sektor dürfte den Preis für alle Beteiligten in die Höhe treiben.

Sollte die Autoindustrie den Bau von E-Fuel-Fahrzeugen daher forcieren, nur weil die Betreiber davon steuerlich profitieren können? Das ist absurd und macht Produktion und Nutzung von E-Fuels nicht effizienter.

EU-Kommission: E-Fuels sollen "eine Rolle spielen"

Das muss nicht bedeuten, dass überhaupt keine E-Fuels im Pkw-Sektor eingesetzt werden sollten. In den neuen politischen Leitlinien (PDF)(öffnet im neuen Fenster) von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen heißt es: "So bietet das Klimaneutralitätsziel für 2035 für Personenkraftwagen den Investoren und Herstellern Vorhersehbarkeit. Auf diesem Weg ist ein technologieneutraler Ansatz erforderlich, bei dem E-Fuels eine Rolle spielen werden, indem die Vorschriften im Rahmen der geplanten Überprüfung gezielt geändert werden."

Diese Formulierung ist zwar ziemlich schwammig, dürfte aber als Zugeständnis ausgereicht haben, um von der Leyen die Zustimmung von E-Fuel-Befürwortern im Europaparlament zu sichern. Für eine zweite Amtszeit erhielt sie eine komfortable Mehrheit(öffnet im neuen Fenster) . Die Gefahr besteht jedoch darin, dass damit der Umstieg auf Elektroautos weiterhin verzögert wird. Schließlich wird suggeriert, dass sich die Verbrennertechnik mit dem Umstieg auf E-Fuels irgendwie schon retten lassen wird. Völlig abgekoppelt von der Frage, ob und zu welchem Preis in zehn Jahren klimaneutrale Kraftstoffe zur Verfügung stehen.

Den Preis für diese Technologieoffenheit dürfen dann die Verbraucher zahlen und die Bewohner in den Städten einatmen. Wenn die Regierung dann mangels verfügbarer klimaneutraler Kraftstoffe doch Fahrverbote verhängen oder Sprit rationieren muss , nützen die Steuererleichterungen wenig.

IMHO ist der Kommentar von Golem.de [IMHO = In My Humble Opinion (Meiner bescheidenen Meinung nach)]


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